Stehen europäische Retailbanken vor einem Comeback? (Teil 1)

by Karl-Heinz Goedeckemeyer on 16. Februar 2015

Während US-amerikanische Banken inzwischen wieder beträchtliche Renditen erzielen, haben sich europäische Banken von der Finanzkrise und den damit einhergehenden Ertrags- und Gewinneinbrüchen zum großen Teil noch nicht erholt. Dafür gibt es mehrere Gründe: Neben den gestiegenen regulatorischen Anforderungen, den Auswirkungen der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB), der schwachen Konjunkturentwicklung in vielen Ländern der Eurozone tragen auch die hohe Kreditrisikovorsorge, die ineffizienten Kostenstrukturen sowie das Misstrauen bezüglich der Aktivaqualität dazu bei, dass viele europäische Institute nur geringe Eigenkapitalrenditen aufweisen. Somit verdienen sie nicht ihre Eigenkapitalkosten, was nichts anderes bedeutet, als dass viele Institute Wert vernichten. Darüber hinaus werden die Banken durch neue Wettbewerber wie innovative Bezahlanbieter und Finanzierer bedrängt.

Zu gleicher Zeit nimmt der Druck auf die Vorstände der Banken zu, für ihre Aktionäre auskömmliche Renditen zu generieren. Da es den meisten europäischen Banken in den vergangenen Jahren nicht gelungen ist, die Renditevorgaben ihrer Investoren zu erfüllen, haben sich diese von ihnen abgewendet und in andere Branchen wie z. B. Healthcare oder Technology investiert, die weitaus höhere Renditen generierten. Als Folge daraus hat der europäische Bankensektor (Stoxx Europe 600 Banks) dementsprechend deutlich schlechter abgeschnitten als viele andere Branchen. Auch gegenüber einer Gesamtmarkt-Benchmark, wie z. B. dem Stoxx Europe 600 (s. Abb. 1), zeigten die Banken zumeist eine Underperformance.

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Abb. 1: Performance europäischer Bankaktien

Regulatorischen Anforderungen und die Auswirkungen auf Strategien und Geschäftsmodelle der Banken

Da in den Kernmärkten Europas die Profitabilität der Banken enorm unter Druck steht, ist ein effizientes Management ein entscheidender Erfolgsfaktor, um den laufenden Umbau der Geschäftsmodelle zu gewährleisten. Seit dem Untergang von Lehman Brothers Mitte 2008 befindet sich die Branche in einem Transformationsprozess, der durch Themen wie De-Leveraging und Kostenreduzierung begleitet wird. Gleichwohl sind viele Institute die Restrukturierung nicht entschlossen genug angegangen oder haben ihre Geschäftsmodelle (noch) nicht hinreichend die weiter steigenden regulatorischen Anforderungen angepasst. Denn um die Profitabilität über das Niveau der Kapitalkosten nachhaltig zu steigern, bedarf es eines konsequenten Umbaus der Geschäftsmodelle. Wenngleich die Institute in den vergangenen Jahren zum Teil erhebliche bereits Kostensenkungsmaßnahmen vollzogen haben, ist von weiteren Einsparungen auszugehen, nicht zuletzt um eine fortschreitende Gewinnerosion zu vermeiden. Zugleich müssen viele Banken ihre Bilanzsummen weiter zurückführen, also das De-Leveraging verstärken. Dies gilt insbesondere für jene, die im Kapitalmarktgeschäft tätig sind.

Konzernumbauten gewinnen an Fahrt: Die Trennung von Auslandstöchtern in Übersee sowie Teilrückzüge aus dem Investmentbanking stehen im Vordergrund

 

Als Folge des veränderten Wettbewerbs- und Regulierungsumfelds werden sich die Banken von nicht mehr zum Kerngeschäft zählenden Sparten und wenig rentierlichen Geschäftszweigen im Ausland trennen müssen. Dabei dürften insbesondere kapitalintensive Geschäftssegmente zur Disposition stehen, die vor dem Hintergrund hoher Fixkosten keine nachhaltigen Gewinne versprechen. Darüber hinaus könnten Banken, die über beträchtliche Kapitalmarkt- oder Cross-border-Aktivitäten verfügen, sich angesichts steigender Regulierungsaufwendungen sowie grenzüberschreitender Kosten dazu veranlasst sehen, ihre Geschäftsaktivitäten auf den Heimatmarkt zu beschränken.

In diesem Kontext ist festzustellen, dass etliche internationale Großbanken mit der Verschlankung ihrer Geschäftsmodelle schon weit fortgeschritten sind: Während sich die britische HSBC von etwa der Hälfte seines US-Geschäfts verabschiedete, hat auch der US-Rivale Citigroup das ausländische Privatkundengeschäft stark zusammengestrichen. Im gleichen Zeitraum haben ebenfalls UBS und Barclays damit begonnen, das Investmentbanking zurückzufahren. Im Gegenzug wurde das traditionelle Bankgeschäft (Barclays) bzw. Private Banking (UBS) aufgewertet und Eigenkapital für weiteres Wachstum zur Verfügung gestellt. Dazu beigetragen haben dürfte der Unmut der Aktionäre, die sich immer lautstärker über die Kostenstrukturen in der Investmentbank und die zu hohen Vergütungen beschwert haben. Auch bei der Credit Suisse wollen die Gerüchte nach einer Aufspaltung ihrer Geschäftsaktivitäten nicht abnehmen. Wie aus Züricher Finanzkreisen zu vernehmen war, soll die Bank aufgeteilt werden – die Vermögensverwaltung würde dann in der Schweiz und in Singapur konzentriert, das Investmentbanking hingegen von London und New York aus betrieben.

Im September vergangenen Jahres hat Barclays zudem ihre spanische Tochter an die CaixaBank verkauft. Bereits im Jahr 2013 haben die Konkurrenten Lloyds und RBS auf Druck der Finanzaufsicht FSA damit begonnen, nicht zum Kerngeschäft gehörender Aktiva zu veräußern, um somit die Kapitaldecke zu stärken. Beide Institute mussten im Gegenzug für erhaltene Staatshilfen bis Ende 2014 sich von einem Teil des Filialnetzes in Großbritannien bzw. sich von einem Großteil der ausländischen Aktivitäten trennen. Im vergangenen Jahr hat Lloyds zudem ihre Filialtochter TSB an die Börse gebracht und 50% der Anteile veräußert. Verschlankungspläne hat jüngst die Großbank Standard Chartered angekündigt. Neben der Kürzung von insgesamt 4.000 Stellen im weltweiten Filialgeschäft soll auch das weltweite Aktiengeschäft zur Disposition stehen. Kurz vor Jahresschluss hat zudem die spanische BBVA ihre Beteiligung von knapp 30% an der Citic International Financial Holdings (CIFH) an China Citic Bank (CNCB) verkauft.

Wie der nachfolgenden Abbildung zu entnehmen ist, hat der Übergang zu neuen Geschäftsmodellen bereits eingesetzt. Dabei fallen drei Entwicklungen auf: 1. Rückzug aus bzw. Fokus auf Teile des Kapitalmarktgeschäfts; 2. Stärkung der Provisionseinnahmen (bspw. Ausbau Vermögensverwaltung); sowie 3. Rückbesinnung auf den Heimatmarkt. 1

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Kapitalmärkte belohnen Desinvestitionen in Form von „Spin-offs“ mit Kursgewinnen

 

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Nach einer Studie der Boston Consulting Group2 belohnen die Kapitalmärkte Unternehmen, die ihr Beteiligungsportfolio bereinigen und Desinvestitionen aktiv gestalten, mit Kurssteigerungen. Dabei würden „Spin-offs“ in den meisten Fällen sogar besser bewertet als Börsengänge (IPOs) oder Direktverkäufe. Die Daten basieren auf mehr als 8.300 Ausgliederungen in den vergangenen 24 Jahren. Sie belegen, dass Unternehmen aus der Finanzdienstleistungsbranche nicht nur mit einem Deal-Premium von durchschnittlich 33% rechnen können, sondern in der Mehrzahl der Fälle mit einem Kursaufschlag, der aus der Erwartung einer operativen Verbesserung und einer stärkeren Fokussierung des Unternehmens und des Managements resultiert.

Wie der Abbildung auf der vorherigen Seite zu entnehmen ist, scheinen Investoren die Restrukturierungen der der britischen Banken allerdings nur bedingt zu honorieren. Dass sich die Kurse mit Ausnahme von Lloyds in etwa mit dem europäischen Stoxx 600 Banken-Index entwickelt haben, zeigt das Misstrauen der Anleger gegenüber den bislang nur halbherzig vollzogenen Transformationen, den unverändert hohen Rechtsrisiken sowie den geringen Profitabilitäten bei RBS und Barclays.

Wachstum und Marktanteilsgewinne durch Akquisitionen

Andere Institute wiederum wollen das geografische Wachstum durch Zukäufe erhöhen. BBVA z. B. hat im vergangenen Jahr die türkische Garanti Bank mehrheitlich übernommen. Es ist davon auszugehen, dass weitere Großbanken sogenannte Bolt-on-Akquisitionen, also kleinere strategische Zukäufe, in den Peripherieländern Südeuropas oder in den Schwellenmärkten tätigen werden, um das Geschäftsportfolio zu erweitern. Zu diesen Instituten zählt auch der heimische Konkurrent Santander, die im Januar eine Kapitalerhöhung in Höhe von 7,5 Mrd. € durchgeführt hat. Mit dieser Maßnahme könnte das Ziel verbunden sein, das Wachstum in den verschiedenen Märkten, die Santander adressiert, zu begleiten bzw. weitere Marktanteile in den jeweiligen Schlüsselmärkten auszuweiten. Da viele europäische Banken ihr Engagement in den Schwellenländern in den vergangenen Jahren stark verringert haben und viele Kapitalmärkte in dieser Region noch unterentwickelt sind, sollten Banken auf der Suche nach neuen Wachstumschancen über die Möglichkeiten von Allianzen und Fusionen in Schwellenländern nachdenken. Mit größeren Übernahmen und Fusionen ist im europäischen Bankensektor jedoch nicht zu rechnen, da die Vorstände noch zu sehr mit dem Umbau der Geschäftsmodelle beschäftigt sind.

Fortsetzung folgt

Der Text ist zunächst im Newsletter „Mit ruhiger Hand“ Nr. 34 vom 2. Februar 2015 erschienen.

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Diese Beitrag stellt keine Anlageberatung dar und auch keine Empfehlung zum Kauf bzw. zum Verkauf eines Wertpapiers, eines Terminkontraktes oder eines sonstigen Finanzinstrumentes. Eine Investitionsentscheidung bzgl. irgendwelcher börslicher oder außerbörslicher Geschäfte, Kontrakte, Terminkontrakte oder sonstiger Finanzinstrumente sollte nur auf Grundlage intensiver eigener Informationsbeschaffung über die Produkte, die Anbieter und die Transaktionswege und nach Beratungsgesprächen erfolgen.Vor einem Investment sollten Interessenten die jeweiligen Bedingungen der Anbieter und Handelsplätze sowie das Prospekt und hier insbesondere die Risikofaktoren in den jeweiligen Bedingungen gelesen und verstanden haben. Achten Sie darauf, dass es verschiedenste Risiken gibt und dass Sie diese Risiken tragen können. Aus der Performance der Vergangenheit kann nie auf die künftige Wertentwicklung geschlossen werden.

 


Karl-Heinz Goedeckemeyer  ist Sektorspezialist für börsennotierte Immobilienunternehmen, Immobilienmärkte sowie Finanzwerte bei der LONG-TERM INVESTING Research AG. Daneben ist als freier Autor für einzelne Publikationen tätig. Davor hat er rund 10 Jahre als Aktienanalyst börsennotierte Immobilienunternehmen aus dem deutschsprachigem Raum sowie europäische und US-amerikanische Banken analysiert.  Karl-Heinz Goedeckemeyer  schreibt regelmäßig für das Blick Log.

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