War der Tag der Aktie wichtig?

by Dirk Elsner on 17. März 2015

Gestern war also der “Tag der Aktie”, den die deutsche Börse mit einem Kursfeuerwerk feierte. Die von einigen Direktbanken und der Deutschen Börse ins Leben gerufene Marketingaktion-pro-Aktie macht sich laut ihrer Selbstdarstellung damit und mit weiteren Aktionen stark für eine bessere Aktienkultur in Deutschland.

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Lassens ich nicht zähmen: Bulle und Bär an der Börse

Bessere Aktienkultur? Zwar war die Straßenbefragung, die gestern die FAZ veröffentlichte nicht repräsentativ, aber ich fand sie sehr realistisch. Danach haben wir in Deutschland überhaupt keine Aktienkultur.

Man kann sich trefflich darüber streiten, ob es in einer Zeit, in der der DAX von Rekord zu Rekord eilt, richtig ist, eine solche Aktion zu starten. Norbert Kuhls wies am Freitag auf FAZ-Online darauf hin, dass der seit fast exakt sechs Jahre andauernde Aufschwung an den Börsen nahezu ohne Privatanleger stattfindet. Immer wieder konnte man es in den letzten Jahrzehnten erleben, dass in einer Phase der guten Stimmung ein Kurssturz die Freude an den Märkten vermieste. Das kann natürlich auch in dieser Phase passieren, muss es aber nicht.

Um es im Klartext zu sagen. In einem Jahr steht der DAX vielleicht bei 20.000 Punkte, dann wäre gestern immer noch ein guter Zeitpunkt zum Einstieg gewesen. Vielleicht hat uns aber auch eine neue Krise erreicht oder der DAX hat sich aus anderen Gründen halbiert auf 6.000 Punkte. Dann war gestern der falsche Zeitpunkt.

Fakt ist, selbst wenn es noch so viele Ratgeber angeblich ganz genau wissen wollen: Es gibt nicht den richtigen Zeitpunkt zum Einstieg oder Ausstieg an der Börse. “Börsenexperten” erklären zwar stets rückwirkend ganz genau, warum ein Einstieg oder Ausstieg richtig bzw. falsch war. Aber auch sie wissen es nicht vorher, sonst wäre sie keine “Börsenexperten”. Jemand, der wirklich wissen sollte, wie man viel Geld an den Börsen macht, wird sein Rezept nicht verraten. Und es wird immer jemanden geben, so ist das halt mit „Experten“, der es hinterher ganz genau im Vorherein wusste. Mein Tipp: Alles ignorieren oder besser als Anekdoten ansehen.

Ich finde es übrigens vollkommen nutzlos, wenn man am Tag der Aktie einmalig auf die Gebühren verzichtet, um die Aktie populärer zu machen. Mal abgesehen davon, dass die Leute, die noch keine Aktien gekauft haben, aufgrund der Eröffnungsbürokratie gar nicht so schnell ein Depot einrichten können, hapert es an vielen anderen Grundlagen bei der Finanzanlage.

Es reicht auch aus meiner Sicht nicht, um die Aktie populär zu machen, immer wieder die gleichen Statistiken zu ziehen, die zu Recht zeigen, dass die langfristige und regelmäßige Anlage in Aktien vielen herkömmlichen Sparformen überlegen ist (gut deutlich wird das am Renditerisiko-Radar des Handelsblatts). Diejenigen, die diese Statistiken kennen, haben längst Aktien und haben vielleicht gestern eher verkauft. Andere verstehen die Statistiken nicht oder glauben ihnen nicht. Banken glauben anscheinend, man könne mit Daten die potenziellen Anleger überzeugen. Das hat noch nie geklappt in den letzten Jahrzehnten.

Um die Anlage in Aktien populärer zu machen, sollte man vor allem wahre Geschichten über die Aktienanlage erzählen. Und zu diesen Geschichten gehören vor allem auch negative Erfahrungen, die man nämlich unbedingt aushalten muss, um nicht schlaflose Nächte zu erleiden und beim nächsten Crash gleich wieder aus Aktien zu flüchten. Um diese Form der Aktienreife zu fördern, habe ich bisher nichts gesehen. Und es scheint wieder einmal die Fantasie zu fehlen, wie hier etwas ändert.

Für vollkommen abwegig halte ich die in einigen Meldungen gesehene Kritik der Sparkassen am “Tag der Aktie”. Ich weiß zwar nicht ob, Sparkassen-Präsident Fahrenschon das wirklich gesagt hat, jedenfalls verstehen ihn einige so, dass „Aktien nur für Reiche sind“ sind. Stattdessen verlangen die Sparkassen das Sparen mit Minizinsen durch staatliche Prämien zu fördern. Diese Meinung ist so derart 70er, dass es sich nicht einmal lohnt, dagegen zu argumentieren.

Ich hätte mir ansonsten von den Direktbanken zum Beispiel bessere Online-Tools bzw. Smartphone-Apps gewünscht. So finde ich etwa die App eines Brokers, der sich an der Aktion beteiligt, eher peinlich, weil die angezeigten Bewertungen in den Depots immer noch der Usance der 90er Jahre entsprechen.

Der Tag der Aktie wird überhaupt nichts verändern im Verhalten der Anleger. Das ist eine Goodwill-Marketing-Aktion, die genauso verpuffen wird, wie zahlreiche andere Maßnahmen in den letzten Jahren. Hier muss wesentlich mehr passieren, mit Sicherheit aber auch keine staatliche Förderung des Aktiensparens.

Karl-Heinz Thielmann März 17, 2015 um 08:49 Uhr

Moin Dirk,

zunächst einmal 100% einverstanden. Ich habe aber noch zwei Anmerkungen:

1) den Begriff „Aktienkultur“ finde ich persönlich extrem irreführend. Aktien sind keine Kulturfrage, sondern ein Finanzinstrument. Und in Deutschland besteht ein krasses Unverständnis, was Finanzfragen grundsätzlich angeht, nicht nur was die Aktie betrifft. Viel größer ist das Missverständnis bei der schon fast kultischen Verehrung der „sicheren“ Spar- bzw. Rentenanlage.

2) Mich persönlich stört extrem, wenn Leute für die Aktie mit dem Argument gewonnen werden sollen, dass die Performance in der Vergangenheit ja so gut war. Nicht zu Unrecht werden die meisten Menschen von solch naiven Argumenten abgestossen, da ja eigentlich der gesunde Menschenverstand sagt, dass man Erfahrungen aus der Vergangenheit nicht einfach in die Zukunft extrapolieren soll. Aktienkurse werden von Unternehmensgewinnen und die wiederum von Wirtschaftswachstum sowie Produktivitätsgewinnen getrieben – nur solange dieser Mechanismus funktioniert, sind Aktien eine gute Anlage. Dies ist zwar derzeit der Fall, kann und wird sich aber auch wieder irgendwann einmal ändern.

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