Korruption gilt als Grundübel der Wirtschaft. Aktienkurse sind ein Maß für wirtschaftlichen Erfolg. Sind Unterschiede bei der Korruption in einzelnen Ländern dann auch für die Wertentwicklung von Aktienmärkten relevant? Diese Frage soll im Folgenden untersucht werden.
Warum ist Korruption eigentlich für die Wirtschaft gefährlich?
Korruption wird vielfach als eines der Grundübel im Wirtschaftsleben angesehen. Auf der Website der Anti-Korruptions-NGO Transparency International heißt es hierzu:
„Korruption ist der Missbrauch anvertrauter Macht zum privaten Nutzen oder Vorteil. … Korrupte Handlungen stellen ein Tauschgeschäft dar, bei dem oberflächlich betrachtet beide beteiligte Seiten einen Vorteil erlangen. Mit ihrer heimlichen Geschäftsbeziehung setzen sich die Täter aber über geltende Regelwerke, Gesetze und über die wirtschaftliche Rationalität hinweg. Korruption schädigt damit immer, da betroffene Dritte dafür zahlen und auch die Täter selbst beträchtliche Risiken tragen. Bestochene und Bestechende schädigen ihre Unternehmen, deren Wettbewerber und Kunden, ihre Behörden, Staaten und deren Bevölkerung und schließlich auch sich selbst.“
Doch welche wirtschaftlichen Schäden gibt es tatsächlich durch Korruption? Transparency International unterscheidet 3 unterschiedliche Formen:
1) Schäden bei Unternehmen und Behörden.
2) Individuelle Schäden bei Tätern und betroffenen Dritten wie Konsumenten.
3) Schäden für Volkswirtschaft, Staat und Gesellschaft.
Für Anleger sind besonders die Punkte „Schäden bei Unternehmen“ sowie „Schäden für Volkswirtschaft, Staat und Gesellschaft“ relevant. Denn diese beeinflussen direkt oder mittelbar die Erfolgsaussichten von Kapitalanlagen.
Bei Transparency International heißt es zu den direkten Auswirkungen von Korruption auf Unternehmen:
„Durch Korruption beeinflusste Entscheidungen werden nicht entsprechend betriebswirtschaftlicher Rationalität, sondern durch persönliche Interessen beeinflusst getroffen. Damit werden oft nicht die nach Preis und Leistung geeignetsten Produkte und Dienstleistungen beschafft. Überhöhte und instabile Preise durch die Einpreisung von Bestechungsgeldern, die Überdimensionierung beschaffter Güter und möglicherweise durch mindere Qualität verursachte Folgeschäden (z. B. Reparaturfälle und Gesundheitsschäden von Mitarbeitern) sorgen für überhöhte Kosten für solche Produkte und Dienstleistungen. Diese höheren Kosten verringern die Investitions- und Wachstumsmöglichkeiten der Unternehmen …“
„Das Unternehmen des Bestechenden entzieht sich durch die Bestechung dem Innovationsdruck des Wettbewerbs und verringert so langfristig seine Wettbewerbsfähigkeit. Gleichzeitig steigen langfristig die Kosten des Unternehmens, da es zukünftigen Bestechungsforderungen kaum ausweichen kann. Geldstrafen, Schadenersatzforderungen, Anwalts- und Gerichtskosten bei Aufdeckung verursachen weitere beträchtliche Kosten. Das Unternehmen riskiert bei Bekanntwerden der Bestechung wirtschaftliche Folgeschäden, indem es z. B. von zukünftigen Vergabeverfahren ausgeschlossen wird und seine Attraktivität als Arbeitgeber verliert.“
„Eine durch korrupte Handlungen geprägte Unternehmenskultur kann zu Illoyalität und mangelnder Motivation der Mitarbeiter führen. Nicht zuletzt erleiden alle an korrupten Handlungen Beteiligten bei ihrer Aufdeckung einen beträchtlichen Vertrauensverlust bei den Kunden, Anteilseignern, Investoren, Geschäftspartnern und in der Öffentlichkeit.“
„Da Korruption den Wettbewerb auf der Grundlage von Preis und Leistung außer Kraft setzt, schädigt die dadurch auftretende Wettbewerbsverzerrung die integeren Wettbewerber, verringert deren Markterfolg und kann zu Arbeitsplatzverlusten führen.“
Zu den möglichen Schäden für Volkswirtschaft, Staat und Gesellschaft heißt es weiterhin:
„Eine betroffene Volkswirtschaft erreicht nicht das mögliche Wohlstandsniveau, wenn ihr Marktmechanismus durch korrupte Akteure gestört wird. Bestechungsforderungen öffentlicher Entscheidungsträger erhöhen die Kosten für potentielle Investoren und senken damit die Investitionen. Niedrigere Steuerzahlungen und weniger Arbeitsplätze sind die Folge. Mangelnde Transparenz bei den Entscheidungen öffentlicher Entscheidungsträger bewirkt eine allgemeine Rechtsunsicherheit. Bei Bürgern und Unternehmen sinkt so ebenfalls die Rechtstreue und die Alltagsmoral.“
„Die von ihrem Eigeninteresse geleiteten und damit an ihren eigentlichen Aufgaben desinteressierten korrupten Amtsträger bieten nur mangelhafte staatliche Dienstleistungen an. Sie sind außerdem angreifbar und befinden sich in einer unsicheren Position, die sie verleitet, im Eigeninteresse vor allem kurzfristig zu agieren und die Interessen ihrer Institution, ihres Staates, seiner Bürger und der Umwelt nicht angemessen zu berücksichtigen. Zur Abwehr möglicher rechtlicher Folgen greifen sie im schlimmsten Fall nicht nur zu Begleitkriminalität wie Geldwäsche und Steuerhinterziehung, sondern bei entsprechender politischer Macht auch zur Einschränkung der Rechtsstaatlichkeit, zu Anwendung staatlicher Gewalt und zu Verletzungen der Menschenrechte. Die damit ausgelöste wirtschaftliche und gesellschaftliche Ungleichheit gefährdet den sozialen Frieden und führt langfristig zum Verfall der Demokratie.“
Wenn Transparency International recht hat, sollten langfristiger wirtschaftlicher Erfolg und eine Eindämmung der Korruption eng miteinander verbunden sein. Umgekehrt müsste hohe Korruption zu langfristigen Misserfolg führen. Die unterschiedliche Intensität der Korruption dürfte sich dementsprechend auch in einer divergierenden Börsenperformance niederschlagen.
Um diese These zu überprüfen, soll deshalb im Folgenden die Korruption in verschiedenen Ländern in Beziehung zur Börsenperformance gesetzt werden. Zu diesem Zweck wird die langfristige Aktienkursentwicklung eines Landes seit einem Stichtag 1) mit einer Messgröße für die damalige Korruption verglichen; sowie 2) überprüft, welchen Einfluss eine Veränderung der Korruption hatte.
Als Maßgröße für die Performance eines Landes wird hierbei die Entwicklung des jeweiligen STOXX® Total Market Net Return Index in € genommen. Als Stichtag wurde der 31.12.2002 ausgewählt. Dies hat zwei Gründe:
• Ab diesem Tag liegen für die wichtigsten Aktienmärkte der Welt Performancedaten vor.
• Nach der Asienkrise 1998, dem Platzen der Internetblase 2000 sowie den Anschlägen am 11.9.2001 hatten die Aktienmärkte die Folgen dieser Ereignisse weitgehend verarbeitet. Insofern kann man die Jahreswende 2002/2003 als Beginn eines neuen Börsenzyklus ansehen.
Korruption ist sehr viel schwieriger und ungenauer zu messen als Aktienkurse. Trotzdem hat sich für internationale Korruptionsvergleiche inzwischen die Methodik des „Corruption Perception Index“ (CPI) von Transparency International etabliert. Hierbei wird Korruption nicht direkt gemessen, was auch unmöglich ist, da sie sich ja im Wesentlichen im Geheimen abspielt. Stattdessen wird aus verschiedenen Indikatoren eine Gesamtgröße für die Korruptionswahrnehmung in einem Land abgeleitet. Dieses Konzept ist durch die indirekte Messweise zwar relativ ungenau, es fehlt aber an Alternativen. Der Vorteil ist allerdings, dass das Konzept mit seiner einheitlichen Methodik Größen liefert, die international und über verschiedene Zeiträume vergleichbar sind.
Als Basis für die Quantifizierung von Korruption werden deshalb in dieser Untersuchung die Werte des „Corruption Perception Index“ (CPI) von 2002 verwendet, die zum Ende des Jahres veröffentlicht wurden und den Kenntnisstand zur Jahreswende 2002/2003 widerspiegeln.
Unglücklicherweise hat Transparency International 2012 die Methodik bei der Berechnung des CPI geändert. Insofern sind die Zahlen aus den Vorjahren nicht mehr direkt mit historischen Werten vergleichbar. Um die Dynamik der Korruption in einer Gesellschaft zu vergleichen, konnte deshalb nur ein Vergleich der Zahlen von 2011 mit 2002 vorgenommen werden. Allerdings dürften diese Werte auch heute noch aussagekräftig sein, da Tendenzen in der Veränderung von Korruption langfristig sehr stabil sind.
Gesamtbetrachtung über alle Märkte: kein eindeutiges Bild
Vergleicht man die Performance der wichtigsten Aktienmärkte der Welt seit 2002 mit dem „Corruption Perception Index“ (CPI) in diesem Jahr, so ergibt sich auf den ersten Blick kein eindeutiger Zusammenhang. Auffällig ist aber, dass die Märkte mit dem schlechtesten CPI (Indonesien und die Philippinen) auch in der Performance am besten abgeschnitten haben. Allerdings ist dieser Effekt nicht signifikant genug, um hieraus allgemeine Aussagen abzuleiten.
Betrachtet man nur die Veränderungen des CPI, so scheint relativ eindeutig erkennbar, dass kein eindeutiger Zusammenhang zwischen der Veränderung in der Korruption und der Performance besteht. Zwar sticht hier ebenfalls wieder Indonesien heraus, weil das Land sowohl in der Wertentwicklung der Aktien (+953%) und bei der Veränderung des CPI (+58%) herausragte. Allerdings ist auch dies wiederum nicht signifikant genug, um eine allgemeine Aussage abzuleiten.
Stimmt also die These eines Zusammenhangs zwischen Korruption und Aktienperformance nicht? Um dem näher auf den Grund zu gehen, werden im Folgenden die Länder in drei Gruppen aufgeteilt, sie sich in der Wirtschaftsentwicklung sowie den strukturellen Voraussetzungen in den vergangenen Jahren grundlegend unterschieden haben: die entwickelten Länder Westeuropas und Nordamerikas; die entwickelten Nationen in asiatischen Pazifikraum; sowie die Schwellenländer.
Für eine gesonderte Betrachtung der Schwellenländer als eigene Gruppe spricht zudem, dass diese im vergangenen Jahrzehnt besonders durch die Zuflüsse von neuen Emerging Markets Fonds profitiert haben. Schon alleine aus diesem Grund könnte ein absoluter Vergleich in der Börsenperformance zu entwickelten Ländern verzerrt sein.
Entwickelte Nationen Westeuropas und Nordamerikas: geringe Bestechlichkeit zahlt sich aus
Bei den Aktienmärkten der entwickelten Länder Westeuropas und Nordamerikas ist ein eindeutiger Zusammenhang zwischen Korruption und Performance erkennbar. Die beim CPI herausragenden Länder wie Kanada, Schweiz, Dänemark, Norwegen oder Schweden konnten auch eine weit überdurchschnittliche Aktienperformance zeigen. Einzige Ausnahme war Finnland, wo die Börsenentwicklung allerdings durch die hohe Gewichtung von Nokia verzerrt war. Der Niedergang des einstmals hochkapitalisierten Technologiekonzerns stellt einen Sondereffekt dar.
Bereinigt man die Darstellung (Abb. 5) um den Sondereffekt Finnland bzw. Nokia, ist der Zusammenhang zwischen Korruption und Börsenperformance eindeutig erkennbar.
Auf der Negativseite stechen vor allem die späteren Eurokrisenstaaten mit stark unterdurchschnittlichen Werten heraus. Hierbei fallen insbesondere Griechenland (CPI 4,2; Börse – 61%) sowie Italien (CPI 5,2; Börse + 51%) ungünstig auf. In Hinblick auf die Korruption sind beide Nationen eher mit Schwellenländern als mit entwickelten Nationen zu vergleichen. Es dürfte daher auch kein Zufall sein, dass beiden Ländern im Moment die Bekämpfung der Korruption und die Umsetzung von Reformen sehr viel schwerer fällt als Spanien oder Portugal.
Sieht man sich die Veränderungsraten im CPI seit 2002 an, so ist auf der Basis absoluter Veränderungen keine eindeutige Aussage möglich. Auf der Basis relativer Veränderungen scheint ebenfalls kein Zusammenhang gegeben, soweit sich der neue CPI in einer Bandbreite von 12% um den alten Wert befindet. Italien (-25%) und Griechenland (-19%) stechen bei der Veränderung des CPI wieder sehr negativ hervor. Dies korrespondiert zwar mit ihrer schlechten Börsenperformance, sagt aber für sich wenig aus, da ihre Ausgangsposition schon sehr schlecht war. Insofern kann man dieses Ergebnis höchstens als Indikation dafür nehmen, dass möglicherweise starke Veränderungen im CPI Auswirkungen auf die Aktienkursentwicklung haben.
Im Gesamtergebnis kann man festhalten, dass sich für entwickelte Volkswirtschaften in Westeuropa und Nordamerika die These bestätigt, dass Korruption die Wirtschaft negativ beeinflusst und damit auch zu einer unterdurchschnittlichen Aktien-Performance führt. Hierbei scheint es vor allem darauf anzukommen, wie gut das Land bereits in der Korruptionsbekämpfung ist. Weniger wichtig hingegen scheint die laufende Veränderung beim CPI zu sein; es sei denn, diese ist stark negativ.
Der Beitrag wird in 2 Tagen mit einer Analyse zu Schwellenländern und einer Abschlussbetrachtung fortgesetzt. Die konkreten Angaben zu Zahlenwerten für einzelne Länder finden sich ebenfalls in einer Übersichtstabelle am Ende des zweiten Teils.
Comments on this entry are closed.