Gastbeitrag von Dr. Bernhard Wondrak*
Innerhalb von nur drei Wochen erschienen von den Bankaufsichtsbehörden gleich zwei Veröffentlichungen zum Thema Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch. Die European Banking Authority (EBA) hat am 22. Mai 2015 die finale Richtlinie für das Management von Zinsänderungsrisiken aus dem Anlagebuch / Nichthandelsgeschäft „Guidelines on the management of interest rate risk arising from non-trading activities“ veröffentlicht. Die Richtlinie ersetzt die “Technical aspects of the management of interest rate risk arising from nontrading activities under the supervisory review process“ von 2006 und wird ab 1. Januar 2016 gültig.
Das Basel Committee on Banking Supervision (BCBS) hat am 8. Juni 2015 ein Konsultationspapier „Interest rate risk in the banking book IRRBB – Consultative Document“ zu Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch veröffentlicht. Der Entwurf steht noch bis 11. September 2015 zur Konsultation aus. Er ist eine Weiterentwicklung und vor allem eine Standardisierung der Anforderungen aus den „Principles for the management and supervision of interest rate risk” von 2004.
Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch sind derzeit Bestandteil des Basel Säule 2 Überwachungsprozesses im Baseler Rahmenwerk. Das Konsultationspapier des Baseler Committees hebt explizit hervor, dass Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch in Kürze zusätzlich in Säule 1 erfasst und damit auch mit Eigenkapital unterlegt werden sollen. Die Aufsicht möchte sich dadurch – ebenso wie bei anderen Risikoarten – von der Dominanz der individuellen Modelle für die Risikoermittlung lösen und eine bessere Vergleichbarkeit der Kreditinstitute hinsichtlich der eingegangenen Zinsrisiken im Anlagebuch erreichen.
Der Standardansatz für Säule 1 soll auch für die Banken, die Zinsrisiken nach internen Modellen im Rahmen der Säule 2 ermitteln, als „fall-back“-Methodik angesetzt werden. Banken, die bisher die Zinsrisiken im Anlagebuch nur auf Basis interner Modelle ermitteln, müssen daher künftig zusätzlich zum internen Modell Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch nach dem neuen Standardansatz rechnen.
Eine weitere Neuerung gegenüber den bisherigen Anforderungen ist die zwingende parallele Ermittlung einer ökonomischen Risikokennzahl (Veränderung des economic value = ∆EV) und einer periodischen Risikokennzahl (Veränderung des net interest income = ∆NII). Beide Risikokennzahlen werden am Ende mit einer Gewichtung zur Minimumanforderung für das Kapital aggregiert. Weitere Ziele in den neuen Aufsichtspapieren sind eine deutlichere Abgrenzung zwischen Handels- und Anlagebuch zur Vermeidung von Kapitalarbitrage sowie die Schaffung eines „level playing field“ über verschiedene Rechnungslegungsstandards hinweg. In der Guideline der EBA und dem Konsultationspapier des Baseler Committees sind die Erfahrungen und Lehren der Finanzkrise enthalten (z.B. gewachsene Bedeutung der Basisrisiken).
Die EBA Guideline klammert Credit Spread Risiken explizit aus, während das Konsultationspapier diese ausdrücklich mit einbezieht. Generell sind die Formulierungen der EBA Guideline verglichen mit dem Konsultationspapier eher verbale Vorgaben und nur in wenigen Fällen zahlenmäßig unterlegt. Dagegen enthält das Konsultationspapier sehr konkrete und detaillierte methodische Vorschläge, was in vielen Banken eine Anpassung und Erweiterung der Methoden zur Ermittlung der Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch nach sich ziehen wird.
Ein Beispiel für eine Standardisierung, die in den bisherigen Aufsichtspapieren so nicht enthalten war, ist die Behandlung von Einlagen mit unbestimmter Laufzeit (Non-Maturity Deposits). Zur Modellierung wird eine Dreiteilung der Einlagen in Privatkunden-Transaktionskonten, Privatkunden-Nicht-Transaktionskonten und Firmenkunden („Wholesale“) vorgenommen. Der stabile Teil des Volumens der modellierbaren „Core-Deposits“ soll aus der Veränderungsrate aus einer Zeitreihe über 10 Jahre zurück mit einer hoher Wahrscheinlichkeit ermittelt werden. Die Zins- bzw. Margenstabilität ist anschließend über die „Pass-through-rate“, die Höhe der Weitergabe von Marktzinsänderungen im jeweiligen Einlagenprodukt, zu schätzen und zu belegen. Nur Einlagenprodukte mit einer Pass-through-rate von Null sind als Core-Deposits für die Modellierung geeignet, wobei bei der Ermittlung des Volumensanteils der Core-Deposits produktabhängige Ober- und Untergrenzen für die Pass-through-rate zu beachten sind. Alle nicht stabilen Einlagen und Einlagen mit einer Pass-through-rate größer Null, sind dem Overnight Laufzeit-Bucket zuzuordnen.
Die Core-Deposits können bis maximal 6 Jahre auf die Laufzeit-Buckets verteilt werden. Eine Gleichverteilung ist nicht notwendig, jedoch darf bei einer diskretionären Verteilung eine durchschnittliche Laufzeit von drei Jahren nicht überschritten werden. Damit ist das Konsultationspapier für die Core-Deposit Modelle deutlich restriktiver als die EBA Guideline, die eine durchschnittliche Laufzeit der Modelle von fünf Jahren zulässt unter Einbeziehung des variablen Anteils in den kurzen Laufzeiten (z.B. Overnight). Hier sind also maximale Laufzeiten für die Cashflows aus den Core-Deposits bis 10 Jahre durchaus noch möglich. Die „Einfachlösung“ für kleine und mittlere Banken orientiert sich zum Zwecke der Identifikation von Core-Deposits an der Produktkategorie und der Saldenhöhe der jeweiligen Einlagenposition.
Die Guideline und das Konsultationspapier beziehen sich auf die Zinsrisikoermittlung in international tätigen Banken. Es steht aber im Ermessen der lokalen Aufsichtsbehörden, die Anforderungen auch auf andere Kreditinstitute zu übertragen.
Fazit: Wichtigste Neuerungen der beiden Aufsichtspapiere sind die künftige Erfassung der Zinsrisiken aus dem Anlagebuch in der Säule 1 und die daraus erwachsende Kapitalunterlegung sowie die zwingende parallele Ermittlung von ökonomischen und periodischen Risikokennzahlen. Die vielen methodischen Vorgaben und Vorschläge für Parameterbereiche werden bei den Banken vermutlich Anpassungs- oder gar Erweiterungsbedarf ihrer Ermittlung der Zinsrisiken aus dem Anlagebuch hervorrufen.
Mehr zu dem Thema:
Seminar: Zinsrisikomanagement im Anlagebuch
Referenten: Dr. Bernhard Wondrak, TriSolutions GmbH, Thomas Springmann, Deutsche Bundesbank, Markus Putz, Stadtsparkasse München, Dennis Bach, TriSolutions GmbH
18./19.11.2015 und 26./27.01.2016 in Frankfurt am Main
Weitere Infos unter: www.trisolutions.de/seminare
* Der Autor:
Dr. Bernhard Wondrak ist Berater bei der TriSolutions GmbH, einer auf Risikomanagement und Gesamtbanksteuerung spezialisierten Unternehmensberatung. Zu den weiteren Beratungsschwerpunkten gehören die verschiedenen Aspekte der Unternehmenssteuerung sowie die Umsetzung von aufsichtsrechtlichen Anforderungen und Bilanzierungsvorschriften.
Die TriSolutions ist eine Schwesterfirma des Arbeitgebers von Dirk Elsner, der das Blick Log betreibt.
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