Schuldenkrise und Griechenland: Wo war eigentlich die Aufregung bei der erneuten “Rettung in letzter Minute”?

by Dirk Elsner on 26. Mai 2016

Ich lese gerade im Handelsblatt, dass Griechenland wieder in letzter Minute vor dem Staatsbankrott bewahrt wurde.  In dieser Woche soll es erneut einmal mehr knapp zugegangen sein bei den Verhandlungen der Gläubigerinstitutionen für das nächste planmäßige Hilfspaket. Sogar der Internationale Währungsfonds soll mitziehen.

Ich habe mich diesmal inhaltlich überhaupt nicht mit den Details dieser Verhandlungsrunde befasst. Die noch vor einem Jahr übliche Dramaturgie vor solchen Verhandlungsrunden ist diesmal ausgefallen (oder jemand einen Liveticker zu der aktuellen Verhandlungsrunde gefunden?). Im Nachhinein klingt aber alles wie immer, wenn man die Zusammenfassung der Nacht liest:

Griechenland erhält im Gegenzug für sein jüngstes Spar- und Reformpaket 10,3 Milliarden Euro aus dem Rettungsschirm der Euro-Partner. Zuvor müssen noch einige Bedingungen von Athen erfüllt werden und nationale Parlamente – auch in Deutschland – zustimmen, sagte Euro-Gruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem am frühen Mittwochmorgen nach rund elfstündigen Marathonverhandlungen in Brüssel.”

Die Griechenland-Beschlüsse im Überblick gibt es hier von der FAZ.

Mir fällt auf, wie ruhig und besonnen – übrigens auch in der medialen Resonanz – diesmal der “Vorgang” über die Bühne gebracht wurde. Mittlerweile scheinen wir Routine bekommen zu haben in der Restrukturierung von Staatsschulden. 

Das war ganz anders vor sechs Jahre als Europa vor jeder Schuldenkonferenz quasi vor dem Untergang stand. In meinem Blog habe ich genügend Beispiele dazu gesammelt, wie etwa die Schlagzeilen von 2010 hier in diesem Beitrag Schuldenkrise in Griechenland und Europa macht Wirtschaftspresse zum Boulevard. Die Finanzwelt, die Medien und die sozialen Netzwerke waren stets in heller Aufregung.

OK, damals steckten die Banken noch tiefer mit drin. Mittlerweile haben ja auch Ökonomen festgestellt, was damals schon klar war, dass die Hilfsprogramme vor allem zum Tausch von privaten in staatliche Forderungen dienten.

Die Börsen reagierten damals stets heftig auf jede Wasserstandsmeldung zu den Griechenlandpaketen. Diesmal kann man zwar den Börsenmeldungen auch eine gewisse Freude über die Einigung entnehmen, aber die gemachte Panik vergangener Jahre sah anders aus.

Mir gefällt es, dass die große Aufregung gewichen ist. Leider bedeutet das nicht, dass alles gut ist. Griechenlands Schulden wachsen nämlich weiter. Eric Bonse sieht in der Einigung ein Schummel-Programm, das nur eine erneute Aufschiebung bedeutet. Und auch in vielen anderen Ländern wachsen die Staatsschulden weiter bei historisch niedrigen Zinsen. Nach meinem Eindruck werden die Bonitätsrisiken für Staatsschulden schon lange nicht mehr eingepreist von den Finanzmärkten. Aber irgendjemand trägt diese Risiken.

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