Schuldenkrise in Griechenland und Europa macht Wirtschaftspresse zum Boulevard

by Dirk Elsner on 7. Mai 2010

In diesen Wochen hat man das Gefühl, Wirtschaftsschlagzeilen befassen sich nur noch mit Griechenland und Goldman Sachs. Ich will das Thema inhaltlich heute nicht erneut stressen, sondern einfach einmal auf die Boulevardisierung der Schlagzeilen der Wirtschaftspresse hinweisen. Ähnlich wie im Herbst 2008/Winter 2009 (siehe dazu z.B. Der Tag, an dem Wirtschaft stillsteht) gefällt sich die Presse im Wettrennen um die schrillsten Aufmacher. Hier meine Top 10 (die Bild ist übrigens nicht dabei):

 

IWF/Bundesbank/Brüssel warnen: Griechenland-Virus könnte gesamte EU befallen

Querdenker prophezeien: Schuldenorgie wird Finanzmärkte ins Chaos stürzen

Spekulanten: Chef-Finanzaufseher spricht von „Angriffskrieg gegen Euro-Zone“

Franck Biancheri im Interview: „Bald beginnt die Schlacht um England“

Skeptische Finanzmärkte: Euro schliddert in Existenzkrise:

Düstere EU-Prognose: Schuldenkrise in Europa verschärft sich dramatisch

Börse Frankfurt: Dax stürzt unter 6 000 Punkte

Die Bundesbank schlägt Alarm

Finanzen: Tote in Athen verschärfen Krise in Griechenland

Schuldenkrise: Griechisches Parlament besiegelt Brachialsanierung

Nichts geht mehr in Griechenland

An wirklicher Einordnung für den Bürger besteht offenbar keine Interesse mehr. Im Gegenteil, jeder zitiert seinen Marc Faber oder Nouriel Roubini, weil sich das besser verkauft, als die sachliche Einordnung. Übrigens habe ich bisher keine Reflektion dazu gefunden, dass die meisten Doomsdayszenarien, die vor 18 Monaten angesagt waren, nur heiße Luft waren.

Gern nehme ich noch weitere Nominierungen für reißerische Aufmacher entgegen.

Joss Mai 7, 2010 um 13:14 Uhr

Die Medien sehnen sich wohl insgesamt nach amerikanischen Verhaeltnissen.
Es kann, ironisch gesehen, schon mal so sein, dass sie insgeheim des vielen
Medienrummels ueberdrussig sind und deswegen gespalten sein. So halb sich danach
sehnen von diesem Betrieb erloest zu werden.
Und halb obendrein, weil es ihnen viel zu gut geht, von einem persoenlichen
Auf und Ab traeumen, mal selber wieder reale Lebenserfahrungen machen moechten.

Zum anderen ist so eine Manie, so eine Panik, auch Gelegenheit sich mal
bei den eher besseren Schriftstellern umzusehen.
Zum Beispiel:
Friedrich Sieburg: Die Lust am Untergang

„Wir Deutsche malen am liebsten schwarz. Wenn uns im Augenblick keine Katastrophe heimsucht, dann sehen wir eine kommen. Wir können, so scheint es, ohne die apokalyptischen Ängste nicht existieren. …“ (aus dem Verlagstext, Eichborn)

Da wird ganz offensichtlich eben diese Lust am Untergang mal kraeftig bedient.
wobei es dann vielleicht dann schon auch sein kann, dass der Einzelne
– eine Staatspleite beihaltet ja doch allerhand auch fuer’s eigene Wohl –
dann mit dieser Lust am Untergang irgendwann halt macht. Es zu genaueren
Ueberlegungen kommt, was will man nun, Untergang oder vielleicht doch … ?,
und der Bedarf an Untergang dann doch wieder nicht so gross ist. Sich
dann irgendwann einbremst im Laufe der Zeit.

Martin Juni 14, 2010 um 10:32 Uhr

Das erschreckende ist, dass man von Seiten der Wirtschaftspresse ja eigentlich weiß, dass die sensiblen Finanzmärkte momentan auf jede Schlagzeile reagieren. Aber leider haben die Sensationsgeilheit, und der Absatzprofit Priorität.

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