Tedlock: Bekannte Experten – schlechte Prognosen

by Dirk Elsner on 25. September 2016

Ich habe gerade angefangen, das  Buch “Superforecasting – Die Kunst der richtigen Prognose” zu lesen. Philip E. Tetlock und Dan Gardner  setzen sich in diesem Buch kritisch, konstruktiv mit Prognosen zu allen Sachverhalten in der Wirtschaftspraxis auseinander. Das Buch liest sich, wenn auch einige Anekdoten etwas langatmig erzählt werden.

Mit der Qualität von ökonomischen Prognosen habe ich mich hier insbesondere in der Zeit nach der Finanzkrise befasst, wie z.B. in dem Beitrag “Trotz fehlerhafter Prognosen mangelt es an Bescheidenheit bei ökonomischen Vorhersagen”. Tetlock befasst sich in einem Abschnitt u.a. mit den Prognosen bekannter Experten. Er stellt dabei fest:

“Je bekannter ein Experte ist, umso schlechter sind seine Prognosen. Das liegt nicht daran, dass die Verantwortlichen der Fernsehsender nach schlechten Prognostikern suchen. Aber beseelt von ihrem einen großen Gedanken, erzählen Igel eben die einfachen und klaren Geschichten, wie sie die Medien lieben. Vor allem aber strotzen Igel vor Selbstbewusstsein.

Ausgehend von ihrem einen großen Gedanken können sie endlos Gründe anführen, warum sie recht haben – »außerdem« und »darüber hinaus« –, ohne sich mit anderen Sichtweisen und den damit einhergehenden lästigen Zweifeln und Einwänden herumschlagen zu müssen. Deswegen sind Igel eher bereit vorherzusagen, dass etwas ganz sicher eintritt oder gar nicht. Für viele Leser und Fernsehzuschauer ist das beruhigend. Sie empfinden Ungewissheit als beängstigend, und ein »Vielleicht« unterstreicht diese Ungewissheit dick und rot. Das selbstbewusste Auftreten der Igel verstellt zwar den Blick auf die Realität, aber es beruhigt die Nerven, und das nutzt der Karriere der Igel.”

Die Unterscheidung Fuchs und Igel hatte Karl-Heinz Thielmann in diesem Blog 2014 einmal erklärt:

“Auf der Basis der Forschung des Politologen Philip Tetlock hat er zwei grundsätzliche Typen von Prognostikern unterschieden, „Fuchs“ und „Igel“, deren Charakterisierung auf ein Zitat des griechischen Dichters Archilochos zurückgeht: „Der Fuchs weiß viele Dinge, aber der Igel weiß eine große Sache“.

„Füchse“ denken fachlich übergreifender, verlassen sich mehr auf empirische Beobachtungen, drücken ihre Prognosen meist relativ vorsichtig aus und sind bereit, diese auch schneller zu revidieren. „Igel“ hingegen haben ein Weltbild und betrachten alltägliche Probleme aus der Sichtweise heraus, die in ihre Ideologie passt. Sie formulieren ihre Prognosen selbstbewusster, sind seltener bereit, sie zu revidieren und führen Fehlprognosen i. d. R. auf Pech oder widrige Umstände zurück, aber nur selten auf eigene Fehler. Die Vorhersagen von „Igeln“ sind normalerweise viel schlechter als diejenigen von „Füchsen“, werden jedoch überzeugender dargestellt.”

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