FinTech-Startups setzen die klassische Remittance-Industrie unter Druck

by Gastbeitrag on 15. Februar 2017

Gastbeitrag von Dora Ziambra*

Die Wege nach Deutschland sind unterschiedlich, die Gründe für Migration vielschichtig. Doch viele der Einwanderer haben eines gemeinsam: Sie lassen Familie und Freunde zurück in der fernen Heimat die sie finanziell unterstützen. In Deutschland hat gut jede fünfte Person einen Migrationshintergrund – das Statistische Bundesamt gibt an, dass 17,1 Millionen der insgesamt 81,4 Millionen Einwohner in Deutschland einen Migrationshintergrund haben.

Geldtransfers sind wichtiger Treiber für Wohlstand vieler Volkswirtschaften

Laut Schätzungen der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GiZ) ist im Jahr 2016 durch Migranten dreimal so viel Geld in die Heimatländer geflossen, als durch öffentliche Entwicklungshilfe. Letzte Schätzungen der Weltbank aus 2015 sprechen von weltweit rund 440 Mrd. US$ Rücküberweisungen.

Berechnungen des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit zufolge machen Geldtransfers häufig einen bedeutenden Teil des gesamten Einkommens dieser Haushalte aus: Auf den Philippinen beispielsweise stammen 25-50 % des durchschnittlichen Haushaltseinkommens aus dem Ausland. Die Asiatische Entwicklungsbank schätzt, dass 4,3 Mio. Menschen auf den Philippinen nur aufgrund von Geldtransfers über der Armutsgrenze bleiben.

Damit haben Geldtransfers in vielen Ländern eine Spitzenposition unter den Geldquellen der Volkswirtschaften und zahlreicher armer Familien erreicht. Die Bedeutung für die Empfänger liegt damit auf der Hand, doch auch auf makroökonomischer Ebene wurden statistisch signifikante Zusammenhänge zwischen dem Anstieg von Geldtransfers und der Verringerung von Armut festgestellt.

Eng verknüpft mit den Diskussionen rund um Geldtransfer sind auch die oft immensen Gebühren der Banken für eben diese. Sind Überweisungen innerhalb des europäischen Wirtschaftsraum längst streng reguliert und dadurch Inlandsüberweisungen gleichgestellt, so sind Rücküberweisungen in keiner anderen Region der Welt so teuer wie in afrikanischen Ländern: Durchschnittlich 11,55% verlangen Banken und Finanzdienstleister für länderübergreifende Überweisungen. Durch die stetig wachsenden Rücküberweisungen profitieren vor allem die Banken durch die gleichzeitig immer weiter steigenden Gebühren.

FinTech-Startups bieten eine digitale Lösung

Der in Großbritannien ansässige Dienstleister für Geldtransfer Azimo hat die Probleme erkannt. Sein Geschäftsmodell: Rücküberweisungen zu fairen Konditionen. Dazu setzt der von der britischen Finanzaufsicht autorisierte Dienstleister auf einen reinen Onlineservice ohne teure Repräsentanten und Infrastruktur in den einzelnen Ländern. Das Prinzip ist einfach erklärt: Nach der Registrierung geben Nutzer die Details der Transfers in ein Online-Formular ein. Jede beliebige Summe kann auf Konten, an kooperierende Geldempfangsstellen, Mobile Wallets und sogar an Privatadressen versendet werden.

Dabei steht die klassische Remittance-Industrie von zwei Seiten unter Druck. Zum einen verlangen Politiker, dass die Kosten von 5 bis 10% pro Transaktion bis 2030 auf unter 3% zu bringen – freilich ohne dass es hier bereits zu verpflichtenden Maßnahmen gekommen wäre. Zum anderen werden die Marktführer von digital agierenden Start-ups herausgefordert, die in der Lage sind, sehr schnell ein umfassendes Netzwerk für Ein- und Auszahlungen auf die Beine zu stellen – und dabei Zahlungen deutlich günstiger abzuwickeln. So kann die 2012 in London gegründete Azimo heute bereits ein Netzwerk von 200000 Payout-Standorten in 195 Empfängerländern vorweisen, das Zahlungen in 80 Währungen abwickelt. Dabei werden je nach Zielland Kosten bis zu 2% in Rechnung gestellt, wobei die Partnerbank im Durchschnitt 1% vereinnahmen darf.

„Wir reparieren etwas, das nicht funktioniert,“ sagt Dora Ziamnra, Head of Business Development bei Azimo. Er ist davon überzeugt, dass der Markt reif ist für eine disruptive Veränderung, lasse sich „die Wertschöpfungskette mit der Verbreitung von mobile und social“ doch sehr viel einfacher und günstiger gestalten, was auch zum Ziel der finanziellen Inklusion beitrage. Dementsprechend setzen Start-ups wie Azimo oder WorldRemit auf kleinere Summen, die dafür mit höherer Frequenz angewiesen werden.

An Western Union und Moneygram stört Dora das hohe Kosten verursachende „High Street“-Einzahlungsnetzwerk, das im Verbund mit zwischengeschalteten Stellen für hohe Betriebskosten sorgt. „Die müssen immer auch den hungrigen Mittelsmann bezahlen,“ prangert sie die hohe Margenteilung in der Wertschöpfungskette der traditionellen Adressen an. Konsequenterweise bindet Azimo bei ihren bislang sechs Auszahlungs- und fünf Einzahlungsmöglichkeiten auch kein Paypal ein, sei der US-Konzern doch einfach zu teuer. Die Paypal-Tochter Xoom hingegen ist ein Gegenstück zu Azimo: Während Xoom auf dem US-Markt aktiv ist, ist Azimo auf Europa fokussiert.

Dabei ist Deutschland für Azimo einer der größten Sendemärkte mit Großbritannien, Spanien und Frankreich. Umsatz- und Transaktionszahlen kann Dora mit Verweis auf Vorgaben der Eigentümer nicht preisgeben, verrät aber, dass Azimo in Europa bereits über eine Millionen Kunden hat und knapp ein Drittel der Erlöse aus Deutschland stammen, die 2016 verdreifacht wurden. Erster Investor bei Azimo war 2012 die zu Otto-Gruppe gehörende E-ventures. Eine Serie-A-Finanzierung fand dann im März 2014 statt. Angeführt von Greycroft Partners aus New York wurden 10 Mio. Dollar aufgenommen. Mitte 2015 folgte dann eine Serie-B-Runde mit der britischen Frog Capital im Lead. „Das Funding sollte eine ganze Weile reichen,“ sagt Dora.

Die Geldgeber setzen darauf, dass Azimo angesichts der Smartphone-Verbreitung gekoppelt mit dem inhärenten Marktwachstum bestens positioniert ist, die bislang zu 90% offline getätigten Überweisungen an sich zu ziehen, um dann auf relativ geringer Kostenbasis von Skaleneffekten zu profitieren. Dora weist darauf hin, dass bereits 80% der Zahlungen nach Kenia in die „mobile wallets“ von M-Pesa gehen – ein Mobilfunk-Dienst, der in einem Land ohne festes Bankensystem rasant schnell eine hohe Abdeckung erreicht hat. Da von 7 Milliarden Menschen auf dem Globus bis zu 2 Milliarden Menschen über kein eigenes Bankkonto verfügen, wird klar, welches Potenzial dem Geschäft inhärent ist, wenn die Menschen erstmalig Smartphones in den Händen halten und diese Geräte für den Zahlungsverkehr zugelassen sind.


*Dora Ziambra, Head of Business Development, Azimo

Dora ist bereits seit 2014 Teil des Azimo-Teams und sie bringt ausgepägte Erfahrungen aus dem Finanzsektor mit. Sie ist fasziniert von der Vielfalt innerhalb der FinTech-Branche und sie ist neben ihrer Arbeit Business-Coach für die Cartier Women’s Initiative Awards tätig. Nachdem sie in früheren Rollen stets eine von nur sehr wenigen weiblichen Mitarbeitern war, sett sie sich heute stark für Gleichberchtigung in der Arbeitswelt ein.

Als Head of Business Development ist Dora maßgeblich daran beteiligt, das Partner-Netzwerk von Azimo in über 190 Ländern aufzubauen und das Geschäft in neuen Märkten zu etablieren und zu entwickeln. Es ist eine stetig wachsende Aufgabe, da das Unternehmen und das Netzwerk rasant wächst – zu ihren täglichen Aufgaben gehören neben der Beziehungsarbeit zu den Partnerbanken und dem Aufbau von strategischen Partnerschaften auch das Fundraising und die Planung und Durchführung der internationalen Expansion.

Vor Azimo begann Dora als Derivatehändlerin in Chicago, baute ihr eigenes Optionshandelsgeschäft in Deutschland auf, arbeitete im internationalen Bankgeschäft in London und Frankfurt und war als der Gründungsberaterin in Afrika tätig. Sie kann bereits heute auf eine internationale Karriere zurückblicken – unter anderm war sie für die EZB, Deutsche Börse und PayPal tätig.

Dora war als eine der Innovate Finance Frauen im FinTech-Bereich 2015 nominiert und gewann den Best Pitch bei einem UKTI FinTech Veranstaltung in Singapur. Sie hält eine BA vom Bryn Mawr College und einen MBA von INSEAD.

Twitter: @Doraziexplora

LinkedIn: https://www.linkedin.com/in/doraziambra

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