Vor einigen Wochen habe ich mich in diesem Blog bereits mit der Kampfansage von Donals Trump an die globale Kooperation befasst sowie der Antwort der Spieltheorie darauf.
Wie viele andere suche ich daneben nach Erklärungen, warum die US-Amerikaner ausgerechnet Donald Trump in das Präsidentenamt gehievt haben. Mit diesen Fragen befassen sich gleich mehrere Essays der Januar Ausgabe der Zeitschrift Blätter für deutsche und internationale Politik. Einen für mich neuen Aspekt steuerte Joan C. Williams bei. Sie ist Professorin für Jura an der University of California in San Francisco und grübelt darüber, warum so viele Arbeiter von den Demokraten zu Trump umschwenkten. Nach ihrer These gibt es eine hohe Abneigung der WWC gegen die Mittelklasse.
Nach ihrer Feststellung gibt es eine kaum bekannte Kluft, die darin besteht, “dass die weiße Arbeiterklasse (white Working Class = WWC) auf (höhere) Angestellte (professionals) schlecht zu sprechen ist, die Reichen dagegen bewundert. Sie untermauert das mit einer Reihe von Vorurteilen, die zwar nicht rational begründet werden könnten, jedoch bestehen, wie etwa, dass Manager College-Kids seien, „die von nichts eine Ahnung, aber jede Menge Einfälle dazu haben, wie ich meine Arbeit machen soll“. Anwälte seien Rechtsverdreher und Professoren ausnahmslos Schwindler. Große Ressentiments bestünden auch gegen Lehrer und gegen viele andere Gruppen, die die Mittelklasse repräsentieren. Diese Abneigung besteht aber interessanterweise nicht aber gegen Reiche. Sie zitiert dazu die Aussage eines Hilfsarbeiters. „Da draußen gibt’s eine Menge Leute, die vermögend sind, und ich bin sicher, die haben für jeden Cent verdammt hart gearbeitet.“
Die Wahlanalysen selbst haben gezeigt, dass die WWC überdurchschnittlich stark Trump gewählt haben. Sie sucht aber noch nach Erklärungen für die Abneigung gegen die Mittelschicht. Eine Vermutung, höhere Angestellte kommandieren tagtäglich die WWC herum. Arbeiter würden nicht davon träumen, wie die gehobene Mittelschicht zu leben, ihr Traum sei es aber, “im gewohnten Milieu der eigenen Klasse, in dem man sich wohlfühlt, zu leben – nur eben mit mehr Geld. … Sein eigener Chef zu sein – davon handelt der Traum. Nicht zuletzt deshalb kommt ein Trump bei diesen Leuten gut an.”
Für die WWC verkörpert dagegen Hillary Clinton die „Leistungsträger“-Elite, die dazu auch noch die Trump-Anhänger als kläglich und erbärmlich verunglimpft hätte. Interessant ist auch, dass Williams feststellt, dass die WWC-Frauen Trump ebenfalls einen Riesenvorsprung vor Clinton verschafft haben, nämlich 28 Prozent. Das Stimmenverhältnis sei 62 zu 34 gewesen. Clinton hätte die Wahl gewonnen, hätten die WWC-Frauen ihre Stimmen gleich verteilt.
Joan C. Williams erläutert ihre Argumentation ausführlich in dem Essay. Ihre These wird nicht allen schmecken, weil sie scheinbar Stereotypen bestätigt. Für mich steht sie im Einklang zum Verhaltensmodell der Evolutionstheorie in der Multilevel-Selektion-Variante. Verkürzt gesagt, kooperieren danach Menschen innerhalb ihrer Bezugsgruppen und grenzen sich gegen andere Gruppe ab oder bekämpfen sie sogar (siehe dazu hier oder sehr ausführlich ab hier).
Die Wahl Trumps ist wie der Aufschwung derRechtspopulisten in Europa ja nicht aus dem luftleeren Raum geschehen. Auch im Lichte der Ausführungen von Williams lässt sich Zuwendung der WWC zu Trump auch als Reaktion auf vorher erfolgte Defekte gegen die WWC interpretieren. Sie schreibt, dass die Wähler in den entscheidenden Swing States Ohio, Michigan und Pennsylvania von den Demokraten zu lange ignoriert wurden. Der “Aufstand der WWC” kann im Sinne meines Beitrags zur Antwort der Spieltheorie auf Trump
auch als Nicht-Kooperation auf eine vorausgegangene Nicht-Kooperation der herrschenden Eliten interpretiert werden. Aus der Evolutionstheorie wissen wir, dass manchmal Menschen bereit sind, anderen Gruppen zu schaden (zu bestrafen) und zwar ohne Rücksichtnahme auf das eigene Wohlergehen. Williams warnt am Ende ihres Textes:
“Wirtschaftlich begründete Verbitterung hat rassisch begründete Ängste genährt, die bei manchen Trump-Anhängern (und bei Trump selbst) in offenen Rassismus ausarten. Aber WWC-Wut als bloßen Rassismus abzutun, ist intellektuelle Selbstbefriedigung, und es ist gefährlich.”
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