Robotic Process Automation: Roboter im Backoffice von Banken – wie geht das?

by Gastbeitrag on 6. April 2017

Gastbeitrag von Dirk Dose, PPI AG

Software-Roboter im Backoffice von Banken ermöglichen enorme Effizienzgewinne [siehe Teil 1] bei überschaubaren Investitionen – und kommen damit für die Branche in schwierigem Fahrwasser gerade recht. Die virtuellen Assistenten können zum Beispiel die Backoffice-Arbeit bei der Kontoeröffnung übernehmen oder Fehlerlisten abarbeiten. Aber wie funktioniert diese Technologie und was ist bei der Implementierung zu beachten?

Robotic Process Automation (RPA) ist der Fachausdruck für die neue Technologie, die derzeit in die Finanzbranche Einzug hält.

Was ist RPA?

Ein Software-Roboter (auch Software-Agent genannt) bildet menschliche Aktivitäten an Bildschirm und Tastatur nach und übernimmt auf diese Weise vollautomatisiert Tätigkeiten im normalen Bankbetrieb. Die Technologie ist noch recht jung. Sie baut auf verschiedenen älteren Techniken wie Skript Automation und Screen Scraping auf. Ausgereifte Workflow-Management-Systeme lassen sich durch Oberflächenautomation sinnvoll erweitern und mit der Einbindung von Künstlicher Intelligenz weiter optimieren. Diese Agenten können sowohl einfach regelbasiert erstellt, als auch mittels maschinellen Lernens weiter ausgebaut werden.

Aufgabengebiete für RPA

Mit RPA lassen sich sehr viele verschiedene Aufgaben im Alltagsgeschäft von Finanzdienstleistern bewältigen, die linear und strukturiert im Backoffice ablaufen. Vor allem dort, wo andere automatisierte Mechanismen und Technologien nicht verwendet werden können, bietet sich diese Lösung an. Denn RPA eignet sich besonders dort, wo keine anderen Schnittstellen zwischen verschiedenen Anwendungen existieren.

Technische Ausführung von Aktivitätsschritten

Die Roboter sind Programme, die festgeschriebenen Abläufen folgen. Diese RPA-internen Workflows werden aus verschiedenen Steuerungselementen und Aktivitäten zusammengebaut. Im Hintergrund werden XML-Dateien mit den entsprechenden Befehlen erstellt, die an die Roboter weitergegeben werden. Eine weitere Möglichkeit sind entwickelte Ausführungs-Engines, deren Programmablauf je nach XML geändert wird. RPA-Tools nutzen diese verschiedenen Möglichkeiten zur Steuerung der Automation von Prozessen.

Für die Automation von Oberflächen werden verschiedene Schnittstellen zu Anwendungen, Technologien oder Systemen genutzt. So bietet Microsoft als Teil des .Net-Frameworks eine umfängliche und vielfältige Schnittstelle. Ist keine Automationsschnittstelle vorhanden, bieten viele RPA-Tools andere Optionen: So kann ein Verbund aus Texterkennung (OCR – Optical Character Recognition) und simulierten Benutzerevents wie Klicks und Tastatureingaben genutzt werden. Mit der automatisierten Bedienung von Benutzeroberflächen lassen sich – abhängig von der jeweiligen RPA-Software – beinahe alle Arten von Programmen (z.B. Microsoft Office, SAP und Terminalanwendungen) steuern. Individual-Entwicklungen sind automatisierbar, wenn sie auf bekannte Technologien (Java, .Net etc.) basieren.

Da zur Steuerung des Programmablaufs und für die Automation von Oberflächen Microsoft-Technologien verwendet werden, ist eine Automation mit derzeit verfügbaren RPA-Tools auf eine Windows-Ausführungsumgebung beschränkt. Dies kann jedoch durch eine Remote-Verbindung umgangen werden. Dabei wird ein Windows-Rechner zur Steuerung des Ablaufs und zum Erstellen der Remote-Verbindung genutzt. Über OCR werden Oberflächen auf dem per Remote zugeschalteten Rechner gesucht und anschließend Benutzerinteraktionen simuliert.

Bedienung der Roboter

Es gibt zwei Möglichkeiten:

  1. Direkte Bedienung: Der Software-Agent befindet sich lokal auf einem Rechner und wird von einem geschulten Fachmitarbeiter bedient. Diese Option eignet sich besonders, wenn nur wenige Roboter eingesetzt werden, um den Aufwand gering zu halten.
  2. Indirekte Bedienung: Die Fachmitarbeiter versenden Anfragen für die Umsetzung bestimmter Prozesse und erhalten die Ergebnisse der Prozessdurchführung als Antwort zurück. Die Ausführung der einzelnen Roboter wird durch eine zentrale Steuerungseinheit koordiniert und orchestriert. Diese Vorgehensweise eignet sich besonders, wenn sehr viele Roboter eingesetzt werden.

Konzeption der RPA-Landschaft

Im Wesentlichen gibt es in der Praxis drei Ansätze.

1. Zentrale Organisation mit Automation
Alle Roboter werden vollautomatisch ausgeführt. Der Fachmitarbeiter erstellt eine Anfrage für die jeweilige Prozessausführung über einen vorher fest definierten Kommunikationskanal (z.B. per Mail oder über eine Anwendung etc.). Diese Anfrage wird von einem Single Point Of Contact (SPOC) bearbeitet. Bei der Vollautomation übernimmt diese Rolle auch ein Software-Agent. Dieser analysiert die Anfrage, formatiert alle benötigten Informationen in eine standardisierte Form um (z.B. XML) und leitet diese an einen anderen Roboter weiter, der letztendlich den Prozess ausführt. Dieser architektonische Aufbau wird von den meisten RPA-Tool-Herstellern empfohlen, da sich auf diese Weise das Monitoring aller Roboter stark vereinfachen lässt und die Verteilung der Aufgaben effizient abläuft.

2. Zentrale Organisation ohne Automation
Der Unterschied liegt im SPOC: Diese Aufgabe wird von einem Menschen oder – insbesondere in großen Organisation – von mehreren Menschen an einem Service Desk übernommen. An dieser Stelle werden die Anfragen der User entgegen genommen und die entsprechenden Roboter für den jeweiligen Prozess gestartet.

3. Dezentrale Organisation
Wenn nur wenige Roboter implementiert werden, ist der Aufbau einer Serverarchitektur nicht notwendig. Die einzelnen Software-Agenten werden auf Rechnern bereitgestellt, die direkt beim verantwortlichen Anwender stehen.

Server-Umgebung bei zentraler Organisation

Ausgewogen und effizient ist eine dreischichtige Server-Architektur. Auf dem (1) Development-Server findet die Entwicklung der Roboter statt. Die ausführbaren Dateien, die während der Entwicklung erstellt werden, liegen dazu zentral auf dem (2) Orchestration-Server. Diese werden auf die einzelnen (3) Execution-Server verteilt. Hier werden die Roboter letztendlich ausgeführt.

Überwachung der Roboter

Wenn die RPA-Software nach jeder Aktivität im definierten Workflow einen Eintrag in eine Log-Datei o.ä. schreibt, kann der Verlauf präzise nachverfolgt werden. Diese Daten können im Fehlerfall ausgelesen werden oder in einem geeigneten Interface, z.B. einer Weboberfläche, kontinuierlich angezeigt werden.

Erfahrungen aus der Praxis

Es hat sich gezeigt, dass die einfache Automation ohne besondere Vorkenntnisse in der Entwicklung schwierig ist. Häufig treten Probleme bei der Umformung und Verarbeitung von Daten auf. Darüber hinaus ist die vermeintlich einfache Lösung, die reine 1:1-Umsetzung des manuell durchgeführten Prozesses in einen automatischen, oft nicht zielführend. Vielmehr sollte eine Prozess-Optimierung vorgeschaltet werden. Dabei wird abgewogen, welche Automationsmöglichkeiten in Angriff genommen werden sollen und wie sie sich kombinieren lassen. Häufig versprechen längere Prozesse mit geringer Logik ein besonders hohes Einsparpotenzial. Komplexere Prozesse lohnen sich ebenfalls zu automatisieren, allerdings sollten diese vorher genauer analysiert werden, ansonsten wird die Umsetzung schnell aufwändiger als geplant. Vor umfangreichen Investitionen empfiehlt sich in jedem Fall ein sorgfältiger Proof of Concept.


Dirk Dose ist Managing Consultant und Experte für Prozessautomatisierung bei der Hamburger Unternehmensberatung PPI AG. Als Träger des Master Black Belt Six Sigma leitet er Prozessveränderungsprojekte in Unternehmen der Finanzbranche.

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