0 Prozent Zinsen und jetzt?

by Dirk Elsner on 17. Dezember 2008

Zinsrekord

Zinsrekord

Die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) hat heute mit einer weiteren kräftigen Zinssenkung den Leitzins auf ein historisches Tief von nahezu null herabgesetzt. Sie senkt den Zins von zuvor 1,0 Prozent in eine „Zielzone“ zwischen 0,0 und 0,25 Prozent.

Mit der neuerlichen Zinssenkung hat die Fed ihr Pulver nahezu verschossen, schreibt z.B. das Handelsblatt.  „Uns geht die traditionelle Munition zur Bekämpfung der Rezession aus“, räumte gestern auch der designierte US-Präsident Barack Obama ein. Die Zinssenkung sehen Experten daher auch nur als symbolische Geste, die die Wirtschaft kaum stimulieren kann. Hintergrund ist, dass die effektive Federal Funds Rate, also der Satz, der am Geldmarkt für Sichteinlagen bei der Fed gezahlt wird, bereits seit einigen Wochen nahe der Nullprozentmarke liegt – Anfang Dezember bei 0,27 Prozent.

In der Theorie der Notenbanken soll eine Veränderung des Geldmarktzinses setzt zunächst eine Reihe von einzelwirtschaftlichen Anpassungsprozessen in Gang bringen. Aufgrund eines veränderten Zinssatzes ändern die Menschen zum Beispiel ihre Konsum- und Investitionspläne. Diese Änderungen schlagen sich dann nach und nach in einer Veränderung volkswirtschaftlicher Größen, wie der wirtschaftlichen Aktivität und dem Preisniveau, nieder. Zu Recht wird gezweifelt, ob dies mit dieser Zinssenkung (und übrigens auch mit den Zinssenkungen in anderen Ländern) erreicht wird

Ein Problem beseitigt die Zinssenkung nämlich nicht, wie die Zeit schreibt: „Selbst wenn die kurzfristigen Renditen sinken, können die Zinsen für langfristige Finanzierungen teuer bleiben oder sogar steigen. Viele Unternehmen und Haushalte brauchen aber langfristig Kredite. Für sie wird es so schwieriger sich zu refinanzieren, wenn die Banken ihre Zinssätze hoch halten. Die Notenbank hat hier nur begrenzt Einfluss: Zwar kann sie deutlich machen, dass ihr die hohen Renditen nicht passen, per Dekret kann sie eine Zinssenkung jedoch nicht verordnen.“

Finanzexperten erwarten daher, dass die Notenbank fortan auf weitere Aufkaufprogramme für Teile des Kreditmarktes ausweichen wird, einer Strategie des „Quantitative Easing“ oder „quantitativen Lockerung“

Vorbild für solche Aktionen könnte die von der Fed Ende November beschlossene Term Asset-Backed Securities Loan Facility (TALF) sein. Unter dem Talf-Programm leiht die Fed solchen Banken bis zu 200 Mrd. Dollar, die Kredite an Privatkunden und Kleinbetriebe ausgeben. Als Sicherheit nimmt sie diese in Anleihen (ABS) verpackten Kredite in ihre Bücher. So soll der ABS-Markt aufgetaut und die Versorgung dieser Zielgruppen mit Krediten sichergestellt werden.

Beim Kauf gibt die Notenbank für diese Papiere Dollars her, überschwemmt die Märkte also mit Geld. Dieses Geld muss sie aber eines Tages wieder einsammeln. Denn die Geldflut trägt den Keim der Inflation in sich. Außerdem muss eine Notenbank die erworbenen Anleihen dauerhaft in ihre Bilanz nehmen – und abschreiben, falls sich ihre Qualität verschlechtert.

Mit dieser Strategie, Geld zu drucken und die eigene Bilanz künftig als Hauptwerkzeug zur Bekämpfung der Rezession einzusetzen, betreibt die Fed eines der mutigsten Experimente ihrer 94-jährigen Geschichte. Diese vor Jahren in Japan vorexerzierte Strategie zu einer Ausweitung der Geldmenge hat dort übrigens lange gebraucht, um zum Erfolg zu führen.

Auch drohen neue Risiken, wie Turbulenzen im Wechselkurssystem, die sich bereits andeuten.

Quellen und weitere Artikel

Internationale Presseschau im Handelsblatt: „Pokerspieler und Pyrotechniker

HB: Geldpolitik: Trittbrettfahrer absteigen!

HB: Historischer Zinsentscheid treibt US-Börsen

Zeit: Fed verabschiedet sich von traditioneller Geldpolitik

Zeit: Die umstrittene Zinspolitik der Notenbanker »

HB: Asiens Börsen folgen der Wall Street nur zögerlich

Time: At the Fed, rate cuts aren’t where the action is any more. Quantitative easing is

SZ: Geldpolitik im Blindflug

Zeit: US-Notenbank senkt Zinssatz quasi auf Null

FTD: Bernanke nähert sich der Null

HB: US-Zinsen touchieren Nulllinie

HB: Kommentar: Grenzen der Geldpolitik

NYT: Fed Cuts Benchmark Rate to Near Zero

EZB: Möglichkeiten und Grenzen der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (2004)

investors inside: Viel zu hektisch und viel zu spät!


Coien Dezember 17, 2008 um 10:39 Uhr

Ich denke, da gibt es verschiedene Indikatoren. Da ich aber für einzelne Sätze keine statistischen Analysen heranziehen kann, suche ich plausible und leicht zugängliche Indikatoren zur Plausibilisierung. Im Fall Japan würde ich den Nikkei-Index als Indikator verwenden.

ts Dezember 17, 2008 um 08:24 Uhr

Nur eine Frage zu besseren Verständnis, da ich hierzu auch schon gegenteilige Meinungen gehört habe: Woran machst Du den Erfolg in Japan konkret fest? (siehe letzter Absatz)

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