Glosse: Wirtschaft schmeckt so richtig fies bitter

by Dirk Elsner on 13. Januar 2009

Our lousy dinner @ Cenang beach

Das macht keinen Appetit

Wissen Sie wie ein Konzentrat von Bittermandeln schmeckt? Nein? Ist vielleicht besser, weil es für den menschlichen Genuss nicht geeignet sind. Aber als ich am Montag die Speisekarte der deutschen Wirtschaft, das Handelsblatt, aufschlug, da zog genau dieser Geschmack auf meine Zunge.

Schon der Aperitif mit “Deutsche Konzerne im Abwärtssog” war nichts für meinen Gaumen. Ein Artikel über den erwarteten Gewinnverfall deutscher Konzerne. Na prima, so fängt die Woche gut an. Aber sind die schlechten Zahlen eine Überraschung? Eigentlich nicht, wenn man die letzten vier Monate des vergangenen Jahres denkt.

Auf der Umschlagsinnenseite folgt eine ranzige Vorspeise, denn da tönt AWD-Gründer Carsten Maschmeyer vom Atomschlag gegen das Vertrauen. Glücklicherweise habe ich mich mittlerweile an das Untergangsvokabular gewöhnt. Dennoch, die Berichte über die Diskussionen zum Deutschen Konjunkturpaket mit Staatsfonds schmecken wie zäher, kalter Kartoffelbrei aus Instantpulver. Es setzt sich der Eindruck fest, die Regierung wolle irgendetwas auf Matsch bauen, wobei egal erscheint, was gebaut wird. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie das Haus aussieht, das von zig Architekten entworfen und von einer ahnungslosen Bauleitung umgesetzt wird. Aber wir sind ja hier beim Essen und nicht auf dem Bau.

Dass Gazas Wirtschaft vor dem Kollaps steht, ist bedauerlicher Weise eine Meldung, die zwar wie rohe Kartoffeln schmeckt, aber irgendwie bekannt vorkommt. Schlucken musste ich da eher über die Überschrift “In Irland macht sich Panik breit”, weil sich dort gleich zum Jahresbeginn die schlechten Nachrichten häufen. Leichter Schwindel überkommt kommt beim Riechen am Artikel “Angst vor der Great Depression II” über eine Tagung hochkarätiger Ökonomen, von denen offenbar auch niemand kochen und schmackhafte Gerichte zubereiten kann. Da hege ich einfach mal die Hoffnung, dass Autor Olaf Storbeck die in komplexen Vorträgen versteckten Rezepte nicht verstanden hat.

Den Brechreiz kann ich gerade noch unterdrücken durch die Rückgabe des Zwischengangs, nämlich der Außenansicht von Sparkassenpräsident Heinrich Haasis, der meint, was der Staat der Commerzbank gewährt, darf er den Landesbanken nicht vorenthalten.

Habe gerade noch einmal die Speisekarte durchgesehen, aber es steht tatsächlich nichts Schmackhaftes auf dem Menü. Selbst die anpackenden Maßnahmen von Obama werden mit Essig überschüttet und als Experiment bezeichnet . Sorry, ich habe Seite 10 übersehen. Zum Nachtisch gibt es tatsächlich eine Creme brulée über einen der größten Reeder der Welt, der meint, die Krise beträfe ihn nicht. Aber auch die wird versalzen mit dem Nachsatz “Wenn er sich da mal nicht täuscht.”

Mir ist jetzt der Appetit endgültig vergangen. Die weiteren Mahlzeiten der Ausgabe werde ich eintuppern und irgendwann heimlich entsorgen, wenn meine Frau nicht zuschaut. Morgen hoffe ich dann auf eine besseres Menü, denn mein Hunger steigt.

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