Kurz vor Weihnachten hatte ich mich in einem Beitrag darüber geärgert, dass zahlreiche wissenschaftliche Fachartikel nur gegen teures Geld zugänglich gemacht werden, und dies obwohl die Autoren meist aus öffentlichen Mitteln bezahlt werden oder über aus Staatsmitteln geförderte Projekte berichten.
Bereits vor einem Jahr hatte sich die Harvard Universität dazu entschlossen, Forschungsergebnisse und wissenschaftliche Veröffentlichungen seiner Fakultätsmitglieder ins Netz zu stellen, kostenlos für alle. Ihr Direktor Robert Darnton sagte dazu damals in einem Interview mit der FAZ:
„Mein ganzes Leben lag mir die Verbreitung des Wissens am Herzen. Als ich nach Harvard kam, war schon die Gründung eines „Open access“- Depots im Gange. Das habe ich sogleich als eine meiner Top-Prioritäten gesehen. Denn genau wie eine große Universitätsbibliothek ihre Bestände dem Rest der Welt durch Digitalisierung zugänglich machen sollte, woran wir zurzeit hart arbeiten, sollten auch Forschungsergebnisse frei verfügbar sein. Diese Richtung hat auch zum Ziel, Harvard zu ermuntern, weniger nach innen als nach außen zu blicken. Wir wollen unseren intellektuellen Reichtum mit allen teilen.“
In Deutschland tun sich offensichtlich viele Forscher weiterhin schwer, denn viele Wissenschaftler veröffentlichten ihre Artikel lieber in renommierten Fachzeitschriften, statt sie gleich der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen.
Dazu kommt die Politik der Wissenschaftsverlage, die von sich behaupten, die Qualität durch ausgefeilte Reviewverfahren auszumachen. „Die Qualitätssicherung der Forschung ist ihre Dienstleistung, damit begründen sie die teils horrenden Preise ihrer Periodika. Dabei müssen die Fachverlage nichts für den Inhalt zahlen, auch der Begutachtungsprozess, die sogenannte peer review, wird von Wissenschaftlern ehrenhalber geleistet. Trotzdem können die Verlage die Preise fast nach Belieben festsetzen. Denn Forscher müssen publizieren, um wissenschaftlich zu überleben, publish or perish lautet die Devise“, war in der vergangenen Woche in der Zeit zu lesen.
Dass sie dabei allerding nicht immer ihren Ansprüchen genügen zeigt das Beispiel der Zeitschrift „Chaos, Solitons and Fractals“ (Kosten pro Jahr 4.042€), mit der sich der Elsevier heftig blamiert hat. Die Zeitschrift wies zwar einen hohen Impact Factor aus, der resultierte aber vornehmlich daraus, dass der Herausgeber der Zeitschrift selbst die meisten Artikel schrieb und dabei vor allem sich selbst zitierte, wie die Zeit schrieb.
Immerhin, die Tendenz, Information ohne Zugangsbeschränkungen über das Internet verfügbar zu machen, ist eindeutig vorhanden. Fachaufsätze, Dissertationen und Forschungsergebnisse in Form von Working Paper sind immer häufiger zu finden. Einige davon sind auf der Übersichtsseite des Blick Logs zur Finanzkrise zu bestaunen.
Diejenigen, die ohne Beschränkung publizieren haben so auch den Vorteil, dass sie eher gelesen und zitiert werden. Dennoch bleiben viele wichtige Publikationen dem Normalleser verschlossen. Der Nutzen dieser Closed-Shop-Politik ist dabei nicht klar. Niemand erwirbt einen Fachartikel für 34 US$, von dem er nicht weiß, ob er brauchbar ist. Dass ein paar Euros gezahlt werden, um bestimmte Verwaltungskosten im Zusammenhang mit der Publikation zu decken, ist zwar nachvollziehbar, würde aber auch schon für viele Personen eine Einstiegshürde darstellen.
Nicht nur in einer Zeit der Finanz- und Wirtschaftskrise sollten Publikationen, die direkt oder indirekt mit öffentlichen Mitteln gefördert wurden, frei und ohne Beschränkungen zugänglich gemacht werden. Dies gilt natürlich nicht nur für Universitäten, sondern auch für Forschungsinstitute.
FAZ: Wir wollen unseren geistigen Reichtum teilen
Offener und nicht so offener Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen
Zeit: Der Felix Krull der Mathematik
Ars Mathematica: Elsevier’s Chaos, Solitons, and Fractals
PS on „Chaos, Solitons and Self-Promotion“
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