Shillers Vorschläge zur Ausdehnung des Risikomanagements

by Dirk Elsner on 16. Januar 2009

Risk Management

Schönes Foto, aber das meint Shiller wohl nicht.

In der vergangenen Woche hatte der Blick Log in einem Beitrag einige Zitate von Robert Shiller zur Finanzkrise zusammen gestellt. Nicht tiefer eingegangen bin ich auf die Risikoinstrumente, die Shiller vorschlägt, um bestimmte bisher nicht abgesicherte (Leben-)Risiken absichern zu können. Daneben hat er noch weitere Vorschläge für den Handel mit großen (sprich volkswirtschaftlichen) Risiken gemacht, die in einem späteren Beitrag behandeln werden.

Vorab bitte ich um Verständnis, dass ich Shiller hier nicht in der Tiefe zusammenfassen kann, wie das bei seinen umfangreichen Publikationen möglich wäre. Dies könnte lohnenswert sein, weil sich auf dieser Basis interessante Geschäftsmodelle entwickeln lassen. Dies fände ich persönlich sehr reizvoll, setzt aber mehr Ressourcen und entsprechenden Kapitaleinsatz voraus. Aber nun zum Thema:

Shiller hat sich mit der Anwendung moderner Risikovorsorge auf unser tägliches Leben befasst. In seinen Werken “Macro Markets” und “Die neue Finanzordnung” hat er gut fundierte Entwürfe für einen neuen finanzwirtschaftlichen Rahmen und neue Instrumente vorgelegt, mit denen wirtschaftlichen Risiken auf neue Art und Weise abgesichert werden können. Shiller ist davon überzeugt, dass eine neue Kultur des Risikomanagements es ermöglichen kann, vorhandenen ökonomischen Institutionen so zu vernetzen, dass sie Wohlstandsmotor und Sicherheitsnetz in einem werden.

Er schlägt vor, die Instrumente, die die Finanzindustrie zum Umgang mit Risiken entwickelt hat, auf weitere Bereiche anzuwenden. Die Kernidee ist: Möglichst viele Einzelrisiken werden gebündelt, gemischt und in kleinen Tranchen an diejenigen weitergereicht, die sie am besten tragen können. Shiller will damit nicht Errungenschaften der Finanzwissenschaften abschaffen, sondern sie erweitert anwenden. In einem Interview mit der FAZ sagte er dazu:

“Die Instrumente und Erkenntnisse der Finanzwissenschaften zum Thema Risikoabsicherung werden bisher nur auf wenige Märkte und Risiken angewendet. Damit beraubt man sich vieler Möglichkeiten, individuelle Risiken abzusichern und damit Wachstum und Wohlstand zu fördern. Ich plädiere dafür, daß auch normale Menschen von den Errungenschaften dieses Fortschritts profitieren und ein professionelleres Risikomanagement betreiben können.”

Bei Hypothekenkrediten ist das lange Usus. Denn durch die Mischung der Risiken spürt man einzelne pleitegehende Kreditnehmer nicht. Finanzmarkt-Profis sprechen vom „slicing of risks“, vom Kleinhäckseln der Risiken. Dass diese die aktuelle Finanzkrise verschärft haben, hat übrigens nichts mit der Qualität der Eignung der Instrumente für die Risikoabsicherung zu tun, sondern nur mit dem falschen Umgang und einem falschen Risikomanagement.

Lebensstandard- und Immobilienwertversicherung

Shiller schlägt z.B. eine Lebensstandard-Versicherung vor, mit der man sein zukünftiges Einkommen absichert oder Versicherungen, mit denen man seine Immobilien vor Wertverfall schützt. Er nennt sie Eigenheimkapital-Versicherungen (ich bevorzuge den Begriff Immobilienwertversicherung). In seinem Buch “Die neue Finanzordnung” schreibt er dazu u.a.:

“1977 versuchte sich eine der Vorstädte von Chicago, Oak Park, gegen den massenhaften Wegzug der Weißen zu stemmen und rief dafür ein Programm mit der Bezeichnung home equity assurance ins Leben. Die Maßnahme wurde mit dem Argument begründet, dass die Weißen beim leisesten Anzeichen einer Veränderung in der Ras­senzusammensetzung eines Viertels ihre Immobilie verkauften, um einem Preisverfall zuvorzukommen. Durch diese sehr frühzeitigen Verkäufe wurde die befürchtete Veränderung natürlich beschleunigt, selbst wenn die Menschen durchaus bereit gewesen wären, mit den Zugezogenen in guter Nachbarschaft zusammenzuleben. Außerdem führte das plötzliche Überangebot aus Furcht vor dem Preisverfall diesen gerade herbei, eine Art sich selbst erfüllende Prophezeiung. Diesen Mechanismus könnte eine Eigenheimkapital-Versicherung unterbinden und zugleich den Zweck des Risikomanagements erfül­len.

Sowohl in Chicago als auch in Oak Park nahm nur ein geringer Prozentsatz der Immobilienbesitzer an dem Programm teil. Aber es bestand die Möglichkeit, sich eintragen zu lassen, und tatsächlich blieben die Immobilienpreise in diesem Viertel trotz der rassischen Veränderungen stabil. Insofern kann man die Programme als Erfolg bezeichnen.

Shiller hat mit Allan Weiss “eine Reihe von Vorschlägen zur Ver­besserung einer solchen Versicherung vorgelegt. Der Wichtigste ist, Versicherungsansprüche anhand von Immobilien-Indizes zu bewerten. Mit umfassenden elektronisch verfügbaren Datenbanken zu Immobilienpreisen, wie sie derzeit zur Verfügung stehen, kann man solche Indizes auch für kleine geografische Regionen und sogar für einzelne Viertel erstellen. Dann würden die Versicherungspoli­cen auf sehr realistischen Angaben beruhen. So könnte man sicher­stellen, dass der tatsächliche Wert des Hauses versichert wird, ohne dem moralischen Wagnis Tür und Tor zu öffnen.”

Shiller und Weiss “haben auch einen Vorschlag entwickelt, wie die planmäßige Zerstörung oder das Problem strategischer Verkäufe gelöst werden könnten. Unser Modell bettet die privatwirtschaftlichen Versiche­rungsprodukte in Makromärkte für Immobilien ein, auf denen die Versicherungsgesellschaft ihre mit den an Privatpersonen verkauften Policen verbundenen Risiken absichern kann. Makromärkte für ein­zelne Städte wären nicht nur ein sinnvolles Instrument für das Risi­komanagement, sondern würden den in dieser Region tätigen Versi­cherungsgesellschaften auch eine Orientierung an die Hand geben.”

Ein Immobilieneigentümer konnte sich bislang nicht gezielt gegen einen Wertverfall seines Eigenheims absichern, z.B. durch den Kauf von Wertpapieren, deren Wert steigt, wenn die Immobilienpreise sinken.

Shiller schlägt auf der einzelwirtschaftlichen Ebene weitere Instrumente vor, wie eine Ausbildungsversicherungen, mit denen ein Auszubildender eine Karriere in einer Branche mit unsichereren Perspektiven absichern kann und möglicherweise erst mit dieser Versicherung überhaupt bereit ist, diese zu beginnen. Das fehlen solcher Instrumente führt dazu, dass viele Menschen vor erfolgversprechenden, aber risikobehafteten Aktionen zurückschrecken.  So bleiben viele lukrative Ideen und Investitionen ungenutzt liegen, so Shiller.

Indem Risiken über Versicherungen auf eine große Anzahl von Marktakteuren verteilt werden, fördern sie eine produktive Risikobereitschaft. Sie mildern die Auswirkungen, die die Möglichkeit eines unerwünschten Ergebnisses auf den Anreiz eines beliebigen einzelnen Akteurs, vielversprechende Unternehmen anzugehen, haben könnte.

In seinen Arbeiten geht Shiller auch darauf ein, wie sich ein Staat selbst und seine Bürger durch spezielle Finanzprodukte gegen Konjunkturrisiken absichern könnte. Er hat sich ebenfalls viele Gedanken zur Umsetzung gemacht und probiert mit einer eigenen Firma Ansätze seiner Ideen in der Praxis aus.

Quellen und weitere Beiträge

Mortgage Default Risk and Real Estate Prices: The Use of Index-Based Futures and Options in Real Estate

Handelsblatt:  Robert Shiller setzt weiter auf „structured finance“  Weg mit den Risiken

Expanding the Scope of Individual Risk Management: Moral Hazard and Other Behavioral Considerations.

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