Neue Klimapolitik der USA

by Gastbeitrag on 27. Januar 2009

Es geht im Moment Schlag auf Schlag in der US-Politik. Die neue Administration bricht täglich mehr Verkrustungen der Bush-Regierung auf. Heute war die Klimapolitik dran (zumindest in ersten Schritten), die zumindest rhetorisch geschickt mit der Wirtschaftspolitik verbunden wird. Obama kündigte heute an, Amerikas Abhängigkeit von ausländischem Öl zu verringern und den Klimaschutz voranzutreiben. Dazu will er die Energieindustrie revolutionieren – und spritsparende Autos und strengere CO2-Grenzwerte durchsetzen. Er wies heute Umweltbehörde Epa an, das unter Bush verfügtes Verbot zu überprüfen, nach dem die Bundesstaaten keine eigenen Höchstwerte für Autoabgase festlegen dürfen. Damit sollen Initiativen wie die des kalifornischen Gouverneurs Arnold Schwarzenegger unterstützet werden, der strengere Werte als die bisher von Washington bundesweit vorgeschriebenen einzuführen.

Christian von Hirschhausen hat in der vergangenen Woche im DIW-Wochenbericht  unter dem Titel „The Greening of America“ – Neue Dynamik zum Amtsantritt von Präsident Obama einen Ausblick auf die US-Klimapolitik gegeben.

Bisher haben die USA im internationalen Klimaschutzprozess eher eine Bremserrolle gespielt. Der künftige US-Präsident Barack Obama hat nun aber einen Umschwung in der Klima- und Energiepolitik angekündigt. Er hat bereits den prominenten Physik-Nobelpreisträger Steven Chu als Energieminister benannt sowie ein umfangreiches Investitions- und Forschungsprogramm für erneuerbare Energien und Klimaschutz entworfen. Bis 2020 soll der CO2-Ausstoß auf das Niveau von 1990 zurückgeführt werden. Das langfristige Ziel der neuen Regierung besteht in der Reduktion der Treibhausgasemissionen um 80 Prozent bis 2050.

Die meisten Bundesstaaten, vor allem Kalifornien und der Nordosten, unterstützen die Pläne und gehen mit gutem Beispiel voran. Es ist zu begrüßen, dass Europa damit einen Verbündeten in den internationalen Bemühungen um den Klimaschutz gewinnt. Die USA könnten Europa bei der Verfolgung von Klimazielen und bei Innovationen für ein nachhaltiges Energiesystem künftig sogar überholen. Europa sollte daher seine eigenen Anstrengungen verstärken, um in der Klima- und Innovationspolitik nicht ins Hintertreffen zu geraten.

Der neue US-Präsident Barack Obama stellt die Weichen für eine Energiewende in den USA. Dies gilt sowohl für die Personalpolitik als auch für strategische Neuausrichtungen. Obama benannte einen Mann als künftigen Energieminister, der als Vorkämpfer für die stärkere Nutzung erneuerbarer Energien und für den Klimaschutz gilt, den Physiknobelpreisträger von 1997, Steven Chu. Dieser leitet seit 2004 das Lawrence-Berkeley-Forschungsinstitut des Energieministeriums.
Obama schaffte zudem eine neue Position für die Koordinierung der Energie-, Klima- und Umweltpolitik im Präsidialamt. Dafür berief er die frühere Leiterin der US-Umweltschutzbehörde EPA, Carol Browner. Damit unterstrich der neue US-Präsident, dass er Nachhaltigkeits- und Klimapolitik weit oben auf seiner Agenda ansiedelt und sie als „Chefsache“ betrachtet.

Der Umschwung auf neue Energien und hin zu einem nachhaltigen Wirtschaftssystem werde „nicht über Nacht“ geschehen, sagte Obama am 18. November in einer der ersten Reden nach seiner Wahl. Das Programm des neuen Präsidenten sieht ehrgeizige Ziele und Maßnahmen im Bereich erneuerbarer Energien und anderer klimafreundlicher Technologien vor. So sollen über einen Zeitraum von zehn Jahren die Forschung und Entwicklung sowie die Markteinführung und Verbreitung von „sauberen“ Energietechniken mit jährlich 15 Milliarden US-Dollar gefördert werden. Zusätzlich sind die Unterstützung von kleinen und mittelständischen Unternehmen im „Green-Tech“-Bereich (mit einer Milliarde US-Dollar pro Jahr) und Ausbildungs- und Umschulungsprogramme in diesem Wirtschaftszweig geplant. Unter anderem soll das kurzfristige Ziel erreicht werden, den Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung bis 2012 um einen Prozentpunkt auf zehn Prozent zu erhöhen. Bis 2025 soll dieser Anteil auf 25 Prozent steigen. Insgesamt soll die Rolle des Bundes im Bereich Klima und Energie gestärkt werden, während sich im vergangenen Jahrzehnt eher die einzelnen Bundesstaaten engagiert haben.

Obama hat anlässlich der Klimaverhandlungen in Polen im Dezember 2008 deutlich gemacht, die „Weltführerschaft“ im Klimaschutz übernehmen zu wollen. Dies ist ein wichtiges Signal für die weiteren weltweiten Klimaschutzverhandlungen. Das Jahr 2009 ist bedeutsam, da auf der kommenden Klimakonferenz in Kopenhagen zum Ende des Jahres ein Folgeabkommen des Kyoto-Protokolls verabschiedet werden soll. Wenn die neue US-Regierung ihre Ziele erreichen und ernsthaft die weltweite Vorreiterrolle im Klimaschutz übernehmen will, muss sie sehr schnell in den USA die entsprechenden Gesetze umsetzen und verbindliche internationale Verpflichtungen anbieten. Ob die dafür notwendigen politischen Voraussetzungen in den USA tatsächlich in dem kurzen Zeitrahmen bis Ende 2009 geschaffen werden können, bleibt fraglich. Dennoch: Klimaschutz wird in den kommenden Jahren eine bedeutsame Rolle in den USA spielen. Europa gewinnt damit einen wichtigen Verbündeten im Klimaschutz, muss aber auch seine eigenen Anstrengungen verstärken.

Auf dem Weg zu einem landesweiten CO2-Handel

Ein Beispiel für die Dynamik, die mit der neuen Regierung in Gang kommen wird, ist die Herangehensweise an den CO2-Handel. Zwar laufen seit einigen Jahren im Kongress Anhörungen zu verschiedenen, teilweise sehr weitgehenden Vorschlägen (zum Beispiel Lieberman-Warner-Entwurf eines Climate Security Act vom Oktober
2007). Doch erst mit der neuen Regierung ergibt sich eine realistische Chance, dass es zu einem Kompromiss zwischen Weißem Haus, Senat und Repräsentantenhaus kommt, der die regionalen Programme auf Bundesebene erweitert. Derzeit stehen Initiativen zum Handel mit CO2-Emissionsrechten im Vordergrund, wobei die Idee einer „einfachen“ CO2-Steuer nicht vollkommen auszuschließen, derzeit jedoch wohl eher unwahrscheinlich ist.

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Die Tabelle zeigt die Ziele und Instrumente von regionalen CO2-Handelsinitiativen. Am weitesten fortgeschritten ist die sogenannte Regionale Treibhausgasinitiative (RGGI), die zum 1. Januar 2009 ihren Betrieb aufnahm. Ihr gehören zehn Bundesstaaten im Nordosten der USA an, welche sich auf feste Obergrenzen für CO2-Emissionen geeinigt haben. Als fortschrittlich ist insbesondere der hohe Grad der Auktionierung der Emissionsrechte zu bewerten. Außerdem sieht das System
verschiedene Kompensationsmöglichkeiten vor, die den Teilnehmern eine größere Flexibilität erlauben.

In einem regional beschränkten CO2-Emissionshandelssystem können Wettbewerbsverzerrungen zwischen Unternehmen innerhalb und außerhalb der Region entstehen. Dies gilt insbesondere, wenn – wie in den USA – ein überregionaler Strommarkt besteht. Daher wird teilweise auch die Einführung von Emissionsrechten auch für importierten Strom vorgeschlagen. Mittelfristig wird ein bundesweites Emissionshandelssystem die effizienteste Lösung sein.

Ausbau der Infrastruktur erforderlich

Wichtig für die Umsetzung des Programms von Präsident Obama wäre die Verbesserung der Energieinfrastruktur. Dazu gehört der landesweite Ausbau des Netzes von Hochspannungsleitungen, um die großflächige Nutzung erneuerbarer Energien zu gewährleisten (zum Beispiel Sonne und Wind). Darüber hinaus wird von dem Programm ein erheblicher Innovationsschub auch im Bereich der so genannten „intelligenten Verteilernetze“ („Smart Grids“) erwartet, wodurch die Einspeisung lokal verfügbarer erneuerbarer Energien sowie die Anpassung der Nachfrage an Angebotsänderungen („Smart Metering“) ermöglicht wird.

Der Ausbau der Hochspannungsleitungen zwischen den drei amerikanischen Netzgebieten (Western Interconnection, Eastern Interconnection und Texas) wird derzeit durch das Fehlen eines föderalen Regulierungsrahmens erschwert. Das unter dem Schlagwort „Greening the Grid“ („Das Netz grün machen“) bekannt gewordene
Programm beinhaltet nicht nur finanzielle Anreize zum Ausbau des bestehenden Netzes. Vielmehr bestehen auch Pläne zur Ergänzung des derzeitigen Wechselstromnetzes durch ein Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungssystem. So zeigt der Plan des National Renewable Energy Laboratory (NREL), dass der massive Ausbau von Hochspannungsleitungen zwischen Nevada und dem Mittleren Westen den Anteil der Sonnenergie an der Stromerzeugung vervielfachen könnte.

Kontinuität in der Innovations- und  Technologiepolitik

Die neue US-Administration hat klar herausgestellt, dass sie wichtige Elemente der forschungsorientierten Klima- und Energiepolitik der Vorgängerregierung nicht nur fortführen, sondern noch vertiefen möchte. Dafür sprechen neben den genannten personellen Entscheidungen auch die Aussagen im Regierungsprogramm: In den
nächsten zehn Jahren sollen mehr als 150 Milliarden US-Dollar zur Förderung von Forschung und Technologie ausgegeben werden. Auch in der traditionellen Stromerzeugung sind mit dem Vorhaben, fünf Kohlekraftwerke mit Kohlenstoffabtrennung und –speicherung (Carbon Capture and Storage, CCS) zu fördern, die Zeichen gesetzt.

Insofern ist damit zu rechnen, dass das US-Klimawandel-Technologie-Programm (Climate Change Technology Program, CCTP), das noch unter der alten Regierung entwickelt wurde, einen erheblichen Aufschwung nimmt. Das CCTP ist im Jahr 2006 verabschiedet worden und beinhaltet eine Vision für die Klimapolitik der nächsten
Jahrzehnte. Die strategischen Ziele des CCTP sind die Verringerung der Treibhausgasemissionen aus Energie- und Infrastrukturnutzung, die Entwicklung von Kohlenstoffabscheidung und -speicherung, die Verbesserung der Messung und Überwachung von Treibhausgasemissionen und die Unterstützung der Grundlagenforschung in der Technologieentwicklung.

Fazit

Die USA stehen mit dem Amtsantritt von Präsident Obama vor einer neuen Ära der Innovations- und Klimaschutzpolitik. Erste personelle und inhaltliche Ankündigungen und Entscheidungen lassen keinen Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Absichten der neuen Regierung. Der neue US-Präsident hat angekündigt, Europa die Rolle des
weltweiten Vorreiters im Bereich Klimaschutz und nachhaltiger Energieversorgung streitig machen zu wollen. Die EU hat im Dezember ihr Energie- und Klimaschutzpaket – wenn auch mit Abstrichen bei den Regeln der Versteigerung der Emissionszertifikate – auf den Weg bringen können. Es bleibt zu hoffen, dass die Vereinigten Staaten nicht die gleichen Fehler wie Europa wiederholen. Die Emissionsrechte sollten versteigert werden und die Ausnahmen möglichst gering gehalten werden.

Deutschland verfolgt seit einigen Jahren eine auf Nachhaltigkeit gerichtete Energie- und Klimaschutzpolitik. Mit der gezielten Förderung erneuerbarer Energien und den kürzlich beschlossenen weiteren Klimaschutzmaßnahmen ist Deutschland auf einem guten Weg. Die USA könnten dennoch Europa und Deutschland rasch überholen, wenn die gewünschten Ziele dort wirklich konsequent verfolgt werden. Deutschland sollte auf jeden Fall in Europa weiterhin eine führende Rolle in der Energie- und Klimaschutzpolitik spielen. Durch die Wende in der US-amerikanischen Energie- und Klimaschutzpolitik dürfte die europäische Position in den anstehenden internationalen Verhandlungen eher gestärkt werden. Damit nehmen auch die Chancen zu, dass sich die EU auf eine Verminderung der Treibhausgasemissionen von 1990 bis 2020 um 30 Prozent – anstatt wie bisher nur um 20 Prozent – verpflichtet.

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