TV-Tip bei Arte: Durch die Finanznacht mit Greenwald und Stiglitz

by Dirk Elsner on 30. Januar 2009

Stiglitz (links) Greenwald beim “Wall Street Journal” © avanti media/ Boris Fromageot, John Toft

Stiglitz (links) Greenwald beim “Wall Street Journal” © avanti media/ Boris Fromageot, John Toft

Mir war gar nicht so bewusst, dass Arte so häufig Finanzthemen behandelt. Da war ich wohl zu sehr auf Bloomberg und MSNBC fixiert, dass ich das übersehen habe. Jedenfall nach dem TV-Tip von gestern folgt heute ein weiterer Tip, den ich direkt von Arte erhalten habe:  Durch die Nacht mit Bruce Greenwald und Joseph Stiglitz am 5. Februar, leider erst um 23.45 Uhr.

Anlässlich der aktuellen Finanzkrise wirft „Durch die Nacht“ einen Blick hinter die Kulissen des bedeutendsten Finanzmarktes der Welt, der Wall Street in New York: Wirtschafts-Nobel-Preisträger und scharfer Kritiker der internationalen Finanzmärkte, Professor Joseph E. Stiglitz begegnet Professor Bruce Greenwald, dem „Guru der Wall Street-Gurus“ (New York Times).

Kaum jemand kennt sich in der Weltwirtschaft so gut aus Joseph Eugene Stiglitz (65), dem  US-amerikanischen Wirtschaftswissenschaftler, der für seine Arbeiten über das Verhältnis von Information und Märkten 2001 zusammen mit George A. Akerlof und Michael Spence den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften erhielt.  Jahrelang saß er an den Hebeln der Macht, ob als Berater von US-Präsident Bill Clinton oder als Chefvolkswirt der Weltbank. Er erlebte dabei hautnah, wie der freie Markt die Volkswirtschaften mehrerer Länder ruinierte. Diese Erfahrungen machten ihn zu einem der führenden Globalisierungskritiker.

Schonungslos bezog er Position gegen seine ehemaligen Auftraggeber, bekam dafür viel Ärger – und schließlich den Wirtschafts-Nobelpreis. Der Amerikaner Bruce Greenwald (62) ist so etwas wie der Seismograph der Wallstreet. Selbst alte Hasen unter den Investmentprofis geraten bei seinen Ratschlägen in Verzückung. Er nimmt kein Blatt vor den Mund und stellt das Weltbild der Börsianer mit Vorliebe auf den Kopf. Dabei wirkt der untersetzte Mann wie ein Fremdkörper in der Liga der geschniegelten Maßanzugträger. Greenwald entwickelt gerade ein neues Analysesystem, mit dem man die Gewinnchancen auf dem Aktienmarkt noch effizienter bestimmen kann. Denn Bruce Greenwald hat ein Lieblingsthema: Wachstum.

Mit den beiden so unterschiedlichen Alphatieren der Finanz – und Wirtschaftswelt schlägt „Durch die Nacht“ eine Schneise in das undurchsichtige Dickicht der Finanzkrise und die Unternehmenskultur, die die Entgleisungen möglich gemacht hat. Der Abend führt die Ökonomen auf den Trader’s Floor der New York Stock Exchange, zum Wall Street Journal, ins legendäre Banker-Steakhouse Delmonico’s, zum Kunstauktionator Simon de Pury, nach Chinatown und zu einem exzentrischen Immobilienbroker auf die Upper East Side. Ihr Fazit: Es gibt viele Schuldige. Und die Finanzkrise ist nur der Anfang einer langen Talfahrt, wenn nicht jetzt die wirtschaftlichen Weichen neu gestellt werden.

Leider ist der Beitrag nirgends archiviert.

enigma Februar 19, 2009 um 17:10 Uhr

@ koe

Natürlich, Stiglitz kann man lesen, solange es um Mikroökonomie geht. Darunter zählt ja neben Produktions- und Markttheorie auch Institutionenökonomie u.v.m.. Diese Themen bekommen „Elite“ Studenten in US/GB bis zum Erbrechen eingebleut, bis sie glauben, daß die Welt nur noch aus Präferenzrelationen, Isoquanten und Angebots- und Nachfragekurven besteht. Stiglitz weiß ja immerhin, daß es auch auf mikroökonomischer Ebene Anreizprobleme gibt. (z.B. der Stiglitz / Weiss Artikel)

Aber eine Finanzkrise ist kein mikroökonomisches Thema! Nur leider wurde die ungeliebte Makroökonomie nach der erfolgten Diskreditierung der keynesianischen Globalsteuerung aufgrund der Stagflationskrise mit dem Schlagwort Mikrofundierung der Makroökonomie gleich (fast) völlig dem Erdboden gleichgemacht. vgl. z.B. Flassbeck! Das hat ganz nebenbei und wenig rezipiert dazu geführt, daß der Bereich Geldtheorie sowie das gesamtwirtschaftliche Denken insgesamt genauso unter die Räder kam. Das was in den Zeiten von L.A. Hahn und W. Lautenbach noch selbstverständlich war und bei W. Stützel z.T. kompendiumhaft dargestellt wird, ist doch längst vergessen. So hält sich immer noch hartnäckig die These, durch Ersparnis könne man Kaufkraft / Vermögen in die Zukunft transportieren, obwohl nun gerade das nicht passiert, im Gegenteil, wo nun die Finanzwerte z.Z. zwangsweise an die „Realwirtschaft“, d.h. die aktuell zu erwartenden zukünftigen Zahlungsströme, angepaßt werden. Den Ärger gibt es ja auch nicht bei Aktien, sondern den nominalwertfixierten Wertpapieren, wo sich alle Welt den Kopf darüber zerbricht, wie man um die eigentlich notwendigen Abschreibungen herumkommt. Wenn man das als Problem ernst nimmt, landet man sofort bei den Themen Zinstheorie und Einkommensverteilung – und da haben Mikroökonomen nichts anzubieten.

Deswegen: der anglosaxonische (Nobel-) Kaiser hat keine Kleider! Zumindest nicht, wenn es um Geldtheorie und Makroökonomie geht.

MfG

koe Februar 13, 2009 um 15:02 Uhr

@Enigma
Wer die Stiglitz‘ Buecher gelesen bzw. sich anderweitig mit dem Funktionieren „freier“ Maerkte, dem IMF und der Weltbank und weiteren vom Mensch gemachten finanziellen Institutionen und Regelungen beschaeftigt hat, weiss, dass natuerlich der Markt keine einzelne Person mit Masterplan sondern eher das Aggregat verschiedener durch Menschen ausgeloester und beeinflusster Prozesse ist.
Und im Gegensatz zu Vielen, die sich aktuell zu Wort melden, dabei aber eigentlich die Kernprobleme nicht so richtig verstanden haben (das kann man ziemlich gut in einschlaegigen deutschen Talkshows mit Finanzthemen nachvollziehen) und dementsprechend auch wenig oder keine laengerfristig sinnvollen Vorschlaege bringen, da sie 1. so kurz greifen und nicht umfassend genug sind, 2. an der falschen Stelle versuchen zu beheben was sich dadurch gar nicht beheben oder verhindern laesst und 3. systematischere Kritik als „unwirklich“ oder pauschalisiert darstellen, hat Stiglitz wenigstens eine ganze Palette (und das meine ich woertlich 😉 ) realistischer und auch gut umsetzbarer Vorschlaege gemacht, von Aenderungsvorschlaegen fuer das weltweite Waehrungsreservensystem (was alleine Entwicklungs- und Schwellenlaender de facto 300 Millarden p.a. kostet, eigentlich unnoetigerweise wohlbemerkt, wenn der Waehrungshandel etwas anders laufen wuerde) ueber den „Umgang“ mit transnationalen Konzernen bis hin zu umweltpolitischen und -oekonomischen Fragen.

Und p.s.: Er war nicht Praesident sondern eine zeitlang Vorsitzender und spaeter Chefoekonom.
Nicht, dass ich ihn jetzt krampfhaft verteidigen muss, aber durch ihn habe ich viele Einsichten bekommen, die teilweise wirklich elementar fuer das Verstaendnis bestimmter Vorgaenge war.
Ich habe ziemlich viel Literatur von ihm gelesen, eine Teil seiner Papers zur Informationsoekonomie etc., der Mann weiss schon, wovon er redet, mehr als viele andere US-Elite-Oekonomen, muss man dazu sagen.

enigma Januar 30, 2009 um 05:59 Uhr

Jetzt mal die ganze Ehrfurcht beiseite: was können denn die beiden Ökonomen zu der Bewältigung der gegenwärtigen Situation vernünftiges beisteuern, was nicht schon tausendfach von beliebigen Schreiberlingen in die Welt hinaus posaunt worden ist.

Und überhaupt: der Umstand, daß jemand Zugang zu Informationen hat, die nicht jedem zur Verfügung stehen (die Sache mit dem Auskennen) heißt doch noch lange nicht, daß diese Informationen von demjenigen adäquat interpretiert werden. Es muß einem doch zu denken geben, daß ein Ex – Weltbank Präsident sich sogar hinstellt und deklariert, daß „der freie Markt die Volkswirtschaften mehrerer Länder ruiniert“ haben soll. Der freie Markt ist eine Konzeption, wie Produktion gesteuert werden kann, aber das ist keine Person mit einem Masterplan!

Lassen wir doch die Kirche im Dorf: die Amis mit ihren ganzen Nobel Ökonomen eiern doch genauso herum wie Ingrid Steeger mit 12 cm Stilettos. (Na gut, die konnte das wenigstens!) Die ökonomische Qualität der angloamis beschränkt sich doch letztlich nur darauf, aus einer MERDE eine nette Show zu machen. Und das muß man ihnen lassen: wie man eine Show inszeniert, das wissen sie. Jetzt muß man nur noch sehen, ob das Publikum immer noch so ultra neurotisch konditioniert ist, da mitzumachen.

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