Der Fall Märklin öffnet die Beratungswunde

by Dirk Elsner on 12. Februar 2009

In dieser Woche ist offensichtlich wieder einmal Banken- und Finanzmarktzeit. Dabei will ich mich gar nicht ständig mit der Bankenkrise befassen, sondern auch auf andere Themen schauen. Denn angesichts einer Schlagzeile der FTD am vergangenen Wochenende “Berater sollen Märklin ausgesaugt haben” dürfte sich bei vielen Unternehmensberatern der Mageninhalt merklich angesäuert haben. Das Blatt schrieb nämlich:

“Der Insolvenzverwalter des Modellbahnbauers Märklin hat heftige Anschuldigungen gegen die früheren Eigner Kingsbridge und Goldman Sachs erhoben. Unter der Ägide der Investoren sei Märklin mit viel zu hohen Honoraren und Gebühren belastet worden. „In drei Jahren sind 40 Mio. Euro an Honoraren bezahlt worden“, sagt der Ulmer Jurist Michael Pluta der FTD. „Wenn die Beratungskosten nicht bestanden hätten, wäre die Firma jetzt nicht pleite.“

Honorarzahlungen sind ein Thema, über das Berater sich ungern öffentlich äußern. Ihre Tageshonorare sind in Deutschland 2008 im Schnitt um drei Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Dabei variieren die Tagessätze stark nach Umsatz der Beratung sowie Erfahrung und Rang des Consultants. Für einen Juniorberater stellen sie im Schnitt 1 000 Euro am Tag in Rechnung. Ein Seniorpartner oder Chef kann durchaus auf 6 000 Euro und mehr kommen. Weiter hieß es im Oktober im Handelsblatt:

„Unter den fünf großen Beratungshäusern liegt der durchschnittliche Tagessatz zwischen 2 500 und 4 000 Euro, verrät ein Insider. Roland Berger spiele dabei eine Sonderrolle. In der Liga darunter kosten Berater schon 30 Prozent weniger. Die Preise für einstige Ableger der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften lägen im Schnitt um die Hälfte unter denen der größten fünf Beratungen.“

Ob Honorare in solcher Höhe sachgerecht sind oder nicht, muss im Prinzip jeder Auftraggeber selbst beurteilen. Viele Auftraggeber hatten schon bisher ein trübes Bild der Beratungsbranche, dass nun durch den Fall Märklin weiter verdunkelt wurde.

Unternehmensberatung wird von Hänsel in beschrieben als eine „Dienstleistung, die durch Externalität, Unabhängigkeit und Professionalität gekennzeichnet ist. Leistungsinhalt ist die Bearbeitung betriebswirtschaftlicher Probleme in Form von deren Identifikation, Hilfe bei der Problemlösung, Empfehlung von Maßnahmen und Mithilfe bei der Umsetzung von Lösungskonzepten“[1]. In der Expertenberatung delegiert das Klientensystem die Lösung des Problems an den Berater wofür dieser seine Expertise zur Verfügung stellt.

So wissenschaftlich diese Aussage klingt, so vollkommen an dieser Definition vorbei haben offenbar die Berater von Märklin gearbeitet. Und sogar Märklin Geschäftsführer Dietmar Mundil räumte in der Wirtschaftswoche ein, dass die häufig wechselnden Sanierungshelfer oft mehr Irritationen ausgelöst als Nutzen gestiftet hätten. Dann  stellt sich allerdings die Frage, warum er an den Beratern auf Kosten der Existenz seines Unternehmens festgehalten hat.

Das geläufigste und zugleich allgemeinste Argument für den steigenden Bedarf nach Beratung, das in der einschlägigen wissenschaftlichen Literatur, aber auch in vielen Alltagserklärungen der beteiligten Akteure in Management wie Beratung zu finden ist, verweist auf die steigende Komplexität und Dynamik der organisatorischen Umwelt und die damit verbundene Unsicherheitsbelastung der Akteure[2].

Allerdings greifen Manager nicht nur aus die­sem sachfunktionalen Gründen Managementmoden auf, sondern auch,

  • weil sie Angst haben, den Anschluss zu verpassen;
  • weil sie sich der Verantwor­tung entledigen wollen;
  • weil sie ihre Machtposition erhalten oder gar aus­bauen wollen;
  • weil sie zu den Gewinnern und nicht zu den Verlierern des Reorganisationsprogramms zählen wollen.

Die Einschaltung einer Beratung muss nicht verkehrt sein. Oft können externe Beobachter besser erkennen, was in einem Unternehmen falsch läuft. Eine zentrale Aufgabe für Unternehmensberater wird auch darin gesehen, bei der Entscheidungsvorbereitung mitzuwirken und so einen Beitrag zu leisten, dass die Unternehmensführung aus den vorhandenen Handlungsalternativen diejenige auswählt, die den größten Beitrag zum Unternehmenserfolg erwarten lässt. Aber auch dies ist in der Praxis häufig Wunschdenken, scheitert doch häufig ein solcher Auftragsethos schon an den unklaren Vorgaben der Auftraggeber.

Berater sind keine Übermenschen, auch nicht, wenn sie 5.000 € am Tag kosten. Zunächst wollen sie selbst Geld verdienen. Sie wissen aber, dass sie das nur erreichen können, wenn sie das Vertrauen des Kunden gewinnen. Beratungsunternehmen haben außerdem Interesse an einer langfristigen Kundenbeziehung. Dafür ist es notwendig, entsprechende Leistungen dauerhaft und mit messbaren Erfolg zu bringen. Natürlich neigen Berater auch dazu, möglichst durch ihre Beratung schon den Grundstein für einen Folgeauftrag zu legen. Das ist nicht einmal verwerflich, weil das jedes Unternehmen versucht. Verwerflich ist es jedoch, wenn Berater auf Kosten der Existenz eines Unternehmens Aufträge generieren.


[1] M. Faust, Warum boomt die Managementberatung?, in: SOFI-Mitteilungen Nr. 28/2000, S. 61.

[2] M. Hänsel, Intuition als Beratungskompetenz in Organisationen, Heidelberg 2002, S. 23

Comments on this entry are closed.

Previous post:

Next post: