Wie die Hirnforschung die Angst besiegt

by Dirk Elsner on 22. Februar 2009

Gestern schrieb ich schon darüber, dass die Angst die Unternehmen und Konsumenten mittlerweile fest im Griff hat. Eine lähmende Angst scheint die Weltwirtschaft ergriffen zu haben und noch ist nicht klar, wie diese überwunden werden kann. Derweil kann man sich mal anschauen, was die Hirnforschung zum Thema Angst zu bieten hat.

Das Nachrichtenmagazin Time beschäftigte sich vor einigen Wochen mit den neurologischen Grundlagen der Angst, die viele Menschen angesichts der aktuellen Wirtschaftssituation ergriffen hat. Wir erfahren, dass unser Gehirn es nicht mag, wenn es die Auswirkungen von Aktionen und Handlungen auf unser Wohlbefinden nicht vorhersehen kann. Normalerweise nehmen wir Informationen aus unser Umwelt auf und glauben zu wissen, was passiert bzw. können in unserem Alltagsleben ziemlich genaue Vorhersagen auch ohne wissenschaftliche Analyse treffen.

Aktuell gerät dieser Mechanismus gründlich durcheinander. Wir werden stündlich überschüttet mit Informationen, von denen wir glauben, dass sie erhebliche und zwar negative Auswirkungen auf unser Wohlbefinden haben könnten. Das Gehirn mag solche Zustände hoher Unsicherheit nicht. Und weil unsere Gehirne in solchen Fällen selbst nicht in der Lage sind, selbst ein klares Urteil zu fällen, hängt es sich gern an die Urteile von anderen Menschen, wie z.B. Experten.

Mit Experimenten konnte gezeigt werden, dass sich Menschen selbst dann an Aussagen und Urteile von anderen Menschen hängen, wenn diese nachweislich falsch sind. Das Hirn integriert die falschen Informationen, um persönlich mehr Sicherheit für die Zukunft zu bekommen. Dabei reicht es offenbar aus, wenn dies eine gefühlte Sicherheit ist.

Auf die aktuelle Situation an den Finanzmärkte übertragen bedeutet dies, verkaufen andere Menschen ihre Aktien, dann möchte unser Gehirn dies selbst dann tun, wenn es Aktien für wertvoll hält.

Den Teil des Hirn, der so reagiert, bezeichnen Hirnforscher als Amygdala. Die Amygdala, so kann man in der Wikipedia lesen, “ist wesentlich an der Entstehung der Angst beteiligt und spielt allgemein eine wichtige Rolle bei der emotionalen Bewertung und Wiedererkennung von Situationen sowie der Analyse möglicher Gefahren: sie verarbeitet externe Impulse und leitet die vegetativen Reaktionen ein. Eine Zerstörung beider Amygdalae führt zum Verlust von Furcht- und Aggressionsempfinden und so zum Zusammenbruch der mitunter lebenswichtigen Warn- und Abwehrreaktionen. Forschungsergebnisse aus dem Jahr 2004 deuten darauf hin, dass die Amygdala an der Wahrnehmung jeglicher Form von Erregung, also affekt- oder lustbetonter Empfindungen, einschließlich des Sexualtriebes beteiligt sein könnte.”

Immerhin ist unser Gehirn so weit entwickelt, dass wir die Amygdala über den präfrontale Cortex beeinflussen können. Der präfrontale Cortex ist der Teil des Gehirns, der für bewusstes Denken verantwortlich ist. Er empfängt die verarbeiteten sensorischen Signale, integriert sie mit Gedächtnisinhalten und aus dem limbischen System stammenden emotionalen Bewertungen und initiiert auf dieser Basis Handlungen. Er wird als oberstes Kontrollzentrum für eine situationsangemessene Handlungssteuerung angesehen und ist gleichzeitig intensiv an der Regulation emotionaler Prozesse beteiligt.

Der präfrontale Cortex hat eine direkte Verbindung zur Amygdala und kann sie beruhigen. Die erfordert allerdings Anstrengungen und Kreativität. Hirnforscher John Forsyth rät in Time: “Das Beste, was sie in dem Moment machen können ist, sich bewußt zu machen, dass es natürlich ist, Ängstlichkeit zu empfinden, wenn Dinge unvorhersehbar werden.” Anschließend solle man sich intensive mit der Situation auseinandersetzen und nicht die Gefühle entscheiden lassen, weil diese in solchen Situationen sehr flatterhaft seien. Bei genauem Nachdenken empfiehlt Forsyth zu überlegen, was zuerst zu tun ist, als nächstes und übernächstes. Das bedeutet aber auch, sich von alten Gedanken über Zukunftserwartungen zu verabschieden. So können dann auch neue Möglichkeiten und Chancen aus der neuen Lage entdeckt werden.

Diese Aussagen klingen für mich nicht unplausibel. Wahrscheinlich liegt in dieser Erklärung auch ein Grund für das gestiegene Informationsinteresse in diesen Wochen.

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