Dieser Gastbeitrag erreichte den Blick Log am 28. Februar. Ich habe ihn mit großem Interesse gelesen. Er beschreibt den Existenzkampf eines kleinen Betriebes in der Finanzkrise und gibt nach meiner Einschätzung auch gut das Gefühl der Ohnmacht gegenüber Behörden wieder, die große Unternehmen unterstützen und gegen Kleinbetriebe die ganze Palette des bestehenden Rechts anwenden. Der Verfasser des Beitrags ist PM.
Seit 6 Jahren befindet sich mein 1981 gegründeter Betrieb (GmbH) in einer nicht selbst verschuldeten Finanzkrise. Die letzten 3 von 15 Mitarbeitern mussten zum 31.03.2003 entlassen werden. Hilfe war trotz redlicher Bemühungen von keiner Seite zu erwarten. Es folgte eine Lohnsteuer Betriebsprüfung der Jahre 2000 bis 2003. Nach sechsmonatiger Prüfung lag das Ergebnis vor: Rund 2.800,00 Lohnsteuer-Nachzahlung wegen Veräußerung der Firmen-PKWs unter dem vom Steuerprüfer festgesetztem Preis.
Daraus folgt eine zusätzliche Forderung der Deutschen Rentenversicherung in Höhe von Euro 2.626,50 zahlbar an die Krankenkassen. (Anmerkung: Der Verkauf erfolgte, um sich der Kosten für die Fahrzeuge zu entledigen. Notverkauf. Der Gebrauchtwagen-Markt gab aber nicht mehr her. Der ohnehin niedrige Erlös abzüglich der daraus folgenden Nachzahlungen lässt den Schluss zu es wäre besser gewesen, die Fahrzeuge verschrotten zu lassen).
Die Zahlungen mussten über Kredite finanziert werden, ansonsten hätte Insolvenz angemeldet werden müssen, da zu diesem Zeitpunkt keine liquiden Mittel mehr vorhanden waren. Der geschäftsführende Gesellschafter entschied sich für einen Kredit aus seinen privaten Rücklagen in der Hoffnung, die GmbH würde in Zukunft wieder Geld verdienen. Aus der Sicht eines über 50jährigen tätigen Gesellschafters die einzige Chance, um nicht in die Altersarmmut hinab zu gleiten.
Als es im Sommer 2008 leicht bergauf geht, kommen im Herbst neue Hiobsbotschaften. Der Steuerberater stellt seine Tätigkeit ein mit der Begründung, das Unternehmen könne ihn nicht mehr bezahlen.
Im Herbst 2008 übernimmt der neue Steuerberater die unvollständigen Unterlagen seines Vorgängers. Zwischenzeitlich erreicht den Geschäftsführer ein Schreiben vom Bundesamt für Justiz. Es wird ein Ordnungsgeld angedroht, falls die Bilanzen 2006 und 2007 nicht innerhalb einer Frist von 6 Wochen eingereicht werden. Dem Steuerberater und dem tätigen Gesellschafter rauchen die Köpfe. Die gesetzte Frist ist unter den Umständen nicht einzuhalten. Wir beantragen unter Nennung der Umstände beim hiesigen Finanzamt eine Fristverlängerung. Dem Antrag wird statt gegeben mit Frist zum 15. Februar 2009. Wir sind erleichtert. Beim Bundesamt für Justiz wird mit gleicher Begründung eine Fristverlängerung beantragt. Wir bekommen aber keine Antwort, während der Steuerberater mit Volldampf an der Buchführung und den Bilanzen arbeitet.
Am 14. Januar ist der Marathon endlich geschafft: Die Bilanzen wurden zur Veröffentlichung eingereicht.
An dieser Stelle sollte erwähnt werden, dass die Bilanzen seit 2003 bis 2007 erhebliche Verluste ausweisen. Der geschäftsführende Gesellschafter arbeitet mit Enthusiasmus ohne Gehalt, um den Verpflichtungen der GmbH und den Zinszahlungen nachkommen zu können. Die Einnahmen der GmbH reichen aber nicht immer für die laufenden Fixkosten, weshalb er weitere Kredite aus seinen privaten Rücklagen an die GmbH auszahlt. Er bestreitet seinen Lebensunterhalt von diesen Rücklagen, die für seine Altersversorgung angespart wurden und lebt seit dem wirtschaftlichen Einbruch 2003 mit seinem 19jährigen Sohn von seiner Ehefrau getrennt in seinem Firmengebäude, welches er seit sechs Jahren vergeblich zu veräußern versucht. Eine Teufelskreis, aus dem es seit Jahren keinen Ausweg gibt.
In dieser Zeit erscheinen in den Medien die Meldungen der Wirtschafts- und Finanzkrise. Die Regierung hilft. Milliarden werden bereit gestellt, um maroden Banken zu helfen. Über die Ursachen dieser Krise hört und liest man nichts. Es hat keine Ordnungsstrafen, keine Bußgelder, keine Rückführung von unberechtigt entnommenen Geldbeträgen gegeben. Auch über eine Strafverfolgung der Verantwortlichen wird nicht berichtet. Kumpanei ?
Zurück zum Werdegang des Kleinunternehmers:
Am 25. Februar 2009 erhält der Geschäftsführer erneut ein Schreiben vom Bundesamt für Justiz. Der Inhalt ist niederschmetternd: Es wird wegen verspäteter Einreichung der Bilanzen ein Ordnungsgeld in Höhe von 2.503,50 festgelegt – zahlbar innerhalb von 14 Tagen.
Liebe Leser: Dazu fällt einem nichts mehr ein. Aus Sicht des Geschäftsführers hat der Gesetzgeber erneut mit voller Härte zugeschlagen, anstatt Hilfe und Verständnis zu gewähren. In Anbetracht der miesen wirtschaftlichen Lage, in der mutige Unternehmer wie der hier beschriebene um ihre Existenz zu kämpfen bereit sind – alles geben, auf Freizeit und Urlaub verzichten, werden von Amts wegen abgestraft.
Wo kann man sich beschweren? Wer hilft? Warum gibt es keinen Verband für Kleinunternehmer? Warum gibt es keine Institutionen oder Vereinigungen für in Not geratene Unternehmen (speziell für Kleinunternehmen)? Warum gibt es keine Ausnahme-Regelungen für Krisenzeiten? Warum wird immer nur den “großen” geholfen, obwohl diese nur ca. 5% der Arbeitsplätze schaffen? Warum stellt das Finanzamt keine Hilfen bereit, um die Kosten für teure Bilanzen zu minimieren? Dieser Fragenkatalog ist nur ein Denkanstoß….
PM
Ich fürchte auch, dass so etwas alles andere als ein Einzelfall ist. Da nützt dann der fähigste Steuerberater nichts mehr, wenn man einmal in diesem Strudel drin steckt.
Ich würde mich an das Fernsehen wenden. Da findet sich bestimmt ein Sender, der daraus eine Story macht. Wenn viele solcher Fälle ans Licht gezerrt werden, dann wird sich früher oder später auch was tun. Und dass es Fälle dieser Art zur Genüge gibt, davon bin ich überzeugt.
Ich persönlich glaube, dass die Medien täglich zig solcher Geschichten mit dem Wunsch bekommen, dass darüber berichtet werden möge. Aber auch die Medien entscheiden danach, ob der Fall für sie attraktiv ist und nicht, ob dem Unternehmer so geholfen werden kann. Öffentlichkeit kann manchmal auch schädlich sein. Aber es liegt natürlich im Ermessen des Gastautors darüber zu entscheiden.
Comments on this entry are closed.