Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser – zur Rolle von Family Offices

by Gastbeitrag on 22. März 2009

„Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“ – Dieser Satz von Lenin ist sicher unverändert gültig. Meint er doch, dass pures Vertrauen ohne hinreichende Kontrolle missbraucht werden kann.

Was bedeutet dies für die Beziehung zwischen einer vermögensverwaltenden Bank und dem Kontoinhaber? Dies in Zeiten turbulenter Finanzmärkte, die bei Kunden eher Miss- als Vertrauen schüren? Wer kontrolliert wen? Wem schenkt man Vertrauen?

Wer ein Eigenheim baut, ist gewohnt, dass der Architekt als Geschäftspartner und Vertrauter des Bauherren dessen Interessen wahrnimmt und bei der Erstellung des Gebäudes das Zusammengreifen der verschiedenen Handwerker überwacht. Für diese Kontrolle zahlt der Bauherr dem Architekten ein entsprechendes Honorar, zumal ihm selbst in der Regel der technische Sachverstand und die notwendigen Kontakte fehlen, um diese Überwachungsrolle wahrzunehmen.

Bei der Vermögensanlage fehlt häufig dieser Architekt. Wie bei einem Hausbau werden Angebote von Banken und Vermögensverwaltern eingeholt. Es gibt gute und weniger gute „Handwerker“, die in einer Ausschreibung ihr Angebot abgeben. „Ausschreibung“ heisst im Banking neudeutsch „Beauty Contest“. Die von den Konditionen günstigste Offerte muss dabei nicht die beste sein: Es hängt stark davon ab, welches Leistungsversprechen mit der jeweiligen Bank-Offerte verbunden ist.

Schon bei der Auswahl zum Beauty Contest ist viel Erfahrung notwendig. Welche Banken und Vermögensverwalter haben in der Vergangenheit ihr Leistungsversprechen erfüllen können? Sind Ergebnisse der Vergangenheit auf die Zukunft übertragbar? Welcher Investment-Stil ist in welchem Börsenumfeld erfolgversprechend?

Bevor die eingeladenen Banken ihre Offerte darlegen, muss das Risikoprofil des Kunden definiert werden. Ist er ein konservativer Anleger, sollte das Vermögen überwiegend aus risikoarmen Anlageformen bestehen. Der Anteil von Aktien und vergleichbarer Anlageformen ist dementsprechend eher klein. Kann der Kunde jedoch mit den typischen Schwankungen von Aktien leben und ist der Anlagehorizont mittel- bis langfristig, kann die Aktienquote entsprechend stärker gewichtet werden, da die Wertentwicklung von Aktien in der Regel höher ist als der Ertrag von Festgeld und Anleihen. Ergebnis dieses Prozesses ist eine saubere Asset Allokation, also eine Aufteilung des Gesamtvermögens auf verschiedene Vermögensklassen. Neben liquiden Anlageformen, wie Kasse, Anleihen und Aktien, sind auch die prozentualen Anteile in wenig liquiden Anlageformen, wie Immobilien, Unternehmensbeteiligungen und (Lebens-)Versicherungen zu definieren.

Grundsätzlich ist zu beachten, dass bei allen Kapitalanlagen immer ein Zielkonflikt besteht zwischen den Zielen Liquidität, Rentabilität und Sicherheit:

  • Rentabilität: Eine (erwartete) hohe Rendite kann nur durch das Eingehen von höheren Risiken erzielt werden; mit dem Eingehen hoher Marktrisiken ist auch die Möglichkeit des (teilweisen) Kapitalverlustes verbunden; dadurch kann die Liquidität und sogar die Existenz des Anlegers gefährdet werden.
  • Sicherheit: Kurzfristige Anlagen, deren Rückzahlung sehr wahrscheinlich ist (z. B. Festgeld) erzielen regelmäßig eine niedrigere Rendite als längerfristige, riskantere Investments (z.B. langlaufende Unternehmensanleihen). Der Anleger verzichtet zugunsten von Sicherheit auf Rendite.
  • Liquidität: Der Anleger sollte möglichst auf eine hohe Liquidität, d. h. eine jeder­zeitige Verkaufs- oder Rückgabemöglichkeit, einer Anlage achten. Wenn es erforderlich wird, eine ursprünglich für einen längeren Zeitraum geplante Kapitalanlage kurzfristig zu veräußern, sind damit zwar unter Umständen Ein­bußen verbunden, aber die frei gewordenen Mittel können zur Deckung des Liqui­ditätsbedarfs eingesetzt werden.

Nachdem die Vermögensaufteilung in Abhängigkeit vom Risikoprofil grundsätzlich festgelegt worden ist, erfolgt die Entscheidung, welchen Banken und Vermögensverwaltern welcher Teil des Vermögens anvertraut werden soll.

Hier bieten sich unterschiedliche Vorgehensweisen an. Entweder gibt man allen die gleiche Asset Allokation vor und lässt damit den Wettbewerb der Anbieter um eine ansprechende risikoadjustierte Performance „spielen“ oder man vergibt die entsprechenden Mandate für einzelne Assetklassen. Hinzu kommt: Mit der notwendigen Expertise öffnet sich viel Spielraum beim Aushandeln der Kosten, also aller Gebühren, die von den Anbietern für den Anlageprozess einmalig und wiederkehrend in Rechnung gestellt werden.

Haben die Banken und Vermögensverwalter ihre Anlagevorschläge in entsprechende Investments umgesetzt, beginnt die eigentliche Kontrolltätigkeit. Wiederkehrende Kontrolle wird jetzt zum ausschlaggebenden Faktor.

Werden die zugesagten Konditionen von den Anbietern auch eingehalten? Eigentlich trivial, aber in der Praxis immer wieder ein Thema.

Wird das Risikoprofil des Kunden in der tatsächlichen Asset Allokation hinreichend abgebildet?

Welche aktiven Risiken fahren die einzelnen Banken und Vermögensverwalter, d.h. sind Abweichungen von der Asset Allokation des Kunden im abgesprochenen Rahmen?

Beim Hausbau vertraut man dem Architekten seiner Wahl. Wem schenkt man in der Überwachung der Vermögensanlage Vertrauen? Diese Rolle fällt traditionell Banken selbst zu. Kann aber diese Kontrolle neutral sein wie die des Architekten? Was würde man von einem Architekten halten, dessen Firma selbst den Rohbau ausführt? Daher ist neutraler Rat auch hier hilfreich.

Es ist erstaunlich, dass sich im deutschsprachigen Raum erst wenige Spezialisten um diese Kontrolle kümmern. Meist sind es Family Offices, ein Begriff aus dem englischen Sprachraum, der ursprünglich alle Dienstleistung für sehr vermögende Familien zur optimalen Bewirtschaftung ihrer privaten und unternehmerischen Vermögenswerte und Verpflichtungen in einer eigenen Gesellschaft bündelte.

Was früher milliardenschweren Familien vorbehalten war, ist heute eine Dienstleistung, die für alle privaten Kunden mit komplexeren Vermögenssituationen und mehreren Bankverbindungen Sinn macht. Als Dienstleister haben sich hier Multi-Family Offices etabliert, die bei der Strukturierung und Überwachung der Vermögensanlage unterstützen.

Vordergründig geht es darum, die verschiedenen Vermögenswerte und Verpflichtungen, aufgeteilt auf mehrere Banken und Vermögensverwalter, ganzheitlich zu bewerten und zu steuern. Dies erfordert eine Vermögenskonsolidierung aller Assets/Liabilities einschließlich von Immobilien, Beteiligungen und Versicherungen. Dieses Reporting kann vierteljährlich, monatlich oder auch in kürzeren Abständen erfolgen.

Hierauf setzt jetzt die oben beschriebene Kontrolle auf. Neben einer Vielzahl statistischer Kennziffern obliegt es dem Erfahrungsschatz des „Kontrolleurs“, also des Family Officers, wichtige Erkenntnisse und Handlungsanweisungen für die Zukunft daraus zu gewinnen. Kontrolle wird damit zu einem immer währenden Prozess.

Neutrale Kontrolle schließt jegliche form von sog. „Kick-backs“, also Rückvergütungen von Provisionen seitens der Banken und Vermögensverwalter an das Family Office aus. Sollten sie im Einzelfall vom Produktlieferanten gezahlt werden, müssen sie dem Kunden offen ausgewiesen werden. „Kick-backs“ stören sonst die Vertrauensbasis zwischen Family Officer und seinen Kunden.

Die Vergütung des Family Officers erfolgt über entsprechende Honorarvereinbarungen mit dem Kunden. Diese sind idR. vom Gesamtvermögen abhängig, können aber auch Performance-Bestandteile enthalten. In der Vergütung spiegelt sich wider, was neutraler Rat wert ist.

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Dr. Franz-Josef Lerdo

Institut für Wirtschaftsberatung

Niggemann, Dr. Lerdo & Partner Family Office GmbH

Herrliberg/Zürich

info@ifw-familyoffice.ch

Franz-Josef Lerdo hat nach maßgeblichen beruflichen Stationen im

Private Banking/Wealth Management seine Erfahrungen in ein

Family Office eingebracht. Betreut werden Kunden im gesamten

deutschsprachigen Raum.

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