Kreditklemme, weil Banken eigene Verbindlichkeiten zu niedrigen Marktwerten zurückkaufen?

by dels on 30. März 2009

Ein Leser des Blick Log hat mich auf die Idee gebracht, doch mal näher auf die Bewertungsmethoden der eigenen Verbindlichkeiten der Banken zu schauen. Auch für die Verbindlichkeiten gelte die Fair Value Option der IAS 39. In der Praxis führt die Bewertung eigener Verbindlichkeiten zum Fair Value zu dem scheinbaren Paradox, dass Banken bei hohen Risikoprämien ihre eigenen Verbindlichkeiten abwerten dürfen und damit Buchgewinne realisieren können. Ich erspare mir hier die Feinheiten dieser Vorschrift, weil es dazu viel kluges Schrifttum gibt.

Mich interessiert dabei nämlich folgende Frage: Wenn die Verbindlichkeiten der Institute einen niedrigen Marktwert haben, in welchem Umfang kaufen dann Institute eigentlich eigene Forderungen zum Marktwert zurück und welchen Einfluss hat dies auf die Kreditvergabe. Die Überlegung dabei: Kauft eine Bank eigene Verbindlichkeiten zum Marktwert zurück und liegt der Marktwert unter dem Nennwert, dann realisiert die Bank einen Buchgewinn.

Am Freitag berichteten die FTD und Investors Insite von entsprechenden Praxisfällen. So hat die mit Milliardenverlusten kämpfende Schweizer UBS in der vergangenen Woche ausstehende Anleihen im Nennwert von 552 Mio. € vorzeitig zurückkauft. Gezahlt hat sie dafür 352 Mio. € und somit einen Buchgewinn von 200 Mio. € realisiert. Dieser Fall hat dann auch sogleich Nachahmer gefunden, wie die FTD berichtete. Die britische Royal Bank of Scotland hat ein Angebot für den Rückkauf eigener Nachranganleihen im Volumen von 17 Mrd. Euro bekannt gegeben. Zuvor hatten die britische Lloyds, der Banco Popolare sowie der Banco Sabadell den Ankauf eigener Nachrangpapiere im Volumen von insgesamt knapp 10 Mrd. Euro angekündigt.

Für diesen Rückkauf benötigt eine Bank natürlich entsprechende Mittel, über die sie entweder verfügt, weil sie Liquidität hortet oder sich am Markt beschaffen muss. Sollte der Kapitalmarkt einigermaßen funktionieren, dann kann die Refinanzierung nicht günstiger erfolgen als zum impliziten Marktzins der ausstehenden Anleihen. Anders ausgedrückt: Werden ausstehende Anleihen mit einem Risikoabschlag gehandelt, dann zahlt eine Bank auch für neues Kapital einen Risikoaufschlag. Die Effekte müssten sich über Arbitragetransaktionen kompensieren. Damit lohnt dieser Weg normalerweise nicht. Es sei denn, die Neuaufnahme von Mitteln wird staatlich unterstützt, wie etwa durch eine Garantie.

Und diesen Weg ist offensichtlich die UBS gegangen. Finanziert haben soll die Bank die Käufe aus den Erlösen einer Pfandbriefanleihe, die sie unter der Schirmherrschaft der Schweizerischen Nationalbank begeben hat. Nun kenne ich weder die Konditionen dieser Pfandbriefanleihe noch die genauen Gepflogenheiten der Schweizer Unterstützungsmaßnahmen für die Banken. Aber offensichtlich hat die UBS zinsgünstige Mittel aufnehmen können und damit eigenen Anleihen zurückgekauft. Sollten die veröffentlichten Daten über die Rückkaufwerte stimmen, dann sind solche Geschäfte deutlich lukrativer für eine Bank als Kredite an Unternehmen herauszugeben.

Wenn diese Praxis Schule macht, dann könnten die staatlich unterstützten Refinanzierungen nicht dazu verwendet werden, die Kreditvergabe für Unternehmen wieder auf Touren zu bringen, sondern die eigene Bilanz und GuV zu stärken. Aus Sicht der Banken ist dies nachvollziehbar und vollkommen rational. Der garantierenden staatlichen Institution kann dies nicht egal sein, weil so die Kreditklemme weiter verstärkt wird.

Der Effekt ist übrigens ähnlich, wenn Banken Teile ihre liquiden Mittel dazu verwenden, statt Unternehmenskredite zu vergeben, eigene Verbindlichkeiten zurückzukaufen. Auch dies lohnt sich, wenn der risikoangepasste Kreditzins für Unternehmen unter der Rückkaufrendite für eigene Anleihen liegt. Oder Banken könnten, sofern die Notenbank wie in den USA Assets nicht nur beleiht sondern kauft, solche Erlöse für den Rückkauf verwenden. Ob sich solche Transaktionen lohnen hängt letztlich immer von den jeweiligen Bewertungen und Zinssätzen ab.

Allen Fällen ist gemeinsam, dass die Kreditvergabe an Unternehmen dadurch nicht gefördert, sondern sogar eingeschränkt wird und sich damit die Kreditklemme verschärft.

Nixda März 31, 2009 um 07:48 Uhr

Nachtrag: Tritt der Effekt bei Anwendung von IAS 39 auf, oder eben dann gerade nicht?

Wenn die Verbindlichkeiten zu Nennwerten bilanziert werden, dann ist ein Ankauf auf dem Markt gewinnwirksam.

Wenn die Verbindlichkeiten zu Marktwerten bilanziet werden, dann verkürzt ein Ankauf auf dem Markt auf beiden Seiten der Bilanz gleichermaßen. Allerdings hatte die Abwertung der Verbindlichkeiten bereits gewinnwirksamen Effekt. Man stelle sich das mal GM vor, wenn die Verbindlichkeiten nur noch zu 20% in der Bilanz stehen würden.

enigma März 31, 2009 um 03:58 Uhr

Ich denke mal, daß es sich um eine ganz verteufelte Marktverzerrung handelt, die durch die Staatsgarantien für die Banken entstanden ist. Denn dadurch ist die Liquidität der Banken sozusagen gesichert worden, weswegen sie, wie im Beitrag angemerkt, sich zu günstigeren Konditionen refinanzieren können als der Rest der Wirtschaft. Das bedeutet, daß die Verbindlichkeiten der Banken nicht deswegen mit Abschlag gehandelt werden, weil Bankverbindlichkeiten mit einem hohen Risikoabschlag zu kämpfen haben, sondern weil der Nichtbankensektor langsam in eine Liquiditätsklemme hereinrutscht und deswegen einen Vorfälligkeitsabschlag hinnehmen muß. Das ist auf gut Deutsch ein Alarmsignal, welches auf der einen Seite aus dem Konjunktureinbruch herrührt, der, auf der anderen Seite, natürlich dazu führt, daß die Banken keine Lust mehr haben, irgendwelche Kredite zu vergeben. Nehmen wir dann noch, frei nach Tobin´s Q, den Umstand dazu, daß die Marktbewertungen der Unternehmen kleiner sind als deren Wiederbeschaffungskosten, müßten wir eigentlich in einer Welt leben, die davon geprägt ist, daß Haufen von private equity Firmen ihr originäres Geschäft betreiben. Und warum passiert das nicht? Weil zur Zeit niemand Lust hat, die Übernahmekredite zu finanzieren. Warum ist das so? Weil die zukünftigen Zahlungsströme, die heutzutage erwartet werden können, im Grunde genommen bei Unternehmen einen „negativen“ internen Zinssatz aufweisen (jetzt mal jenseits aller Probleme mit diesem Konzept), und zwar im Vergleich mit den mickerigen, aber durch Staatsgarantien abgesicherten Bankrenditen (mal abgesehen von Staatswertpapieren).
Soll heißen: die Kreditklemme gibt es, weil die Gewinnerwartungen mau sind, Liquidität gibt es aber reichlich, wenn man berücksichtigt, daß nach einem Jahr Kreditausterität aus den laufenden Tilgungszahlungen die entsprechenden Liquiditätspolster bei den Banken gewachsen sind. Wenn´s nicht so dämlich klingen würde, könnte man sagen, daß die Unternehmen sich einem „liquitity squeeze“ ausgesetzt sehen, also reden wir einfachheitshalber mal davon, daß der Liquiditätsstatus der Unternehmen mittlerweile Alarmstufe ROT zeigt! Und das ist noch die optimistische Variante: wenn es so sein sollte, daß inzwischen die Versicherer nicht mehr wissen, wie sie ihre Zahlungsverpflichtungen decken sollen weil das Neugeschäft eine empfindliche Delle hat, dann: arme Rentner und gute Nacht!

Nixda März 31, 2009 um 01:17 Uhr

Einspruch! Zum Teil zumindest.

Effekt dieser Rückkäufe ist eine Bilanzverkürzung. Wenn die Bank Papiere kauft, die nicht zu ihrem Kernkapital zählen, gesundet sie ihre Bilanzrelationen sogar noch schneller, und zwar nicht auf Kosten der Steuerzahler, sondern quasi über die (gerechtfertigten) Verluste der Kreditgeber. Wenn die Bilanz auf diese Art gesundet ist, kann der Staat seine Kreditgarantieen zurückziehen.

Mir scheint das am Ende weniger Moral Hazard zu haben, als die Verluste nur vom Staat zahlen zu lassen.

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