Managementausbilder: “Manager überschätzen sich”

by dels on 3. April 2009

Ein nachdenklich machendes Interview mit dem Professor für strategisches Management an der Universität St. Gallen, Christoph Lechner, ist in der aktuellen Ausgabe des Harvard Business Manager zu lesen (jetzt auch online). Lechner hat lange darüber nachgedacht, welche Erkenntnisse seiner Disziplin durch die aktuelle Krise ungültig geworden sind. Es sieht allerdings wenig, was im Widerspruch zu den bisher veröffentlichten Erkenntnissen steht. Im Klartext bedeutet dies, viele Manager haben die Erkenntnisse der Managementliteratur ignoriert.

Er erwähnt als Beispiel den Herdentrieb von Managern. “Durch Nachahmung breiten sich ähnliche strategische Entscheidungen von Unternehmen zu Unternehmen aus, die, mit Abstand betrachtet, wenig rational sind.” Konkret denkt Lechner dabei an das Subprime-Geschäft in den USA, als an die berüchtigten Hypothekengeschäfte mit Kreditnehmern schlechter Bonität.

Defizite in der Managementausbildung selbst sieht er nicht. “Es wird also meist nichts Falsches gelehrt, sondern zu wenig vom Richtigen”. Immerhin will er aber die Ausbildung über Fallstudien hinaus auch auf kausale Zusammenhänge erweitert wissen. Dies ist nach meiner Auffassung einer der größten Kritikpunkte an vielen Businessschools aber auch an vielen Artikeln sogenannter “Managementgurus”. Sie schließen häufig von wenigen beobachteten Praxisbeispielen auf Allgemeingültigkeit bestimmter erfolgreicher Strategien und Verhaltensweisen und erklären sie dann für allgemeingültig.

Ein weiteren Grund, warum viele Manager das Wissen der Business-Schools nicht anwenden sieht Lechner  in den monetären und institutionellen Anreizen in der Praxis. Dadurch schieben Manager häufig ihr Wissen beiseite. Viele Vergütungssysteme begünstigen das Eingehen hoher Risiken, weil sie Erfolge belohnen, Misserfolge aber nicht bestrafen.

Und schließlich folgt auch der Headline-Satz: „Führungskräfte großer Unternehmen, egal welcher Branche, überschätzen oft ihre Fähigkeiten, die Komplexität ihrer Geschäfte zu managen.“

Ich denke aber die Aussagen von Lechner gehören richtig eingeordnet.

1. Selbstüberschätzung ist kein Phänomen von Managern. Selbstüberschätzung (Overconfidence) ist ein bekanntes Phänomen, das z.B. auch bei Analysten und Börsenprofis zu beobachten ist. Insgesamt zeichnen sich erfahrene Profis dadurch eher aus, da sie mehr Vertrauen in ihr Wissen und ihre Fähigkeiten legen, als Kollegen mit weniger Erfahrung. Overconfidence (auch Overconfidence-Bias) beschreibt ein übersteigertes Selbstvertrauen, das sich in systematischer Selbstüberschätzung in Bezug auf eigenes Wissen und eigene Bewertungen ausdrückt.

2. Das, was vermeintlich auf den ersten Blick irrational aussieht, ist  evolutionär gesehen sogar notwendig. Denn  Unternehmer und Manager müssen bereit sein, Risiken einzugehen und mit den daraus resultierenden Unsicherheiten fertig werden können. Verharren sie im Zaudern oder in Angst, sich selbst zu überschätzen, würden viele Investitionen möglicherweise gar nicht erst getätigt werden. Und ich wage mal die Behauptung: Viele ökonomische Wagnisse, zahlen sich auf lange Sicht eben doch aus.

Comments on this entry are closed.

Previous post:

Next post: