Handelsblatt Inside

by Dirk Elsner on 5. April 2009

Am vergangenen Mittwoch hatte ich die große Freude, das Handelsblatt in Düsseldorf besuchen zu können. Ich habe mich dort mit Olaf Storbeck getroffen, der die Ökonomie-Seite der Zeitung verantwortet. Es war längst nicht mein erster Besuch bei einem Medium. Aber bisher hatte ich noch nie das Vergnügen, bei einer Konferenz lauschen zu dürfen. Dies ist beim Handelsblatt möglich, weil die Blattmacher sich nicht abgeschottet hinter Glaswänden einschließen, sondern an einem Konferenztisch am Rande eines Großraumbüros tagen.

In dieser Mittagskonferenz ging es um die Platzierung der Beiträge für die Printausgabe des nächsten Tages. Zwei Dinge sind mir dabei besonders aufgefallen:

1. Es hat sich wieder einmal bestätigt, und das läuft bei anderen Medien nicht anders, wie sehr bei Themen nach Konfliktstoffen gesucht wird. Sie eignen sich wohl einfach besser als Aufmacher. Auch in dieser Konferenz spielten die Flut negativer Meldungen eine zentrale Rolle.

2. Beeindruckt hat mich die Sorgfalt, mit der vorgegangen wird. So wurde ein heikles Thema in der angedachten Form wieder verworfen, weil es nur eine Quelle gab: “Bring mir eine zweite Quelle, dann setzen wir das an eins.” hieß es vom Leiter der Runde.

Im Zweifel, so Storbeck, habe das Handelsblatt so zwar manchmal eine wichtige Schlagzeile verpasst, weil man keine zweite Quelle hatte. Noch häufiger sei es aber, dass Konkurrenzblätter eine nur durch eine Quelle bestätigte Exklusivmeldung später zurücknehmen oder relativeren mussten.

Storbeck und ich nutzen das Mittagessen und den weiteren Nachmittag, um auf das Verhältnis zwischen Blogs, Wirtschaftsblogs und Medien zu schauen und haben uns die “ewige Frage” gestellt, ob und wie Medien mit dem Web selbst Geld verdienen können. Blogs und Presse tasten sich in Deutschland noch sehr langsam ab. Die Pressemedien übersehen gern, dass es in der Blogszene viele Fachleute gibt, die durchaus sehr kompetent (dabei nicht unbedingt journalistisch elegant) zu bestimmten Themen schreiben und das, wie auch der Blick Log, meist nur nebenbei. Andererseits gibt es aber auch viele Beiträge, die nur Stammtischqualität erreichen. Für Journalisten sei es hier schwer in der Informationsflut, die Qualität in den Blogs herauszufiltern.

Die Frage, ob Blogs auf Medien herabsehen würden, verneinte ich ganz deutlich. Ich denke auch, dass dies sehr anmaßend wäre. Persönlich bin ich auch der Auffassung, dass die Blogs die Medien benötigen, weil viele Blogs andernfalls kein gutes Quellmaterial hätten. Blogs haben aber die Möglichkeit, Themen anders auszuleuchten, weiter zu entwickeln und vor allem anders zu verlinken.

Beim Thema Verlinkung herrscht bei klassischen Medien häufig noch die Ansicht, durch Links auf andere Webseiten verliere man Leser. Nach meiner Auffassung vergeben hier Medien die große Chance, noch mehr Kompetenz zu signalisieren. Blogs nutzen viel intensiver die Chance, auf verschiedene Quellen zu einem Thema zu verlinken, was interessierten Lesern die Option eröffnet, ein Thema vertiefen zu können. Immerhin zeigt sich das Handelsblatt ja experimentierfreudig und öffnet sich stärker als ihre Hauptkonkurrenten durch die Integration von Bloglinks via Twingly.

Wir haben uns aber nicht getroffen, um das Web 2.0 neu zu definieren, sondern hauptsächlich um über verschiedene Aspekte der Finanzkrise zu sprechen. Das fand ich sehr spannend, weil der persönliche Austausch über die Vielfalt der Themen, die dieses “Jahrhundertereignis der Ökonomie” mit sich bringt,  immer noch viel wertvoller ist, als sich über Webseiten, Mails, Twitter und Co.  zu informieren oder virtuell darüber zu diskutieren.

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