Ein Ex-Banker rührt sich zur Finanzkrise

by Dirk Elsner on 6. April 2009

Sehr unangenehm fällt in diesen Monaten das Schweigen der Banker zur Finanzkrise auf. Erstaunlich, dass der öffentliche Druck trotz der Milliardenverluste und der Staatshilfen noch nicht größer geworden ist. In den USA und in Deutschland überwiegt die öffentliche Zurückhaltung der Bank-CEOs. Die New York Times führt das auf den Rat von PR- und Rechtsexperten zurück, die empfehlen angesichts des öffentlichen Ärgers in Deckung zu verharren. Nun hat sich im Handelsblatt ein Ex-Banker gemeldet. Leonhard Fischer schießt gegen seine Ex-Kollegen. Hier Auszüge aus dem Interview:

HB: Ihre Zunft steht aufgrund der Finanzkrise massiv in der Kritik. Kurz vor dem G20-Treffen mahnte etwa Bundespräsident Horst Köhler die Banker, endlich öffentlich Selbstkritik zu üben. Fühlen Sie sich noch wohl in Ihrer Haut?

Fischer: Ich arbeite zwar seit über zwei Jahren nicht mehr als Banker, aber immer noch in der Finanzindustrie. Damit muss ich konzedieren, dass wir, die in der Finanzindustrie arbeiten, uns kollektiv blamiert haben.

Wie konnte es so weit kommen?

Das werden wir wahrscheinlich erst in einigen Jahren in seiner Gesamtheit verstehen. Aus meiner Sicht gab es hauptsächlich zwei treibende Faktoren: Der erste liegt in der Verantwortung von uns, der Finanzindustrie: Wir haben auf unserem wichtigsten Gebiet, dem Risikomanagement versagt. Und zwar in einem Maße, das nur schwer nachvollziehbar ist.

Warum?

Wir sind einer Risikoillusion erlegen. In den letzten15 Jahren war es eine weit verbreitete Annahme, die Risiken einer Bankbilanz, eines komplizierten Anlageproduktes geschäfts oder eines Investmentgeschäfts könne man mit derselben Genauigkeit und Prognosewahrscheinlichkeit modellieren wie naturwissenschaftliche Prozesse. Diese Übermathematisierung ist kolossal und katastrophal gescheitert. Es bleibt die Erkenntnis, dass man eine große Bilanz – ich vergleiche das hier mal mit einem Flugzeug – nicht nur mit dem Autopiloten fliegen darf. Man muss auch wirklich etwas vom Fliegen verstehen, um die Grenzen der Belastbarkeit des Flugzeuges zu kennen.

In der Folge findet Fischer dann aber auch weitere Schuldige der Finanzkrise, wie die Geldpolitik der US-Notenbank oder der US-Immobilienmarkt. Interessant finde ich seine Äußerungen zur Lehman-Pleite: “… ich glaube, dass Lehman heute von vielen einfach nur als Ausrede benutzt wird, um davon abzulenken, dass man vielleicht die Krise unterschätzt hat. Ich bin froh, dass die Lehman-Pleite so gekommen ist. Weil sie dazu geführt hat, dass wir gezwungen wurden, das Ausmaß und den Umfang dieser Krise anzuerkennen und Gegenmaßnahmen einzuleiten.“

Joss April 6, 2009 um 07:36 Uhr

Einen recht interessanten Artikel gab es in der Wiener „Presse“, in der oesterr. und
deutsche Investmentbanker in London befragt werden und da wird recht interessant
ausgepackt:
http://diepresse.com/home/wirtschaft/economist/467509/index.do?from=gl.home_Wirtschaft

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