Serie Operatives Krisenmanagement: Übersicht, Sanierungskonzept und Maßnahmen zur Verbesserung der Liquidität

by Dirk Elsner on 12. Mai 2009

Dieser achte Beitrag der Serviceserie* zum Krisenmanagement für den Mittelstand (Übersicht hier) steigt ein in das operative Management kritischer Unternehmenssituationen. Eine Beschreibung des operativen Krisenmanagements müsste aufgrund der Vielfalt der betrieblichen Praxis so viele Aspekte umfassen, wie es Unternehmen gibt. Um also einen praktischen Mehrwert dieser Artikelserie zu erreichen, beschränkt sich diese Serie auf ausgewählte Aspekte. Dennoch erreicht sie durch das Zusammenspiel von Artikeln mit den entsprechenden Mindmaps eine sehr umfassende öffentlich verfügbare Darstellungen des operativen Krisenmanagements. Artikel und Mindmaps sollen Anregung sein, um Unternehmern und Managern die Orientierung über Vorgehen und Maßnahmen zu erleichtern[1].

image

Abb: Übersicht Krisenmanagement (aktuelle und umfangreichere Version der Mindmap hier abrufbar)

Im Rahmen der Artikelserie umfasst das operative Krisenmanagement vier Teilabschnitte:

  • Übersicht, Sanierungskonzept und Maßnahmen zur Verbesserung der Liquidität
  • Maßnahmen zur Deckung des Kapitalbedarfs
  • Leitfaden Umstrukturierungen
  • Kommunikation in Krisenzeiten

Neben den in diesem Beitrag und weiteren Beiträgen folgenden Hinweisen ergeben sich selbstverständlich umfangreiche operative Handlungsansätze aus der Ursachenanalyse und den dazu bereit gestellten Mindmaps. Diese Punkte werden in diesem Abschnitt nicht noch einmal aufgegriffen. Die daraus abgeleiteten Maßnahmen zur Abstellung der festgestellten Mängel gehören allerdings in eine gute Projektplanung.

Sanierungskonzept

Der Begriff des Sanierungskonzeptes wird auf unterschiedliche Weise interpretiert. Der Begriff ist aber nicht in der Weise belegt, dass mit einem Sanierungskonzept stets die Annahme einer drohenden Zahlungsunfähigkeit verbunden ist und ein Sanierungskonzept erst erstellt wird, wenn sich ein Unternehmen in einer fortgeschrittenen Krisenphase befindet.

Der Begriff „Sanierung“ kommt ursprünglich aus dem Lateinischen und bedeutet soviel wie „heilen“ oder „gesund machen“, mit anderen Worten die (Wieder-) Herstellung eines überlebensfähigen Systems. Auf Unternehmen bezogen bedeutet das, die Fähigkeit (wieder-) zu erlangen Störungen zu kompensieren, so dass das wirtschaftliche Überleben des Systems „Unternehmen“ gesichert ist[2]. Von der Horst schlägt dazu folgendes Vorgehensmodell vor:

clip_image002

Abb: Vorgehensmodell Sanierung

Während das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) sehr hohe Maßstäbe an ein Sanierungskonzept legt[3], werden in der Praxis auch zweiseitige Powerpointfolien als Sanierungskonzept bezeichnet. Ob eine solche Präsentation allerdings Basis für eine Sanierung sein kann, darf bezweifelt werden. Dennoch sollte man nicht verzagen, wenn man das Verständnis des IDW liest:

Ein derartiges Konzept enthält in seinem ersten Teil Aussagen über tatsächliche wesentliche Unternehmensdaten, Ursachen- und Wirkungszusammenhänge sowie rechtliche und ökonomische Einflussfaktoren. Es beschreibt dann auf der Grundlage einer systematischen Lagebeurteilung die im Hinblick auf das Leitbild des sanierten Unternehmens zu ergreifenden Maßnahmen und quantifiziert deren Auswirkungen im Rahmen einer integrierten Liquiditäts-, Ertrags- und Vermögensplanung (integrierte Planung). Es muss hinsichtlich der Durchsetzung der vorgesehenen Beiträge der betroffenen Interessengruppen, wie vor allem der Gesellschafter, der Kreditgeber, des Managements und der Arbeitnehmer, sowie bezüglich der Umsetzung der erforderlichen operativen und strategischen Restrukturierungsmaßnahmen realisierbar sein.“

An anderer Stelle ergänzt das IDW[4]: “Ein Sanierungskonzept liegt nur dann vor, wenn darin zugleich die Probleme aller bereits durchlaufenen Krisenstadien aufgearbeitet werden. Nur bei einem derartigen umfassenden Sanierungskonzept kann eine sachgerechte Aussage über die Sanierungsfähigkeit eines Unternehmens getroffen werden.”

Im Prinzip hängen die Anforderungen an das Konzept vom Adressaten ab. Dient das Konzept nur als interne Vorlage, werden andere Maßstäbe angelegt, als wenn das Konzept auch insolvenzrechtlichen Anforderungen gerecht werden muss.

Wer indes einen Wirtschaftsprüfer einschaltet, der sollte einen Blick in die erwähnten Anforderungen an Sanierungskonzepte werfen, weil so der Aufwand für ein „wirtschaftsprüfersicheres“ Konzept deutlich wird.

Wer nach der Lektüre tief ausatmet, sollte sich bewusst machen, dass ähnliche Anforderungen häufig von externen Kapitalgebern im Rahmen einer Kreditprüfung, einer öffentlichen Bürgschaft oder einer Due Diligence gestellt werden. Dabei muss es sich nicht einmal um ein Sanierungskonzept i.e.S. handeln, sondern es kann sich z.B: um einen Businessplan handeln, mit dem neue Eigenkapitalgeber gewonnen werden sollen. Folgende Inhalte schlägt das IDW als Gliederung vor[5]:

  1. die Darstellung der wirtschaftlichen Ausgangslage
  2. die Analyse von Krisenstadium und –ursachen
  3. die Darstellung des Leitbilds des sanierten Unternehmens
  4. die Maßnahmen zur Bewältigung der Unternehmenskrise
  5. ein integrierter Unternehmensplan.

Liquiditätsmanagement

In einer akuten Krise schlägt die Stunde der Liquiditätspolitik: Konkret geht es um alle Maßnahmen, die die Ausstattung mit Zahlungsmitteln verbessern, wie das Abstoßen von Vermögensteilen oder im Zweifel auch Notliquidierungen.

Ob in dieser Situation noch Kredite mobilisiert werden können, hängt von der Einschätzung der Partner auf den Finanz- und Kapitalmärkten ab. Die Sicherung der Zahlungsfähigkeit hat in einer akuten Krisensituation absoluten Vorrang vor dem Streben nach Gewinn. Bei allen Aktionen hat die Sicherheit und Geschwindigkeit der Zahlungswirkung Vorrang vor den üblichen Bedenken, Verluste und Markteinbußen hinnehmen zu müssen.

In diesem und einem Folgebeitrag wird differenziert in:

  • Maßnahmen zur Optimierung der Liquidität
  • Maßnahmen zur Deckung des Kapitalbedarf

Die beiden Pakete unterscheiden sich durch ihre Fristigkeit und dadurch, dass man die Liquiditätsoptimierung vorwiegend selbst betreiben kann, während man zur Deckung des Kapitalbedarfs auf Kapitalgeber angewiesen ist. In der Praxis können die Grenzen zwischen den Ansätzen fließend sein.

Ein weiteres Maßnahmenpaket ergibt sich aus Umstrukturierungen, denen ein eigener Beitrag gewidmet wird.

Maßnahmen zur Optimierung der Liquidität

Die Liquidität eines Unternehmens wird in Krisenzeitung als kritischster Faktor angesehen. Bekanntlich versteht man darunter, die Fähigkeit seine Verbindlichkeiten fristgerecht und ohne Einschränkungen begleichen zu können.

Hilfreich für das praktische Liquiditätsmanagement ist eine weite Definition, wie sie z.B. das ehrwürdige Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaft bietet:

„Liquidität kann auch definiert werden als Fähigkeit eines Wirtschaftssubjekts, durch Übertragung geeigneter Vermögensgegenstände an andere Rechtssubjekte stets vertrags- und usancengemäß zu leisten[6].

Diese breite Definition ist deswegen hilfreich, weil es bei den Maßnahmen zur Optimierung der Liquidität nicht allein darum geht, den Kontostand zu erhöhen. So gehören zu den liquiditätsstabilisierenden Maßnahmen auch Aktivitäten, die die Fristigkeiten von Verbindlichkeiten ändern. So kann man z.B. mit einzelnen Gläubigern verhandeln, um unmittelbar bevorstehende Vollstreckungen abzuwenden.

Selbstverständlich gehören auch alle Maßnahmen zur Optimierung der Liquidität, die aktuell die Kosten senken. Wir bereits an anderer Stelle hingewiesen, ist es dabei aber wichtig, sich nicht durch liquiditätsinduzierte kurfristige Kostensenkungen mittel- bis langfristig zusätzliche Probleme einzuhandeln. Es bietet sich daher an, entsprechende Prioritäten festzulegen, die natürlich abhängig sind vom verbleibenden Handlungsspielraum der jeweiligen Krisenphase.

In der Praxis erfolgt die Liqudititätssteuerung über die Kontokorrentkonten des Unternehmens. Für eine sorgfäl­tige Liquiditätssteuerung ist daher eine vollständige und ständig aktualisierte Übersicht der Zahlungsein- und –ausgänge erforderlich. Ohne eine aktuelle Liquiditätsplanung wird man hier kaum die Übersicht behalten können.

Die folgende Mindmap „Maßnahmen zur Optimierung der Liquidität“ zeigt eine große Auswahl von Maßnahmen, die ich aus eigener Erfahrung kenne und ergänzt habe um Vorschläge aus verschiedenen Literaturquellen. Weitere Maßnahmen werden Unternehmen, wie schon erwähnt, ableiten können aus der Übersicht „Auswahl von Krisenursachen und –indikatoren“.

Die Maßnahmen sollten sich im Prinzip selbst erklären. Unternehmen sollten den Katalog als Checkliste in ihrem Führungskreis und/oder gemeinsam mit ihrem Berater verwenden und um weitere unternehmensspezifische Maßnahmen erweitern.

image

Abbildung: Ausgewählte Maßnahmen zur Optimierung der Liquidität (aktuelle und umfangreichere Version der Mindmap hier abrufbar)


* Die Beweggründe für diese serviceorientierte Serie sind in diesem Beitrag dargelegt. Der Autor, Dirk Elsner, lebt in Bielefeld und ist Senior Berater der INNOVECS GmbH und berät und unterstützt Unternehmen deutschlandweit. Er hat als Bereichsleiter in Banken und Geschäftsführer in mittelständischen Unternehmen gearbeitet und kennt die Praxis kritischer Unternehmenssituationen und die Anforderungen von Banken und Investoren aus erster Hand. Sie erreichen ihn unter dirk.elsner[at]innovecs.de.


[1] Wenn ich selbst in einem Unternehmen starte, das ich nicht kenne, dann verwende ich zunächst ebenfalls Mindmaps als Strukturierungsbasis, um darauf aufbauend für das jeweilige Unternehmen ein entsprechendes Konzept zu entwickeln. In der Praxis bedeutet dies, dass einige Aspekte der Maps gar nicht betrachtet werden, andere dafür wesentlich intensiver zu erweitern sind.

[2] Klaus J. vor der Horst, Warum Unternehmenssanierungen oft scheitern, o. Jg., S. 1

[3] Entwurf IDW Standard: Anforderungen an die Erstellung von Sanierungskonzepten (IDW ES 6) , Stand 1.8.2008, S. 4.

[4] Entwurf IDW Standard: Anforderungen an die Erstellung von Sanierungskonzepten (IDW ES 6) , Stand 1.8.2008, S. 5.

[5] Entwurf IDW Standard: Anforderungen an die Erstellung von Sanierungskonzepten (IDW ES 6) , Stand 1.8.2008, S. 3.

[6] Vgl. Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaft: (HdWW), Band 5, S. 50.

Comments on this entry are closed.

Previous post:

Next post: