Krisenmanagement: Mögliche Ursachen von Unternehmenskrisen

by Dirk Elsner on 29. April 2009

Dieser fünfte Beitrag der Serviceserie* zum Krisenmanagement für den Mittelstand (Übersicht hier) fasst das heikle Thema Krisenursachen an. Nach der Vorstellung der Krisenphasen und der Krisendiagnose geht es in diesem Beitrag und vor allem in den dazu gehörenden Mindmaps um die tatsächlichen Gründe für eine Unternehmenskrise.

Untersuchungen zeigen, dass meist nicht äußere Umstände eine Krisensituation verursachen, sondern interne Gründe vorliegen[1]. Menschen neigen dazu, Schuld und Ursache für unangenehme Ereignisse an allen möglichen Stellen, nur nicht bei sich selbst zu suchen. Im Fall eines von einer Krise betroffenen Unternehmens ist das wenig hilfreich, selbst wenn wie bei der aktuellen Finanzkrise, die ursprünglichen Verursacher außerhalb des Unternehms liegen.

image

Abbildung: Krisenursachen und –indikatoren (aktuelle und umfangreichere Version der Mindmap hier abrufbar)

Carroll und Mui kommen zu dem Schluss, dass die Mehrzahl der Krisen das Ergebnis falscher Strategien ist und nicht die Folge mangelhafter Umsetzung[2]. Die Ergebnisse der betriebswirtschaftlichen Krisenursachenforschung sind allerdings vielfältiger und eher uneinheitlich. Die Krisenursachenforschung zeigt eine hohe Komplexität der Krisenursachen und ein Zusammenspiel verschiedener verursachender Faktoren. Sehr selten sind Krisen nur einem Verursachungsfaktor zuzuordnen. In der Praxis wirken verschiedene interne und externe Faktoren zusammen, die eine Krise sichtbar werden lassen[3].

Erst mit einer fundierten Einschätzung der Krisenursachen können die richtigen Schritte für eine Sanierung unternom­men werden. In der Regel sollten Unternehmen schon bei der Analyse dieser Krisenur­sachen externen Sachverstand hinzuziehen[4].

Übrigens, einen ganz pragmatischen Grund für die kritische Ursachenanalyse nennt die GBI: „In einer Situation der Überschuldung und/oder Zahlungs­unfähigkeit, die z. B. durch bedeutende Forderungsausfäl­le oder auch durch auf Naturereignissen beruhende Be­triebsstörungen hervorgerufen wurde, sind die Aussichten auf öffentliche Finanzierungshilfen wie z. B. Bürgschaften natürlich besser als in Situationen, in denen der Unterneh­mensführung schwerwiegende Managementfehlleistungen zugerechnet werden müssen.“ [5]

Mögliche Krisenursachen

Während bei der Krisendiagnose vorwiegend die Zahlen erhoben werden, geht es bei der Ursachenanalyse also um Erklärungsansätze für die Krise. Zur Einstimmung hier zunächst Ergebnisse aus einer Untersuchung von Creditreform, die folgende Insolvenzgründe identifiziert hat:

  • 71,4% Managementfehler
  • 34,4% Absatz, Auftragslage, Konkurrenz
  • 20,4% Probleme mit Finanzierung und Liquidität

Der Kreditversicherer Euler Hermes befragte 2006 125 erfahrene Insolvenzverwalter nach den Ursachen von Insolvenzen und kommt zu folgendem Ergebnis: zu 71% wird „die Geschäftsführung“ als Insolvenz-Ursache entlarvt.

Hinter den Managementfehlern und Versäumnissen der Geschäftsführung verbergen sich

  • 79% fehlendes oder mangelhaftes Controlling
  • 76% Finanzierungslücken
  • 72% unangepasste Strategie und Vermarktungskonzept (Marketing)
  • 64% unzureichendes Debitorenmanagement/Mahnwesen
  • 57% autoritäres, rigides Führungsverhalten
  • 44% mangelhafte Transparenz, Organisation und Kommunikation

Dies sind jedoch zunächst nur Schlagworte, die für die praktische Krisenanalyse nicht besonders hilfreich sind. Außerdem entsteht eine Krise meist durch das Zusammenwirken verschiedener Faktoren. Gerät ein Unternehmen in welcher Form auch immer durch externe Auslöser in Schwierigkeiten, dann müssen die Ursachen in jedem Fall auch intern gesucht und angegangen werden. Und diese Ansätze können sehr vielfältig sein.

Aufgrund der beschränkten Darstellungsmöglichkeiten habe ich die Zusammenstellung der Krisenursachen und –indikatoren wieder in Mindmaps ausgelagert. Das erleichtert die strukturierte Übersicht und spart in diesem Text Platz. Beim “Surfen” durch die Mindmaps wird man einen Überblick erhalten über die Vielfalt der Ursachen. Dabei können die hier gelieferten Zusammenstellungen lediglich eine Auswahl der Krisenursachen darstellen. Je nach Unternehmenstyp, Branche oder Markt wird die Darstellung zu ergänzen sein.

image

Abbildung: Institutionelle Krisenursachen (aktuelle und umfangreichere Version der Mindmap hier abrufbar)

Widerstände bei der Ursachenanalyse

Bei der Ursachenanalyse in Eigenregie muss je nach Unternehmensgröße stets damit gerechnet werden, dass interessengeleitete “Nebelkerzen” die Klärung erschweren. Auch persönliche Verbindungen können hinderlich sein für eine möglichst objektive Darstellung der Ursachen. Daher ist wichtig, vor allem auch das Vertrauen der Führungskräfte zu gewinnen und deutlich zu machen, dass es nicht um persönliche Schuldzuweisungen geht. Allerdings sollte man hier realistisch einschätzen, dass es in der Unternehmenspraxis immer auch um die persönlichen Interessen der Führungskräfte und Mitarbeiter geht. Daher ist gerade bei der internen Analyse immer wieder mit offenen und verdeckten Widerständen zu rechnen und dem Versuch, die Problemdiagnose zu den eigenen Gunsten zu beeinflussen.

Manche Führungskräfte neigen dazu, sich vor ungünstigen Informationen abzuschotten, Informationsverbindungen zu kappen und dem kritischen Diskurs über unangenehme Themen auszuweichen. Ein solches „Fluchtverhalten“ wird von der Harvard Ökonomin Rosabeth M. Kanter anhand eines Beispiels beschrieben: „Je prekärer die Lage wurde, desto mehr schotteten sich die Führungskräfte voneinander ab … oder gingen einander aus dem Weg. Da niemand gern schlechte Nachrichten hört, beschränkten die Manager den Austausch mit Angestellten und untereinander auf ein Minimum. Dabei wollten sie die Probleme keineswegs vertuschen – sie fanden nur Entschuldigungen, Konferenzen abzusagen oder zu verschieben.“[6]

Nach Auffassung des Managementprofessors, Edgar E. Schein vom Massachusetts Institute of Technology ist äußerer Druck notwendig, wenn Veränderungen vorangetrieben werden sollen. Vor der Horst schreibt dazu: „Für das Individuum ist es einfach nicht angenehm, seine Werte und Überzeugungen aufzugeben. Gerade bei inhabergeführten Klein- und Mittelbetrieben ist zu geringer Veränderungsdruck in der Frühphase der Krise ein wesentlicher Grund dafür, warum Sanierungsbemühungen erst sehr spät und halbherzig anlaufen.“ [7]

Ein weiterer Grund für die verzögerte Wahrnehmung von Krisen liegt nach Auffassung von vor der Horst darin, „dass in Deutschland die „Kultur des Scheiterns“ höchst unterentwickelt ist. Im internationalen Vergleich trägt der Gescheiterte vor allem in Deutschland ein Kainsmal. … Die Verdrängung von unangenehmen Fakten, die Angst vor dem Scheitern und der Selbstbetrug scheinen also auch durch den jeweiligen Kulturkreis beeinflusst zu sein und in Deutschland recht ausgeprägt.“ [8]

image

Abbildung: Finanzwirtschaftliche Krisenursachen (aktuelle und umfangreichere Version der Mindmap hier abrufbar)

Vorgehen

Das genaue Kochrezept zum Vorgehen der Ursachenanalyse hängt maßgeblich von der Unternehmensstruktur ab. Je nach Unternehmenstyp und –größe kann sich etwa der alleinige Geschäftsführer (selbst-)kritisch mit einer Checkliste zurückziehen und die einzelnen Punkte abarbeiten. In einem großen Unternehmen mit dezentraler Verantwortungsverteilung ist es dagegen notwendig eine Art Projektleiter zu bestimmen, der zusammen mit den verschiedenen Verantwortungsträgern die Ursachen zusammenstellt. In beiden Fällen bleibt es wichtig, dass die Unternehmensleitung den Prozess eng begleitet und steuert. Dies gilt auch, wenn eine Unternehmensberatung mit der Durchführung beauftragt wird. Gerade bei der Ursachenanalyse kann dies von Vorteil sein, weil externe Berater unvoreingenommener in einen Betrieb schauen.

Zum Einstieg in die Ursachenanalyse bieten sich die erwähnten Mindmaps an, in denen ich Krisenursachen auf Basis eigener Erfahrungen und einschlägiger Literatur zusammengetragen habe. Es können natürlich auch andere strukturierte Aufstellungen oder Tools verwendet werden.

Die Mindmaps können dabei wie eine Checkliste verwendet werden, um die jeweiligen Krisenursachen strukturiert identifizieren zu können.

_________________________________________

* Die Beweggründe für diese serviceorientierte Serie sind in diesem Beitrag dargelegt. Der Autor, Dirk Elsner, lebt in Bielefeld und ist Senior Berater der INNOVECS GmbH und berät und unterstützt Unternehmen deutschlandweit. Er hat als Bereichsleiter in Banken und Geschäftsführer in mittelständischen Unternehmen gearbeitet und kennt die Praxis kritischer Unternehmenssituationen und die Anforderungen von Banken und Investoren aus erster Hand. Sie erreichen ihn unter dirk.elsner[at]innovecs.de.


[1]Vgl. P. Carroll u. C. Mui, Wenn bewährte Strategien fehlschlagen, in: Harvard Business Manager 12/2008, S. 97.

[2] Vgl. P. Carroll u. C. Mui, Wenn bewährte Strategien fehlschlagen, in: Harvard Business Manager 12/2008, S. 97.

[3] Vgl. Thomas Hutzschenreuter, Krisenmanagement: Grundlagen, Strategien, Instrumente, Wiesbaden 2006, S. 64. Ähnlich auch Gesellschaft für innovative Beschäftigungsförderung, Die Sanierung von Unternehmen in der Krise, Arbeitspapier 25, November 2008, S. 10.

[4] Vgl. Gesellschaft für innovative Beschäftigungsförderung, Die Sanierung von Unternehmen in der Krise, Arbeitspapier 25, November 2008, S. 10.

[5] Vgl. Gesellschaft für innovative Beschäftigungsförderung, Die Sanierung von Unternehmen in der Krise, Arbeitspapier 25, November 2008, S. 11.

[6] R. M. Kanter, So schaffen Sie die Wende, in: Harvard Business Manager, Heft 9,

2003, S. 27, zitiert nach: Klaus J. vor der Horst, Warum Unternehmenssanierungen oft scheitern, o. Jg., S.4.

[7] R. M. Kanter, So schaffen Sie die Wende, in: Harvard Business Manager, Heft 9,

2003, S. 27, zitiert nach: Klaus J. vor der Horst, Warum Unternehmenssanierungen oft scheitern, o. Jg., S.5.

[8] R. M. Kanter, So schaffen Sie die Wende, in: Harvard Business Manager, Heft 9,

2003, S. 27, zitiert nach: Klaus J. vor der Horst, Warum Unternehmenssanierungen oft scheitern, o. Jg., S.4.

Comments on this entry are closed.

Previous post:

Next post: