Dissonantes Opel-Orchester kann nur implodieren

by Dirk Elsner on 2. Juni 2009

Am frühen Abend des Pfingstmontags saß ich auf unserer Terrasse und fragte mich, was man angesichts des schrillen Opel-Konzerts überhaupt noch schreiben könnte. Allein mit den in den vergangenen Tagen verfassten Artikeln in deutscher Sprache lässt sich vermutlich ein tausendseitiges Buch füllen. Addiert man dazu die Transskripte aller Interviews, TV- und Hörfunkbeiträge, wird man sicher auf 5.000 Seiten kommen.

Mein spezielles Thema in den letzten Tagen war es, über die Mindmap des Opel/GM-Showdown das Gewirr der Einflussnahmen und Interessen auf Opel aufzuzeigen. Wenn ich mir die jüngste Fassung der Mindmap ansehe (die Grafik auf dieser Seit lässt nur noch einen kleinen Ausschnitt zu), dann bleibt ernüchternd festzustellen, dass selbst diese Karte kaum mehr Ordnung schaffen kann.

Das Interessengeflecht im Opel-Showdown
Das Interessengeflecht im Opel-Showdown

Erstaunlich ist, wie viele Personen, ob Politiker, “Experten”, Berater oder andere sich berufen fühlende Personen, sich direkt oder indirekt mit der Opel-Aufführung befassen, ohne Erkenntnisfortschritte für das Kerngeschäft des Unternehmens zu leisten. Die Frage, unter welchen Bedingungen Opel betriebswirtschaftlich sinnvoll Autos bauen kann, die dazu noch in ausreichender Menge abgesetzt werden, hat offenbar niemanden interessiert.

Eins aber wird in den nächsten Monaten klar werden. Unter den Bedingungen und Abhängigkeiten, die Opel und GM jetzt für die deutsche Tochter erzeugt haben, wird es purer Zufall sein, wenn das Unternehmen langfristig überlebt. Allein das Management muss so viele Abhängigkeiten bei seinen Entscheidungen berücksichtigen, dass es unternehmerische Entscheidungen, die bekanntlich immer mit Risiken verbunden sind, scheuen wird. Ja es muss sie sogar scheuen, weil viele Entscheidungen stets zu Lasten eines Stakeholders gehen werden und damit ein umständlicher, zeitraubender und mit hohem persönlichen Zeitaufwand und Kosten verbundenen Abstimmungsprozess notwendig wird. Es dürfte klar sein, dass dies kaum ein Klima ist, in dem Kreativität und unternehmerische Tugenden einen Chartstürmer produzieren werden. 

Eigentlich müsste das Opel-Management dringend den Stakeholdern einen Handlungsrahmen abverlangen, unter dem es zu arbeiten bereit ist. Andernfalls wird es das Tagesgeschäft nicht sinnvoll bewältigen. Das Opel-Management selbst hat aber in den vergangenen Tagen kaum gespielt oder war extrem leise beim Musizieren. Der Vorsitzende der Adam Opel GmbH, Hans Demant, hat nicht einmal an den entscheidenden Runden im Kanzleramt oder im Adlon Hotel teilgenommen, zumindest wird davon nichts berichtet. Er vertraut offenbar darauf, dass ihm seine eloquenten externen Musiker die richtigen Takte vorgeben werden.

Ich bin der Überzeugung, dass diese Aufführung noch jahrelang als ganz trauriges Beispiel für Staatsinterventionismus herhalten wird. Im Opel-Orchester spielen zu viele Musiker ohne einen Dirigenten. Dabei musizieren sie so schrill, dass das Publikum bisher nur wegen des obskuren Melodiebreis zugehört hat. Schnell wird das aber vergehen und das Publikum (=Steuerzahler) wird ohne Applaus und vielleicht sogar angewidert die teuer bezahlten Sitze verlassen. Das Orchester selbst wird derweil implodieren, weil die Musiker das Zusammenspiel selbst nicht mehr ertragen können. Erst die Implosion wird das Publikum wieder anziehen. Dann wird man sich fragen, wie man überhaupt ein solches Orchester habe spielen lassen können.

Einer der immerhin den Mut hatte, zunächst diese Kakophonie dirigieren zu wollen, nämlich der Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (kurz KTG), hat erkannt, dass dieses Musikerensemble keinen Hit produzieren wird. Trotz aller Kritik des Blick Logs an der einseitigen Prioritätensetzung  von KTG, spreche ich dem Minister jetzt respektvoll meine Anerkennung aus. Er hat Mut bewiesen durch seine Hinweise auf die Qualitätsmängel der Musiker und des Stückes. Er war sogar bereit, seine erste Geige abzugeben, wie man hört. Für diese Weitsicht wird KTG sicher eines Tages ein anderes Orchester dirigieren können.

Outro: Der kostenlose Call der Bundesregierung für Magna und Co.

Die Bundesregierung hat sich von Magma und Co. geschickt über den Tisch ziehen lassen. Während nämlich Magma jede Menge Zeit gewonnen hat, um die Absichtserklärungen in Verträge zu gießen, ist die Bundesregierung Stillhalter einer Kaufoption gegenüber Magma geworden. Magma kann nämlich bis zum Abschluss der Verhandlungen mit GM, der US-Regierung und den staatlichen Stellen in Deutschland jederzeit den Orchestergraben verlassen. Außer Reisespesen und ein paar Millionen Euro für Beratungskosten, hat das Unternehmen nichts investiert. Ein kluger Schachzug aus Sicht von Magma. Ausüben wird Magma die Kaufoption, wenn sie im Geld ist, sich die Beteiligung also rechnet. Wie diese Berechnung genau aussieht, werden wir allerdings nie genau erfahren.

Berichte  zur Opel-Rettung

Focus: Opel-Bürgschaften der Länder: Kleines Hessen stemmt größten Anteil

Welt: Der Streit um die Opel-Rettung nimmt kein Ende

HB: Opel: Alle gegen einen im Kanzleramt

Welt: Projekt Zeus :  Warum Opel auch für Magna riskant wird

Focus: Koch contra Guttenberg

HB: Erfahrener Sanierer wird Geschäftsführer der Opel-Treuhand

Focus: Gerhard Schröder: Schlüsselrolle bei Opel-Osterweiterung?

Focus: Opel-Insolvenz: Guttenberg wollte hinschmeißen

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