Der verhinderte Bankrun im Oktober 2008?

by Dirk Elsner on 10. Juli 2009

Wissen Sie noch, was Sie am 5. Oktober 2008 gemacht haben? Ich weiß es noch ganz genau. Mit meiner Familie erholte ich mich in einem wunderbaren Urlaubshotel in Ägypten. Aber der Abend dieses Tages hätte mir beinahe den Rest des Urlaubs verdorben: Im damals noch sendenden deutschen Kanal Bloomberg sah ich einen Bericht über eine Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Da sprach sie mit ihrer monotonen Stimme die vielleicht dramatischsten Sätze ihrer bisherigen Amtszeit:  „Wir sagen den Sparerinnen und Sparern, dass ihre Einlagen sicher sind. Auch dafür steht die Bundesregierung ein.“ Hier dazu ein Video-Bericht von n24.

Ergänzt wurde diese von Peer Steinbrück, der u.a. sagte:

“Ich möchte gerne unterstreichen, dass wir in der Tat in der gemeinsamen Verantwortung, die wir in der Bundesregierung fühlen, dafür Sorge tragen wollen, dass die Sparerinnen und Sparer in Deutschland nicht befürchten müssen, einen Euro ihrer Einlagen zu verlieren. Dies ist ein wichtiges Signal, damit es zu einer Beruhigung kommt und nicht zu Reaktionen, die unverhältnismäßig wären und die uns die derzeitige Krisenbewältigung beziehungsweise Krisenprävention noch schwieriger machen würden.”

Mir schmeckte danach das Abendessen nicht besonders gut und ich ahnte, dass die neue Börsenwoche ein Desaster werden könnte. Aus unserem Fenster  blickte man auf eine nicht fertig gestellte Hotelanlage, deren Bauarbeiten eingestellt wurden (siehe das Bild dieser Anlage in diesem Beitrag). Mich quälten in der darauf folgenden Nacht Befürchtungen, dass es nach unser Rückkehr so auch in Deutschland aussehen könnte. Zum Glück kam es nicht dazu.

Wie dicht deutsche Banken vor dem Kollaps bzw. einem Run gestanden haben sollen, sollen jetzt Informationen der Bundesbank offenbaren. Sie hat in ihrem letzten Monatsbericht im hinteren Abschnitt des Aufsatzteil (ab S. 56) ziemlich nüchtern über die dramatischen Tage im September und Oktober berichtet. Hier die grafische Darstellung des der Ein- und Auszahlungssalden im Vergleich zum Vorjahr:

image

Ob deutsche Institute damals tatsächlich vor einem Bankrun (hier steht wie eine Bankenkrise mit Bankrun verlaufen könnte) standen, lässt sich nach meiner Auffassung aus diesen Daten nicht ableiten. Dennoch, offensichtlich hatte ein Teil der Bürger Befürchtungen, es können zu einem run kommen und deckte sich vorsorglich mit Bargeld ein. Kritiker haben damals der Regierung vorgeworfen, die Garantie hätte die Furcht vor einer Bankenpleite erst geschürt.

Das Medienecho auf diese Veröffentlichung war in diesen Tagen übrigens vergleichsweise verhalten. Die Sucht nach düstern Schlagzeilen ist vielen Medien offenbar vergangen. Immerhin, ein paar folkloristisch angehauchte Berichte gab es doch. So berichtete die Welt darüber, wie Deutschlands Sparer heimlich die Bankautomaten plünderten und die Süddeutsche wie seit dem Ausbruch der Finanzkrise Bundesbürger Bargeld bunkerten. Die lesenswerteste Darstellung zu diesem Tagen war am 28. Juni in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagzeitung unter dem Titel: “Wir waren sehr nah am Abgrund” zu lesen. Der Artikel ist nur kostenpflichtig erhältlich über das Archiv der FAZ.

Für eine stärkere Aufmerksamkeit sorgten dagegen Berichte zur ´ ein paar Tage nach der Abgabe der staatlichen Einlagengarantie. Hier ist mittlerweile ein Protokoll veröffentlicht mit zahlreichen Ungereimtheiten, wie weissgarnix weiß. Nach Auffassung der Chefs der Deutschen Bank und der Commerzbank hätte eine Insolvenz der HRE den Untergang des deutschen Banksystems bedeutet*.

Ob dieses Szenario tatsächlich realistisch war, ist schwer nachzuprüfen. Zum Nennwert muss man diese Aussage nicht nehmen. Psychologisch wirkte die Angstmache jedenfalls, denn in Rekordzeit wurde die HRE gerettet und das Finanzmarktstabilisierungsgesetz durch die parlamentarischen Instanzen geprügelt. In jedem Fall sprechen die drohenden Worte der Bankvorstände dafür, Einzelinstitute niemals mehr so bedeutend werden zu lassen, dass solche Drohungen gegen eine Regierung ausgesprochen werden können.

* Anmerkung vo,m 4.1.2014: Leider ist der Blog weissgarnix vom Netz genommen. Es lässt sich nicht leider heute nicht mehr überprüfen, was Weissgarnix damals dokumentiert hat. Im Beitrag „Finanzsystem am Abgrund: Das HRE Protokoll“ auf MMNews vom ist eine „Zusammenfassung der Gespräche zur Stützung der Hypo Real Estate Gruppe (HRE)“ dokumentiert.

Meldungen vom 5.10.08

MM: Regierung gibt Garantie für Spareinlagen

Spon: MERKEL UND STEINBRÜCK IM WORTLAUT

Aktuelle Presseberichte zur HRE-Rettung

FTD: Top-Banker befürchteten Branchenkollaps

FTD: „Ackermann führt aus, dies sei der Tod“

Welt: Nach der Bankenrettung aß Merkel Linsensuppe

Comments on this entry are closed.

Previous post:

Next post: