Bankenregulierung: Der steinige Weg von der mikro-zentrierten zur makro-zentrierten Aufsicht

by Dirk Elsner on 11. August 2009

Olaf Storbeck schafft es in drei Artikeln in der gestrigen Printausgabe des Handelsblatts, die Spannung auf sein Anfang Oktober erscheinendes Buch “Die Jahrhundertkrise” zu erhöhen.  Storbeck vermittelt bekanntlich in seinen Ökonomie-Beiträgen im Handelsblatt allgemeinverständlich immer wieder die zentralen Essenzen fundierter wissenschaftlicher Arbeiten. Man spart sich so den Rückgriff auf die meist umfangreichen und häufig formalen Fachaufsätze und bekommt die für die Praxis notwendigen Aussagen mundgerecht serviert, ohne dass es der Argumentation an Tiefe mangelt. Im Zweifel kann man zur Kontrolle ja selbst in den Originalarbeiten nachsehen.

In dem Artikel “Banken zähmen – aber wie?” geht es um die Lehren aus der Finanzkrise für die Finanzmarktaufsicht. Dazu ist u. a. über Fehler der Finanzaufsicht zu lesen, die insbesondere auf Basis der hier herunterladbaren Studie zusammengestellt sind:

“Bis zum Ausbruch der Krise waren Wissenschaftler überzeugt: Wer das Finanzsystem sicher machen will, muss dafür sorgen, dass die einzelnen Akteure gesund sind. Solange garantiert ist, dass die Banken gut geführt sind und finanziell solide dastehen, so die alte Überzeugung, ist auch das Gesamtsystem stabil. Weil sich Bankenregulierer im alten Paradigma auf die einzelnen Akteure konzentrierten, sprechen Wissenschaftler rückblickend von einem „mikro-zentrierten Ansatz“ der Regulierung („micro-prudential regulation“).

Die Krise hat gezeigt, dass diese mikro-zentrierte Regulierung allein nicht ausreicht, um ein Finanzsystem stabil und sicher zu machen. Die Schwäche des Konzeptes macht ein Vergleich mit der Seuchenprävention deutlich: Wer tödliche Epidemien verhindern will, kann auch nicht nur darauf achten, dass jeder einzelne Bürger so gesund wie möglich ist. Genau dieser Fehler ist den Bankenaufsehern vor Ausbruch der Krise unterlaufen: Sie haben sich ausschließlich auf die einzelnen Akteure konzentriert und dadurch sprichwörtlich den Wald vor lauter Bäumen nicht gesehen. Denn das Finanzsystem ist weit mehr als die Summe seiner Einzelteile.

Es gibt nicht nur das Einzelrisiko, dass eine bestimmte Bank wegen schlechter Führung oder riskanter Geschäfte pleitegehen kann. Hinzu kommen Risiken, die aus dem Zusammenspiel der einzelnen Akteure entstehen. Die Fachleute sprechen von „systemischen Risiken“. Die Grundlogik hinter diesem Argument ist, dass letztlich alle Banken in einem Boot sitzen. Das Scheitern eines wichtigen Instituts wie Lehman Brothers destabilisiert auch andere Akteure – unter anderem, weil Geldhäuser untereinander viele Geschäfte machen.

Da das Finanzsystem mehr ist als die Summe seiner Teile, muss der mikro-zentrierte Regulierungsansatz durch einen makro-zentrierten Zweig („macro-prudential approach“) ergänzt werden, so die große Lehre, die fast alle Experten aus der Krise ziehen.”

In der Folge geht es in dem Beitrag um Konsequenzen für die Praxis. Hervorgehoben wird dabei u.a., nicht nur Unternehmen zu regulieren, die sich als Bank bezeichnen, sondern die sich wie eine Bank verhalten. Hier hat die Finanzkrise ebenfalls erhebliche Defizite offen gelegt, weil viele Institute sich durch die Gründung von Schattenbanken (etwa als „Special Investment Vehicles”) in weniger stark beaufsichtigten Ländern der Bankaufsicht ihrer Heimatländer entzogen.

In der Praxis dürfte der Weg zur makrozentrierten Aufsicht steinig werden, dies schimmert auch bei Storbeck durch. Operativ ist nämlich keineswegs klar ist, wie die Anforderungen in die Praxis umzusetzen sind. Persönlich denke ich, wie auch immer in den  nächsten Jahren die Finanzaufsicht national und supranational gestaltet wird, es wird wieder Umgehungsmöglichkeiten oder andere Wirkungen geben, die sich die Wissenschaftler jetzt noch nicht vorstellen können. Dies kann gar nicht verhindert werden, wie ein Blick in die Historie zeigt. Daher wird man sich neben der makro-zentrierten Aufsicht auch Gedanken machen müssen über das Risikomanagement. Hier hat man ja in den vergangenen zwei Jahren ebenfalls viele Erfahrungen sammeln können.

Wie ich gehört habe, werden in den nächsten Wochen noch ein oder zwei weitere Texte aus dem Buch von Storbeck veröffentlicht. Darin wird es u.a. darum gehen, was die VWL als Wissenschaft aus der Krise lernen muss. Ich bin gespannt. n

Einen Überblick über verschiedene Beiträge zur neuen Finanzordnung zusammengestellt gibt es auf dieses Übersichtsseite des Blick Logs. Die Mindmap der Finanzkrise gibt einen Überblick über die verschiedensten Ursachen, Auswirkungen und ausgewählte Maßnahmen der Finanz- und Wirtschaftskrise.

Joss August 11, 2009 um 03:45 Uhr

Was es meiner Meinung nach mal geben hätte sollen wäre ein
Streik der Anleger gewesen. Was freilich immer noch kommen
kann und zum Teil auch passiert als viele vorsichtiger
geworden sind.
Nicht um die Psychologie nun im Abgrund destruktiven
Misstrauen und Weltflucht zu versenken, sondern im Sinne
von „shrewd“ im Englischen, das heisst klipp und klare
Bedingungen stellen – und anderenfalls eben nicht mitmachen.
Gerade bei der Altersvorsorge gibt es jede Menge Anlagen
bei denen die Anleger besser getan hätten das Geld gewissermassen unter einer Matraze nur mal zum Nullzins zu erhalten.
Was im Vergleich mit den Anlage – Resultaten immer noch
ein weitaus besseres Ergebnis gewesen wäre, als ja viele
davon schon recht ordentlich verloren.
So ein munterer Streik hätte ziemlich schnell auch die
Banken ordentlich unter Zugzwang gesetzt. Wenn da im
Grunde rebellierende Anleger recht munter erst mal genauer
hinsehen und sich ein wenig zieren. Viele, wenn nicht die
meisten Bankmanager, insbesondere im gehobenen Bereich,
zeichnen sich durch eine m. E. unglaubliche Faulheit
und Trägheit aus. D.h. wenn sie nach dem beurteilt was
sie oeffentlich von sich geben, was sie schlicht unter-
lassen und vor sich hin treiben lassen. So als ob sie
alles eigentlich gar nichts angehen wuerde.
Gewisse latente Risiken gibt es fuer sich nach wie vor
nicht, da wird immer noch ausgeblendet. Und obendrein
zeichnen sie sich durchweg durch einen akuten Mangel
an Allgemeinbildung und Allgemeinwissen aus.

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