Paid Content: So wird daraus nix

by Dirk Elsner on 23. August 2009

Paid Content ist ja das Thema der Stunde in der deutschen Medienlandschaft. Offenbar geeint sind die Verlage in dem Willen, künftig mit dem Internet richtiges Geld zu verdienen. Wie genau das gehen soll, weiß zwar noch keiner. Aber man will es trotz des „unlösbaren Gefangenendilemmas der Print-Verlage“ (Thomas Knüwer in Indiskretion Ehrensache) versuchen. Fest entschlossen ist jedenfalls Springer-Chef Mathias Döpfner, dessen BILD uns gerade ein neues Stück Gratis-Kultur schmackhaft macht, nämlich alle Kurzberichte der Fußball-Bundesliga.

Der Blick Log ist Content-Konsument und hat sich vergangene Woche dazu bekannt hat, für Content zahlen zu wollen. Nun hatte ich endlich mal wieder eine Gelegenheit. Weil mich ein Bericht der Zeitschrift Finance (Mai-Ausgabe) interessierte, wollte ihn ihn natürlich sofort elektronisch haben. So orderte ich per epaper die gesamte Ausgabe (Einzelartikel gab es nicht). Hier nun die Prozessdokumentation bis zum Lesevergnügen:

  1. Homepage aufrufen http://www.finance-magazin.de/
  2. Wenn man die Ausgabe, die man bestellen will kennt, klickt man auf der Homepage auf “zum ePaper”
  3. Auf der sich öffnende Seite klickt man auf Finance als ePaper
  4. Auf der sich öffnende Seite klickt man Vorherige Ausgaben
  5. Auf der sich öffnende Seite klickt man auf die Ausgabe, die man bestellen möchte und klickt auf bestellen
  6. Auf der sich öffnende Seite klickt man auf Zahlung Kreditkarte und füllt acht Felder aus und klickt auf Weiter zur Übersicht
  7. Auf der sich öffnende Seite erhält man eine Übersicht über seine Bestellung und klickt auf Weiter zur Kasse
  8. Auf der sich öffnende Seite gibt man seine Kreditkarten ein und klickt auf Abschicken
  9. Auf der sich öffnende Seite erhält man eine Bestätigung mit diversen Daten und es passiert nichts
  10. Nach 15 Minuten erhält man eine E-Mail mit folgenden Anweisungsschritten
  11. 1. Klicken Sie auf „Downloads“.
  12. 2. Geben Sie Ihre E-Mailadresse sowie Ihre Auftragsnummer ein und klicken Sie auf „suchen >“.
  13. 3. Ihre verfügbaren Downloads werden nun angezeigt.
  14. 4. Wählen Sie den gewünschten Titel, indem Sie auf den Doppelpfeil klicken.
  15. 5. Der Download startet, sobald Sie die Nutzungsbedingungen mit einem Klick auf „Akzeptieren“ bestätigen.
  16. Abspeichern des Dokuments
  17. Aufrufen des Dokuments
  18. Lesen

So ist Paid Content sicherlich kein Vergnügen. Und leider war bei mir nach Schritt 10 zunächst alles vorbei. Das Dokument ließ sich nicht mit E-Mailadresse sowie der Auftragsnummer abrufen. Es gab einen Fehler, den der freundliche Support einen Tag später behob und mir den Link per Mail zusendete. Diese zusätzlichen Schritte zähle ich jetzt offiziell nicht mit.

Übrigens war der Artikel dann doch nicht so interessant, wie es Überschrift und Zusammenfassung versprachen. Zeit und Geld waren also umsonst investiert. Das ist halt das alte Problem des arrowschen Informationsparadoxons.

Letztlich sind das aber genau die Vorgänge, die die Lust auf Paid Content vermiesen, vor allem, weil dieser gesamte Vorgang incl. Fehlersuche und Mail an die Hotline 30 Minuten Zeit vergeudet hat. Hochwertiger Content ist zwar verfügbar, aber der Bestellvorgang wird so schwer gemacht, dass man schon ein kommerzielles Interesse an der Lektüre haben muss. Davon abgesehen ist unverständlich, dass die elektronische Ausgabe nicht günstiger ist als die Printausgabe. Kundenfreundliche wäre es außerdem, wenn man Einzelartikel zu einem Bruchteil des Preises der Gesamtausgabe bestellen könnte.

Das Prozedere des Bestellvorgangs muss unbedingt einfacher werden. Ich hatte es bereits in einem anderen Beitrag erwähnt. PaperC hat bisher aus Kundensicht das optimale Bezahlmodell entwickelt. Schneller und bequemer habe ich es bisher nicht gesehen, wenn man sich erst einmal registriert hat. Es reicht tatsächlich ein Klick (und weniger geht nicht für einen Bezahlvorgang). Anschließend kann ich dort den Text kopieren, als pdf herunterladen oder in meiner virtuellen Bibliothek bei PaperC lagern. Ich bin nicht beschränkt auf 7 Tage Lesbarkeit oder andere Restriktionen.

So hatte ich mal vor Jahren einmal ebooks bei ciando bestellt. Der Vorteil dort, Bücher können auch kapitelweise bestellt werden, was sich gerade bei Fachbüchern anbietet. Was mich störte, war die umfangreiche Gängelung durch das digitale Rechtemanagement (siehe FAQs für Details). Insbesondere nach dem Wechsel meines Rechners, konnte ich die Dokumente zunächst nicht lesen und musste sie erneut registrieren lassen. Man stelle sich einmal vor, man müsse nach einem Umzug seine Hausbibliothek erneut beim Buchhändler registrieren. Schwachsinn. Da interessieren mich ehrlich gesagt auch nicht technische oder urheberrechtliche Notwendigkeiten. Bei Musik hatte man  früher für DRM viele Argumente gefunden, mittlerweile geht es ohne Rechtemanagement und offensichtlich viel besser. Die Musikindustrie hat also offenbar die „moralischen Verwerfungen“ ihrer Käufer überschätzt.

Natürlich müssen die Verlage verschiedene Möglichkeiten versuchen. Bei der Gelegenheit als vorweggenommenes Brainstorming für die Qualitätspresse:

Soweit Verlage auch über die Rechte an Fachartikeln verfügen, könnte man z.B. zu tagesaktuellen Artikeln entsprechende passende Fachartikel anbieten, die natürlich bequem und keinesfalls nach dem obigen Verfahren bezogen werden könnten. Finance gehört z.B. lt. Impressum zum FAZ Institut. Warum also nicht einfach mal den einen oder anderen Artikel zu einem Artikel der FAZ empfehlen?

Klar ist das alles in der Praxis nicht so einfach umzusetzen. Und ich weiß auch von PaperC, dass nicht alle Verlage begeistert sind von dem Geschäftsmodell. Ich kann hier aber nur als Nutzer sprechen, der bereit ist, für guten Content zu zahlen, aber nicht jeden Preis und nicht, wenn ich mir meine Inhalte erst in Ummeln abholen muss.

Nachtrag

Hier noch weitere im Laufe des Tages entdeckte Artikel zum Thema Paid Content:

Handelsblatt: www.gefangenendilemma.com

BusinessDay: Media revolution will change the world

Eine Übersicht auf mehrere Artikel hier von Carta: Medienlinks zum Wochenstart: Gefangenendilemma und Qualitätsmisere


knurt O August 24, 2009 um 13:46 Uhr

Ich sehe derzeit keinen Handlungsbedarf. Wer hochwertigen Content will, der findet ihn und ist auch bereit dafür zu bezahlen. Für die Tagespresse würde Paid Content das Aus bedeuten (siehe Thomas Knüwer Gefangenendilemma).

dücker August 24, 2009 um 13:43 Uhr

Interessante und einprägsames Beispie, wie es nicht sein sollte. Ich denke, die Medienschaffenden sollten häufiger einfach mal schauen, wie denn die Informationsnutzer (Content User) ticken. Zwar befasst sich die Medienlandschaft in diesen Tagen intensiv mit Paid Content, jedoch scheinen die Bedürfnisse der User nur sehr abstrakt eine Rolle zu spielen. Eine Diskussion zwischen Content-Nutzern und Medien findet nicht statt.

Ich denke, wenn die Verlage einmal etwas genauer hinhören, dann werden sie mehr Möglichkeiten entdecken, Geld zu verdienen. Aktuell finden aber zwei Diskussionen statt. Außerhalb der Verlage und innerhalb der Mediencommunity.

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