Gestern hat US-Präsident Barack Obama eine vielbeachtete Rede in der Federal Hall in New York gehalten. Die Federal Hall befindet sich übrigens schräg gegenüber der New York Stock Exchange.
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Die Rede kann hier nachgelesen werden. Kommentare in den Blogs der New York Times sind hier zusammengestellt.
Das Handelsblatt schreibt zwar: “Obama wettert gegen Finanzindustrie”. Wenn man aber genau zuhört, dann will Obama trotz seiner Prinzipien die Finanzwelt nicht gegen ihren Willen reformieren, sondern lädt sie ausdrücklich zur Mitwirkung ein. Besser trifft es die Überschrift „Obama warnt Ignoranten an der Wall Street“.
Obama erinnerte die Märkte an die Kraftanstrengung, die Regierungen in aller Welt zur Stabilisierung des Finanzsystems geleistet haben, und an der daraus resultierenden Verantwortung der Finanzindustrie. Obama vermied zwar die Finanzinstitutionen direkt für die Wirtschaftskrise verantwortlich zu machen, wies aber gleichwohl auf den engen Zusammenhang zwischen Finanz- und Wirtschaftskrise hin.
Immerhin erwirtschaftete die US-Regierung dort, wo Banken ihre Staatshilfen bereits komplett zurückzahlten, einen Ertrag von 17% (ohne freilich zu sagen, wie das berechnet wurde). Obama gab sich als Verfechter freier Kapitalmärkte, sei aber als Präsident nicht angetreten, um Banken finanziell zu helfen. Obama forderte von der Wall Street Eigenverantwortung und weist auf die Boni-Zahlungen hin. Die Finanzindustrie müsse ihren eigenen Beitrag leisten, das Vertrauen in das System wiederherzustellen: „Man muss nicht auf ein neues Gesetz warten, um das zu tun.“
Die Rede war gut und teilweise beeindruckend in ihrer Tiefe. Hier einfach nur die Kritik an den Managern (FTD: Obama will neue Zocker stoppen) herauszustellen oder Obamas Warnung vor neuer Gier (Spon) verkürzen die Rede aus meiner Sicht in unzulässiger Weise. Da bin ich eher bei den Überschrift des Wall Street Journals “Obama: Don’t Ignore Lessons of Crisis” oder der New York Times mit “On Wall St., Obama Pushes Stricter Finance Rules”.
Obama reicht der Wall Street seine Hand. Das ist erstaunlich angesichts seiner Kritik. Aber diese Hand hat einen fest Händedruck. Die Finanzinstitutionen müssen begreifen, dass sie die Hand auch nehmen müssen. Es reicht nicht aus, “Hallo!” zu sagen und hinter dem Rücken der US-Administration über die Anstrengungen zu lästern und sich Umgehungsstrategien zu überlegen. Obama hat unterstrichen, dass er weiß, wovon er redet. Er hat ein sehr professionelles ökonomisches Team.
Mal so am Rande: Vergleicht man das Niveau von Obama mit den Aussagen zur Finanzkrise von Steinmeier und Merkle im Kanzler-Duell vor zwei Tagen, dann liegen da Welten zwischen.
Die Wall Street selbst kann sich wohl auch mit der Rede anfreunden, wie erste Reaktionen zeigen. In der Sache hat sie auch nichts Neues gebracht, da mag manch ein Topbanker erleichtert gewesen sein. Der Dow Jones hat jedenfalls nach Ansprachen von Obama schon anders reagiert.
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