Die Bundestagswahl 2009 ist Geschichte, die Ergebnisse sind bekannt und schon bis zur Ermüdung diskutiert und kommentiert. Schaut man auf die Twitter-Kommentare zur Bundestagswahl, dann herrscht dort wenig Begeisterung. Die Wirtschaft wird am Montag das Ergebnis feiern. Und selbst die Medien werden sich freuen, weil Politik durch eine starke Opposition künftig deutlich mehr Spannung verspricht als bisher. Für den politischen Alltag erwarte ich aufgrund der Rahmenbedingungen kaum Änderungen. Aber der Reihe nach.
Partei | ARD | ZDF |
CDU/CSU | 33,70 | 33,80 |
SPD | 23,10 | 23,10 |
FDP | 14,60 | 14,50 |
B90/Gruene | 10,60 | 10,10 |
Die Linke | 12,00 | 12,50 |
Piraten | 1,9 | |
Sonstige | 4,10 | 6,00 |
Hochrechnungen: 27.9. Stand 21.45 Uhr
Erstmalig wurde eine Bundestagswahl intensiv auf Twitter begleitet. Der Blick Log hat dies in diesem Beitrag dokumentiert, in dem alle Tweets ab dem Nachmittag des Wahltags dokumentiert sind. Der Tenor der Tweets spiegelt nicht das Wahlergebnis wieder, sondern offenbart in der Mehrheit eher Enttäuschung, wobei ich keine Zählung veranstaltet habe. Für Gesprächsstoff am Rande sorgten nach Medienangaben Tweets über Prognosen, die vor 18 Uhr veröffentlicht wurden. Die Reaktionen in Blogs fallen dagegen recht pragmatisch aus, wie z.B. hier im Spreeblick, wo Johnny Haeusler versucht, die Situation positiv zu sehen. Einen Überblick über Medien und Blogreaktionen gibt es in dieser Übersicht .
Es ist klar, dass die Wirtschaft das Ergebnis am heutigen Montag feiern wird. CDU/CSU zusammen mit der FDP ist die Traumkombo, von der man sich mehr verspricht als von Schwarz-Rot. Ob dies erfüllt werden kann, wird sich zeigen. Für eine Schwarz-Gelbe-Koalition wird jedenfalls der politische Spielraum, der vor allem definiert wird durch die finanziellen Rahmenbedingungen, äußerst eng werden. Die neue Regierung hat wie die abgewählte Regierung viele Sachzwänge zu berücksichtigen, die im grauen politischen Alltag viel weniger Gestaltungsspielraum erlauben, als sich das viele am Wahlabend vorstellen können.
Von der Freude der Wirtschaft wird man am heutigen Montag die Reaktionen der Börse unterscheiden müssen. Die Börsianer werden wesentlich nüchterner reagieren. Gut möglich, dass die Märkte freundlich eröffnen (dies wird vor allem für Versorger wie eon gelten). Der weitere Trend des Tages wird dann aber nicht vom Ergebnis der Bundestagswahl abhängen, sondern eher von den Entwicklungen an den Finanzmärkten, insbesondere in den USA.
Die politischen Debatten in der Republik werden sicher medienfreundlicher, sprich kontroverser werden. An einer Schwarz-Gelben Koalition werden sich viele Menschen wesentlich besser reiben können, als an Rot-Schwarz. Für besonderen Zündstoff wird da sicher auch Guido Westerwelle sorgen, der für Linke, Intellektuelle und vor allem Kabarettisten zu einer beliebten Zielscheibe werden wird.
Ich persönlich sehe das Ergebnis recht nüchtern. Das hätte ich allerdings auch bei anderen Regierungskonstellationen geschrieben, soweit sie ohne die Linke und die glücklicherweise nicht ins Parlament gelangten Rechten zustande gekommen wären. Die Sachzwänge der Tagespolitik werden Frau Merkel und Herrn Westerwelle eingeholt haben, bevor sie ihren Koalitionsvertrag unterzeichnet haben. Die Unterschiede zwischen Schwarz-Geld und Schwarz-Rot zumindest für die nächsten zwei Jahre dürften daher marginal sein.
Die größte Überraschung ist für mich, dass die Piratenpartei mit 1,9% doch sehr deutlich unter der 5%-Marke geblieben ist. Vor zwei Wochen hielt ich angesichts des Netzhypes noch ein Erreichen der Marke für nicht ausgeschlossen. Das Abschneiden des Newcomers ist ein Indiz dafür, dass die Meinungsbildung im Netz eine deutlich geringere Relevanz hat, als es Teile der Netzgemeinde selbst gern hätte. Ob damit die Stunde der Piraten vorbei ist oder sie nun die Chance nutzen, bis zur nächsten Wahl ihr Profil zu schärfen, wird sich zeigen.
Immerhin hat es die Partei geschafft, die nicht sonderlich hohe Hürde der staatlichen Wahlkampfkostenerstattung zu nehmen und wird so in den Genuss weiterer Mittel gelangen. Im Freitag-Blog von Christian Berlin gibt es dazu bereits die erste Berechnung mit den dazugehörigen Hindernissen.
Nachtrag um 22 Uhr
Eine Besonderheit an der heutigen Wahlkommentierung ist noch aufgefallen. Trotz der verherrenden Verluste der CSU wird Karl-Theodor zu Guttenberg ungeschoren gelassen. Die FTD feiert ihn sogar als Gewinner, weil er in seinem Wahlkreis Kulmbach 68% der Erst-Stimmen geholt hat. Das sind tatsächlich 8% mehr, von einem Zugpferd zu Guttenberg für die Bundes-Union kann hier aber nicht mehr gesprochen werden. Herr zu Guttenberg mag ein Liebling der (Springer-)Medien (Welt: „Der Joker der CSU, Bild: Guttenberg ist Deutschlands Stimmenkönig) sein, die Wähler insgesamt in Deutschland können sehr wohl differenzieren zwischen guter Selbstpräsentation und guter Leistung.
Das was Netz – Communities noch nicht verstanden haben ist, daß die Autoregressivität (Selbstbestätigung, manche sagen Selbstbeweihräucherung) nur die eine Ebene für das Überleben darstellt. Ebene No. 2 ist die Interaktion mit der Umwelt und da sieht es einfach noch ein bißchen mau aus. Vielleicht werden sie es noch lernen und das Wahlergebnis ist, wenn man davon ausgeht, daß „das Cleverle“ noch weiter seine selbstverschuldete Verbitterung in irgendwelche fiktiven „Sicherheitsgesetze“ gießen wird, für die Piraten eine wahre Chance. Einen besseren Elfmeter bekommen sie nicht mehr.
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