Neuroökonom sieht Irrationalität nicht als Ursache für Finanzkrise

by Dirk Elsner on 1. November 2009

Mit der Neuroökonomie hat sich bekanntlich eine interdisziplinäre Forschungsrichtung formiert, die Erkenntnisse aus Wirtschaftswissenschaften, Psychologie und Neurologie verbindet. Die in der Neuroökonomie verwendeten Paradigmen werden bereits im Bereich der Behavioral Economics untersucht, einem ebenfalls noch vergleichsweise jungen Teilbereich der Wirtschaftswissenschaften. Hier untersucht man in der Realität zu beobachtende Abweichungen zum Verhaltensmodell des Homo Ökonomikus und versucht diese zu erklären.

Mittlerweile steigt erfreulicherweise auch die Zahl der populärwissenschaftlichen Beiträge zu diesem Thema. Das mag daran liegen, dass man sich aus Neuroökonomie und den Behavioral Economics tiefere Erklärungen für die (Mit-)Ursachen der Finanzkrise erhofft. Die FAZ hat am Freitag wieder einen sehr interessanten Artikel unter dem Titel:  Aktienhändler denken anders. Autorin Corinna Budras gibt hier einen kleinen Einblick in die Praxis der Neuroökonomen.

Wer allerdings erwartet, die Neuroökonomen liefern hier abschließende Erklärungen für die Ursachen der Finanzkrise, der wird enttäuscht. Budras schreibt:

“Dabei sind die Hoffnungen, die in die Neuroökonomie gesetzt werden, außerhalb des Forschungslabors groß – besonders in Zeiten der globalen Wirtschaftskrise. In New York werden Glimcher und Phelps immer wieder mit der Frage bombardiert, welche neurologischen Entartungen diese Krise ausgelöst hätten. Doch Glimcher wehrt energisch ab: "Ich weigere mich, die Finanzkrise als ein Produkt der Irrationalität der Menschen zu beschreiben, denn ich glaube nicht, dass das stimmt." Er macht andere Gründe dafür verantwortlich: systematisch falsche Preisentscheidungen oder das Fehlen eines transparenten Marktes. Wirtschaftliche Phänomene wie Immobilien- oder Aktienblasen seien zwar ökonomisch bereits umfassend studiert, sagt er. "Aber neurologisch verstehen wir Spekulationsblasen überhaupt noch nicht." Er findet es sogar fraglich, ob die Neuroökonomie das überhaupt leisten muss: "Sie mag uns irgendwann einmal genau erklären können, warum das Verhalten von Individuen dazu führte, dass der Markt kollabierte", sagt er. "Aber um den Markt wiederherzustellen, dazu braucht man keine Neuroökonomie. Dazu reicht die traditionelle Ökonomie."

Auch in Bonn ist man vorsichtig: "Es ist immer noch ein großer Schritt vom Scanner zur Börse", warnt Falk. Allerdings spürt er durch das neugewonnene Interesse auch einen deutlichen Auftrieb für sein Forschungsgebiet: "Inzwischen ist wohl klargeworden, dass es hier nicht nur um solche sogenannten weichen Faktoren geht, die man sich abends mal anhören kann", bekräftigt Falk. "Wirtschaft funktioniert nur mit und durch diese Menschen, und die sind nun einmal erratische und manchmal auch völlig irrationale Wesen."

Der Blick Log stellt schon seit längerer Zeit auf der Seite Neuroökonomie – Behavioral Economics Links auf öffentlich verfügbare Beiträge zum Verhalten in der Wirtschaft zusammen, darunter auch einige Grundlagenbeiträge.

@VeraFBirkenbihl November 2, 2009 um 02:27 Uhr

danke für eine menge großartiger angebote. habe stundenlang herumgelesen, links verfolgt etc zum thema verhaltens-ökonomie.
danke
vfb

dels November 2, 2009 um 12:13 Uhr

vielen Dank für die positive Rückmeldung auf meine Blogseite zu
„Psychologie – Behavioral Economics“. Ich hoffe, dass das Thema
Neuroökonomie und Behavioral Economics auch immer stärker in der
Wirtschaftspraxis beachtet wird.

nigecus November 1, 2009 um 18:03 Uhr

Da habe ich wohl Mist gemacht den blockquotes

Die Frage ist, welches Verhalten denn das rationale am Aktienmarkt ist. Implizit wird meistens unterstellt, dass der Preis einer Aktie den Wert des Unternehmens widerspiegle, und der sich halt irgendwie im Substanzwert plus Zukunftsaussichten des Unternehmens zusammensetzt.

Das ist die Friedman-Hypothese, dass „rationale Investoren“ die „Irrationalen“ pleite gehen lassen. Dagegen spricht das Noise Trader Modell (Kyle, Black, etc.), was ich für plausibler halte. Die Friedman-Hypothese scheitert schon an der Realität, z.B. Dot-Com-Blase.

Aber das ist natürlich in der heutigen Zeit, bei der die Hälfte der Trades durch Computer ausgelöst werden, völlig falsch.

Solange ein Mensch vor dem Computer manuell seine Order spezifiziert, haben Sie mit ihrem Beispiel Recht (ist Regret Theorie?)

Die Handelnden am Mark agieren alle subjektiv rational, das heißt aber nicht, dass der sich so ergebende Preis auch “rational” ist. Bubbles ergeben sich also auch bei rationalen Handeln der Beteiligten, weil das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.

Es reicht aus, wenn Trader unterschiedliche Erwartungen haben (die im Durchschitt den „rationalen“ Erwartungswert bilden würden), um Bubbles zu erzeugen. Vernon Smith hat das mal in einem Experiment gezeigt. Dann gibt es noch die Bayes-Kaskaden von Ivo Welch als Erklärungsansatz. Aber ich halte es für sehr gewagt von „rational“ zu sprechen, weil dieser Begriff selbst eine subjektive Definition ist. Was soll das sein?

nigecus November 1, 2009 um 18:00 Uhr

Das ist die Friedman-Hypothese, dass „rationale Investoren“ die „Irrationalen“ pleite gehen lassen. Dagegen spricht das Noise Trader Modell (Kyle, Black, etc.), was ich für plausibler halte. Die Friedman-Hypothese scheitert schon an der Realität, z.B. Dot-Com-Blase.

Solange ein Mensch vor dem Computer manuell seine Order spezifiziert, haben Sie mit ihrem Beispiel Recht (ist Regret Theorie?)

Es reicht aus, wenn Trader unterschiedliche Erwartungen haben (die im Durchschitt den „rationalen“ Erwartungswert bilden würden), um Bubbles zu erzeugen. Vernon Smith hat das mal in einem Experiment gezeigt. Dann gibt es noch die Bayes-Kaskaden von Ivo Welch als Erklärungsansatz. Aber ich halte es für sehr gewagt von „rational“ zu sprechen, weil dieser Begriff selbst eine subjektive Definition ist. Was soll das sein?

Nixda November 1, 2009 um 16:50 Uhr

Die Frage ist, welches Verhalten denn das rationale am Aktienmarkt ist. Implizit wird meistens unterstellt, dass der Preis einer Aktie den Wert des Unternehmens widerspiegle, und der sich halt irgendwie im Substanzwert plus Zukunftsaussichten des Unternehmens zusammensetzt.

Aber das ist natürlich in der heutigen Zeit, bei der die Hälfte der Trades durch Computer ausgelöst werden, völlig falsch. Als Spekulant am Aktienmarkt kaufe ich dann, wenn ich glaube, in absehbarer Zeit die gleiche Aktien an jemand anderes für einen höheren Preis zu verkaufen. Oder frei nach der „Greater Idiot“ Strategie: Wenn ich die Aktie für diesen Preis kaufe, dann bin ich ein Riesenidiot, wenn ich sie nächste Woche für einen höheren Preis an jemand anderen Verkaufen kann, ist er der größere Idiot, und ich bin ein toller Geschäftsmann.

Die Handelnden am Mark agieren alle subjektiv rational, das heißt aber nicht, dass der sich so ergebende Preis auch „rational“ ist. Bubbles ergeben sich also auch bei rationalen Handeln der Beteiligten, weil das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.

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