Mittelstand im Stich gelassen: Betreten wird weggeschaut

by Dirk Elsner on 26. November 2009

Die Debatte um die Finanzierungsklemme lodert seit Monaten und wird dennoch falsch geführt, weil sie immer nur die Kreditklemme in den Mittelpunkt stellt. Bedauerlicherweise flaut die Debatte außerdem immer stärker ab. Dabei sind sich viele Beobachter darin einig, dass viele mittelständische Unternehmen die wirklichen Ausmaße der Finanzknappheit erst im nächsten Jahr spüren werden. Die Gründe liegen auf der Hand:

  1. Erst wenn den Banken die vollen Auswirkungen der Wirtschaftskrise in den Zahlen der Unternehmen sehen, greifen die Automatismen in den Ratingsystemen der Kreditinstitute und führen zur Verschärfung der Kreditbedingungen.
  2. Durch den prognostizierten Aufschwung entsteht zusätzlicher Finanzierungsbedarf für Investitionen und Betriebsmittel.
  3. Aufgrund der Unsicherheit über die verschleppte Neufassung der künftigen Eigenkapitalregeln treten viele Banken zusätzlich auf die Kreditbremse, solange nicht klar ist, in welchem Umfang und zu welchen Konditionen Eigenkapital beschafft werden muss. “Freiwillig” SoFFin-Mittel in Anspruch zu nehmen, ist für keine Bank eine rationale Option.

Aber nicht erst in 2010 geraten Unternehmen in den Strudel knapper Finanzmittel. Bereits in diesem Jahr befinden sich viele Unternehmen unter Wasser und fühlen sich im Stich gelassen. Immer mehr von ihnen müssen die Reißleine ziehen. Hinschauen mag anscheinend niemand. Stattdessen wird betreten zur Zeit geglotzt.

Derweil führt die Funktionselite eine bizarre Debatte darüber, ob eine Kreditklemme vorliegt oder nicht. Vom jeweiligen Betrachtungsstandpunkt tragen natürlich jeweils andere Gruppierungen die Schuld an dem Desaster. Wahlweise sind es Banken, Verbände, die Regierungen, umständliche Bürgschafts- und Beihilferegeln, die Aufsichtsbehörden und natürlich die Unternehmen selbst, denen es ja nicht gelungen ist, die eigenen Finanzen in den Griff zu bekommen.

Diese Debatte, die über Reden auf Kongressen, Sonntagsveranstaltungen, Gastbeiträgen und Interviews in den Leitmedien geführt wird, ist mittlerweile äußerst zynisch, weil kaum einer der Entscheidungsträger offensichtlich die Not vor Ort und den dringenden Handlungsbedarf ernst nimmt. Dabei verfestigt sich bei mir der Eindruck, dass auch bei den Verbandsvertretern ein verzerrtes Bild ankommt. Viele mittelständische Unternehmen zögern nicht nämlich weiterhin aus verschiedensten Gründen, ihre “Finanzierungsnot” zu offenbaren.

Auf Veranstaltungen, die ich in diesem Jahr besucht habe von IHKs oder Verbänden wird stets auf Optimismus gemacht und werden Durchhalteparolen ausgegeben. In dieser Atmosphäre “schickt” es sich einfach nicht für einen mittelständischen Unternehmen Finanzierungsprobleme einzuräumen. Das ist ungefähr so, als offenbare ein Fußballprofi seine Depressionserkrankung. Und zu Recht fragen sich viele mittelständische Unternehmen, ob sich die “Offenlegung” der eigenen Krise lohnt. Ein Nutzen hat das individuelle Outing selten.

Ich werde am Montag auf die Runde im Kanzlerinnenamt blicken, die sich am 2. Dezember mit der Finanzierungsklemme befassen will. Noch bin ich nicht optimistisch, dass da etwas Zählbares für den Mittelstand herauskommt. Mittelständische Unternehmen verlassen sich aber ohnhin nicht auf besondere Förderungsmaßnahmen und tun weiter gut daran, einen eigenen Weg durch die Krise zu finden.

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