Die Sonnenfinsternis des Utz Claassen bei Solar Millennium

by Dirk Elsner on 30. März 2010

Total solar eclipse solaire 1999

Totale Sonnenfinsternis (Foto: flickr/Luc Viatour)

Chuzpe definiert die Wikipedia als eine Mischung aus zielgerichteter, intelligenter Unverschämtheit, charmanter Penetranz und unwiderstehlicher Dreistigkeit. Ich glaube besser lässt sich die Selbstdarstellung eines Utz Classen im Interview mit dem Tagesspiegel nicht beschreiben. Da versucht sich einer reinzuwaschen, der seine Pflichten als Vorstandschef unmöglich ernst genommen haben kann.

Nun weiß ich nicht, was bei Solar Millennium tatsächlich passiert ist. So hatte etwa die Wirtschaftswoche über Ungereimtheiten in den Bilanzen des Unternehmens berichtet. Es mag ja sein, dass Classen tatsächlich gute und rechtlich klare Gründe hatte, sein Amt niederzulegen. Aber in dieser Form? Ich kann mich nicht an ein Interview erinnern, in dem jemand seine eigene Person so in den Vordergrund gespielt hat, wie Claassen. Das Unternehmen, dem er noch bis vor zwei Wochen voll verantwortlich vor stand, wird zur Requisite für die eigene Inszenierung missbraucht.

Ähnlich irritiert ist auch der Blog Investors Inside, der schreibt:

“Als geneigter Betrachter darf man das ganze Schauspiel zumindest merkwürdig finden. Ein Manager der es nicht schafft einen vorzeitigen Abschied aus einer Firma so sauber vorzubereiten, dass das Unternehmen dabei keinen Schaden nimmt. Der Grund des Weggangs ist dabei eigentlich irrelevant, sondern dies eher ein Frage der Professionalität und des Stils. Dann der erneute Auftritt der weder Klarheit schafft noch sonst wie einen aufklärenden Effekt hat. Ich persönlich finde dieses Verhalten mehr als fragwürdig.”

Rhetorisch fast perfekt übrigens seine Drohung, die ihn wohlwollend und im Interesse des Unternehmens handelnd erscheinen lassen soll: „Ich habe bisher einzig und allein im Interesse des Unternehmens darauf verzichtet, die Gründe im Detail öffentlich zu erörtern“, sagte Claassen. Es gebe „gute professionelle Gründe“, die dem Aufsichtsrat und dem Vorstand sehr wohl bekannt seien. Ob dies zum Wohl der Gesellschaft beigetragen hat, darf sehr stark bezweifelt werden. Ein Blick in den Wortlaut von § 93 AktG offenbart, dass Classen ohnehin zum Stillschweigen verpflichtet ist.

Aktiengesetz § 93

(1) Die Vorstandsmitglieder haben bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Über vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft, namentlich Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, die den Vorstandsmitgliedern durch ihre Tätigkeit im Vorstand bekanntgeworden sind, haben sie Stillschweigen zu bewahren. …

(2) Vorstandsmitglieder, die ihre Pflichten verletzen, sind der Gesellschaft zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens als Gesamtschuldner verpflichtet. Ist streitig, ob sie die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters angewandt haben, so trifft sie die Beweislast. …

Ich glaube nicht, dass wir das letzte Kapitel in dieser Geschichte schon gelesen haben.

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