Das Ende einer Ära in der Finanzwirtschaft

by Gastbeitrag on 1. April 2010

Von Dani Rodrik

In der Wirtschafts- und Finanzwelt finden selten Revolutionen statt, und sie werden oft erst rückblickend erkannt. Doch was am 19. Februar geschah, kann man getrost als das Ende einer Ära in der globalen Finanzwirtschaft bezeichnen.

An diesem Tag veröffentlichte der Internationale Währungsfonds eine programmatische Mitteilung, die seine langjährige Position zu Kapitalverkehrskontrollen umkehrte. Steuern und andere Einschränkungen für Kapitalzuflüsse, schrieben die IWF-Ökonomen, können hilfreich sein, und sie stellen ein „legitimes Mittel“ im Instrumentarium der politischen Entscheidungsträger dar.

Mit seinem Bericht hat der Fonds wohl den gesunden Menschenverstand wiederentdeckt, der ihm merkwürdigerweise zwei Jahrzehnte lang abhanden gekommen war. Darin heißt es: „Die Logik legt nahe, dass entsprechend gestaltete Kontrollen von Kapitalzuflüssen“ andere Strategien „sinnvoll ergänzen könnten“. Noch im November letzten Jahres hatte der geschäftsführende Direktor Dominique Strauss-Kahn Brasiliens Bemühungen, gegen Zuflüsse von spekulativem „heißem Geld“ anzukämpfen, kritisiert und gesagt, er würde solche Kontrollen nicht „als Standardrezept“ empfehlen.

Weiterlesen im Project Syndicate

Das Project Syndicate hat dem Blick Log die Weitergabe der ersten drei Absätze gestattet.

enigma April 1, 2010 um 04:37 Uhr

Nee, so einfach ist es nun auch wieder nicht. Aber der Reihe nach.

Die Sache mit den Kapitalverkehrskontrollen, bzw. den herrschenden Kreditbedingungen, ist ja richtig. Natürlich kann man Finanzströme steuern, das beste Beispiel ist Japan, wo die Steuerung der Bankenkreditvergabe bis zu dem Punkt geklappt hat, als deren Immobilienblase geplatzt ist. Leider konnten sie damit nicht umgehen, weil auf einmal „strukturelle“ Medizin (seitens der Anglo-Amateure) für schlau gehalten wurde und damit das eigentliche Problem, daß unhaltbare Bilanzverhältnisse einer Entschuldung bedürfen, schlichtweg ignoriert wurde. Hätte Japan das einmal erledigt, würde heute dieses Beispiel als Muster für andere Überschuldungssituationen herhalten können. Haben sie aber nicht, sondern haben es mit Durchwurschteln versucht. Das hat noch nie geklappt, ein Problem dadurch zu lösen, indem man es ignoriert.

Man muß nicht – zumindest nicht in Deutschland – den IWF bemühen, um zu wissen, wie die Sache mit den Kapitalverkehrskontrollen funktioniert. Während der Zahlungsbilanzkrise 1950/51 wurde seitens der deutschen Bundesbank und -regierung ganz massiv in den Kapitalverkehr eingegriffen, weil damals eine unhaltbare Zahlungsbilanzsituation vorlag, welche die Zahlungsfähigkeit der (jungen) Bundesrepublik massiv in Frage gestellt hätte. Das Instrumentarium zur Bewältigung dieser Zahlungsbilanzkrise bestand schlichtweg darin, Importbedingungen restriktiv zu gestalten, bis hin dazu, daß Importeure eine irrsinnig hohe Barreserve (50%) halten mußten, so daß aus reinen liquiditätstechnischen Überlegungen die Importkosten derart in die Höhe geschraubt wurden, daß innerhalb von wenigen Monaten den Importeuren die Lust an ihrem Geschäft gründlich vergangen war. Das hatte was mit einer „Aufhebung der Importliberalisierung“ zu tun und ist so ziemlich das genaue Gegenteil dessen, was allenthalben als Leitlinie außenwirtschaftspolitischer Richtigkeit gilt. Es gab sogar eine 50% Mindestreserve auf Einlagen, was irgendwie auch die Existenz von Devisenkonten in Deutschland nicht gerade attraktiv gemacht hatte. Sollte ja auch so sein. Daß letztlich nur die Plafondierung der Importe eine Lösung der Zahlungsbilanzkrise erbrachte, liegt an den kreislauftheoretischen Uneindeutigkeiten von Zinserhöhungen bzw. Liquiditätskosten, so daß im Grunde genommen schon alles an Instrumenten getestet wurde, was heute für die Sanierung von Pleitekandidaten wie z.B. Griechenland nötig wäre.

Wie es richtig geht, steht z.B. hier:
https://wipol.uni-hohenheim.de/fileadmin/einrichtungen/wipol/Publikationen_Spahn/wunder.pdf

Die Verantwortlichkeit für die Finanzkrise hauptsächlich bei den Banken zu suchen ist m.E. eine üble Fehlinterpretation der Situation. Denn die Finanzmärkte sind davon geprägt, daß, nimmt man mal die Geschichte mit der „saving glut“ endlich mal ernst, nicht einmal die Banken die Entwicklungstreiber für die Finanzexzesse gewesen sind, sondern die (Kapital-) Versicherungen (die Risikoversicherer sind dabei außen vor). Wie sollen die denn die ganzen Versprechen, die sie in den Büchern haben überhaupt realisieren, wenn nicht durch Anlagen, die sich von der üblichen 1,5 % Rendite von AAA Schuldnern erheblich unterscheiden. Es wird immer so getan, als wären da ehrwürdige Interessen im Spiel, nur ist leider die Nichtverwendung von Einkommensteilen auf der anderen Seite eine Einbuße bei den Umsätzen, mithin ein Ausdruck von Kapitalknappheit!!! Das sollte sich mal die Ökonomie hinter die Ohren schreiben und nicht auch noch die Banken als Erfüllungsgehilfen von „Sparerinteressen“ als Bauernopfer auf dem Altar einer monetären Verzinsung massakrieren.

Allerdings ist kein Moses in Sicht, dieses goldene Kalb zu zerstören…

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