Wie Banken Schulden „kleiner“ machen

by Dirk Elsner on 16. April 2010

Verschiedene Medien haben in den letzten Wochen dargestellt, wie Staaten und Banken Schulden “kleiner” machen können, freilich ohne die Schuldenlast selbst zu senken. Vor der kurzen Skizze der Fälle sollte man vorab wissen, dass bei den verschiedenen Aktivitäten einzig um die Gestaltung von Zahlungsströmen und Risiken in Gegenwart und Zukunft geht.

Der Fall Goldman mit Griechenland

imageNick Dunbar hat bereits 2003 im Online Magazin Risk.net ausführlich die Swapgeschäfte Griechenlands mit Unterstützung von Goldman Sachs dargestellt. Der US-Blog Zero Hedge dokumentierte Mitte Februar in einer ausgezeichneten Tiefenbohrung die Swap-Geschäfte Griechenlands und stellt diese Grafik zur Verfügung.

Das Handelsblatt erklärte Anfang dieser Woche (paid content) eine weitere Transaktion von Goldman in Kurzform: “Dem umstrittenen Griechen-Swap von Goldman lagen Schulden im Volumen von rund zehn Mrd. Dollar zugrunde, die in US-Dollar und Yen denominiert waren. Sie sollten in Euro umgewandelt werden. Die Investmentbank legte dabei allerdings Wechselkurse zugrunde, die unter dem tatsächlichen Marktpreis lagen. Auf diese Weise kam die griechische Regierung in den Genuss einer hohen Einmalzahlung – was praktisch einem Kredit von Goldman entsprach. Zurückzahlen mussten die Griechen dieses komplex strukturierte Darlehen erst Jahre später, inklusive Zins natürlich.”

Deutsche Bank half Riga

Das Online-Magazin Risk.net Institut stellte in der vorvergangenen Woche ein besonders kniffreiche Finanzierung vor, die aber nur auf den ersten Blick ungewöhnlich aussieht. 2005 finanzierte das Institut 444 Mio. € der 1 Mrd. € teuren Brücke der lettischen Hauptstadt Riga. Die Deutsche Bank setzte dabei auf eine besondere Variante eines Lieferantenkredits, die als „Enhanced Vendor Financing“ (EVF) bezeichnet wird. Dabei bezahlte die Bank den Bauträger selbst und Riga zahlt ab 2010 dann über 15 Jahre diese Projektkosten nebst Zinsen. Die Zahlungen erhält der Bauträger, der diese an die Deutsche Bank weiter reicht. Gegen eine Pleite der Baufirma sichert sich die Bank mit einem Credit Default Swap (= Kreditausfallversicherung, CDS) ab, den die Stadt Riga zahlt. Das Risiko lag damit am Ende bei der Kommune. Oberflächlich sieht es aber so aus, als hätte die Baugesellschaft die Brück finanziert und Riga zahle einfach für die fertig gestellte Brücke.

Die Deutsche Bank legt Wert darauf, dass das Konstrukt legal und öffentlich war, schreibt das Handelsblatt. „Die Finanzierung war zu jedem Zeitpunkt vollständig transparent und in der Rechnungslegung der Stadt Riga ausgewiesen“, betont ein Sprecher des Instituts. Fakt ist allerdings, dass Riga zum Zeitpunkt, als die Verpflichtung eingegangen wurde, nicht den Gesamtbetrag als Verbindlichkeit ausweisen musste. Dabei ist die Struktur der Zahlungsströme faktisch identisch mit denen eines Darlehens (+Provision und zusätzliche CDS-Kosten für den Bauträger). Nicht besonders begeistert war die EU-Kommission, wie das Schreiben von Eurostat an den Präsidenten des Statistik-Büros von Lettland dokumentiert.

Lehman und Repo 105

Durch den Valukas-Bericht berühmt geworden ist Mitte März auch die Repo 105 genannte Rückkaufvereinbarung (Sale and Repurchase Agreement) von Lehman Brothers mit diversen Großbanken. Mit einem solchen Geschäften verkürzte bekanntlich die Investmentbank 2007 und 2008 regelmäßig ihre Bilanz zeitweise um bis zu 50 Mrd. $, um Liquiditätsprobleme zu vertuschen.

Bei diesen Repo-Geschäften verkauft (sale) eine Bank Vermögenswerte an ein anderes Finanzinstitut und erhält dafür Geld. Zu der Vereinbarung gehört der Rückkauf (repurchase) zu einem Preis, der etwas höher liegt als der Verkaufspreis. Faktisch wird so ein besicherter Kredit vergeben, allerdings führt diese Form nicht zu einer Bilanzverlängerung, sondern nur zu einem Aktivtausch. Wird das “eingenommene” Geld auch noch zur “vorübergehenden” Tilgung von kurzfristigen Verbindlichkeiten verwendet, wird die Bilanz sogar verkürzt und die Fremd-/Eigenkapitalrelationen verbessert. Mittels dieser Geschäfte gelang es Lehman, die Verschuldung kleiner erscheinen zu lassen.

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Quelle: Vorlesung 304 / Banking: Kredit- und Einlagengeschäft, Robert Horat

Alles eine Frage der Gestaltung?

Alle Geschäfte ändern im Prinzip nichts an den wirtschaftlichen Parametern des originären Finanzierungsbedarfs für welches Grundgeschäft auch immer. Ähnlich wie beim Leasing, Factoring und vielen anderen Spielarten der Finanzierung bleibt es bei einer originären Verpflichtung eines Schuldners, egal wie die Verträge und Zahlungsströme modelliert werden.

baumi April 19, 2010 um 21:31 Uhr

Dimon will einen Platz am Tisch
Banken haben nach der Auffassung eines US-Top-Bankers zu wenig Einfluss auf die Politik. „Wir hätten sehr gerne einen Platz am Tisch“, sagte JPMorgan- Chef Jamie Dimon der „WaS“.
„Am Ende des Tages wollen sowohl die Politiker als auch die Banken das tun, was gut für ihr Land und das System ist. In manchen Fällen fehlt uns aber die Möglichkeit, den Politikern unsere Standpunkte mitzuteilen und sie mit den richtigen Fakten zu versorgen.“ Dimon gilt als ausgesprochener Kritiker der von Obama geplanten Bankenregulierung.

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