Dokumentation aus dem Kern der Finanzkrise: Lehman, Bilanztricks und Repo 105

by on 12. März 2010

Lange vor der Insolvenz soll die spektakulär untergegangene Investment Bank Lehman Brother die Bilanzen manipuliert haben, um Liquiditätsprobleme zu verstecken. Das ergab eine Untersuchung von Anton R. Valukas. In einem 2.200 Seiten umfassenden Report sind die Ergebnisse dargestellt. Damit liegt erstmals ein umfassendes Dokument vor, dass tiefe Detaileinsichten in den den Kern der Finanzkrise ermöglicht. Der Bericht ist derzeit über die Webseiten des Dealbook der New York Times abrufbar (Alternativlinks siehe unten). Ein bemerkenswerter Service. Ob wirklich kriminelle Handlungen vorliegen, ist derzeit nicht klar und muss ohnehin von einem Staatsanwalt festgestellt werden.

Vor diesem Hintergrund mag die Anhörung des ehemaligen CEO von Lehman, Richard Fuld, im Oktober 2008 einen ganz neuen Charakter bekommen. Zur Einordnung: Mindmaps der Finanz- und Wirtschaftskrise und Überblickseite zu vielen weiteren Beiträgen.

Nachtrag:

Die öffentliche Darstellung konzentriert sich mittlerweile auf ein besonderes Geschäft, den sogenannten Repo 105. Ich will hier nicht auf die Details dieser Geschäftsart eingehen (siehe dazu etwa Wikipedia). Bei diesem Geschäft soll übrigens auch die Deutsche Bank zu den Gegenparteien gehört haben, wie Zero Hedge herausgearbeitet hat.

Erschreckend für das Image von Wall Street Bankern die Reaktion von Ex-Lehman-Vorstandschef Fuld. Er war, so berichtet die FTD, “nach eigenen Aussagen über "Repo 105" nicht informiert. Er habe nicht gewusst, um welche Form von Transaktionen es ging, teilte seine Anwältin Patricia Hynes von der Kanzlei Allen & Overy mit. Er habe sie weder strukturiert noch ausverhandelt. "Ihm war auch nicht bewusst, wie sie verbucht wurden", sagte Hynes.” Da fragt man sich schon, was Mr. Fuld eigentlich für seine 484 Mio. $ seit 2000 erhaltenen Bonuszahlungen gemacht hat.

Auch die Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young weisen Vorwürfe zurück. Es ging ja auch nur um Kleinigkeiten, denn Lehman platzierte bei diesem Geschäft nur etwa 50 Mrd. $ an illiquiden Vermögenswerten außerhalb der eigenen Bilanz.

Die Links auf die einzelnen Teilberichte

Lehman Brothers Examiner’s Report, Vol.1

Lehman Examiner’s Report, Vol. 2

Lehman Examiner’s Report, Vol. 3

Lehman Examiner’s Report, Vol. 4

Lehman Examiner’s Report, Vol. 5

Lehman Examiner’s Report, Vol. 6

Lehman Examiner’s Report, Vol. 7

Lehman Examiner’s Report, Vol. 8

Lehman Examiner’s Report, Vol. 9

Alternativlink: WSJ Deals: Read the Lehman Examiner’s Report oder Zero Hedge Presenting The Lehman Bankruptcy Examiner Report

Und hier noch einmal als pdf, zusammen gestellt von Barbara aus dem Gelben Forum

Volume 1- Sections I & II: Introduction, Executive Summary & Procedural Background; Section III.A.1: Risk
Volume 2- Section III.A.2: Valuation; Section III.A.3: Survival
Volume 3- Section III.A.4: Repo 105
Volume 4- Section III.A.5: Secured Lenders; Section III.A.6: Government
Volume 5- Section III.B: Avoidance Actions; Section III.C: Barclays Transaction
Volume 6- Appendix 1
Volume 7- Appendices 2 – 7

Volume 8- Appendices 8 – 22
Volume 9- Appendices 23 – 34

Medienbeiträge dazu

Zero Hedge: Lehman’s Repo 105 Counterparties Barclays, Mizuho, UBS, Deutsche Bank, And KBC May Have Attempted To "Squeeze" The Bank

WSJ: Examiner: Lehman Torpedoed Lehman

Alphaville: Repo 105

Spon: Lehman Brothers kaschierte Pleitegefahr mit Bilanztricks

Heard on the Street: Lehman’s Racy Repo

HB: Lehman Brothers trickste sich zur gesunden Firma

FTD: Lange vor Insolvenz: Lehman Brothers trickste bei Bilanzen

Deals: Lehman Senior VP Warned Auditors About Repo 105

WSJ: Examiner: Lehman Torpedoed Lehman

WSJ: Heard on the Street: Lehman’s Racy Repo

Zerohedge: The "Repo 105" Scam: How Lehman Fooled Everyone (Including Allegedly Dick Fuld) And How Other Banks Are Likely Doing This Right Now

Zerohedge: And The Lehman Disclosure Hits Just Keep On Coming; If Fuld Has Not Yet Left The Country, Doing So ASAP May Be A Very Good Idea

Juergen März 24, 2010 um 11:34 Uhr

Der Valukas-Bericht deutet einen simplen Insider-Mißbrauch an. US-Aufsichtsbehörden und die in dem sogenannten „cash-pool“ aktiven, Lehman am Leben haltenden
Finanzinstitute haben anscheinend in Interessengleichheit die absehbar unvermeidliche Pleite von Lehman Brothers verschleiert, um an anderen Enden noch möglichst lange vorteilhaft zu agieren.

Die Citibank hat sich dabei nicht nur ihr Risikokapital-Engagement bei Lehman (revolvierende kurzfristige Lehman-Verpfändungen gegen frisches Kapital) mit immer höheren Zinsen vergüten lassen sondern g l e i c h z e i t i g ihre Zertifikatvermittlungen für Lehman Brothers unter Hinweis auf Ratings fortgeführt, von deren Unvollständigkeit sie bereits genaueste Kenntnis haben mußte. Die Citibank sollte für Unkenntnis oder aber sogar Verschweigen über diese Umstände die Haftung für ihre Vertriebsmitarbeiter tragen. Nur, ob Medien und/oder Gerichte das jemals thematisieren?

Lieber dann doch schön emotionalisierend Heerscharen armer Alter im Fernsehen über Einzelfälle nicht-anlegergerechten Beratung wehklagen lassen, statt das System des nicht-anlagegerechten Risiko-Vertriebes staatsanwaltlich auf Hinweise zum organisierten Betrug zu untersuchen.

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