Griechenland, Portugal und mehr: Am Tipping Point der Liquiditätskrise? (+ Presse und Blogschau)

by Dirk Elsner on 29. April 2010

Domino

Fallende Doministeine (Foto flickr/captainspears)

Die schrillen Meldungen zu Griechenland (Auswahl siehe unten), Portugal und Spanien verformen sich derzeit zu einem seit Monaten nicht mehr erlebten Informationsbrei. Der Sirtaki mit Griechenland steuert auf einen neuen Höhepunkt, der den Bund angeblich bis zu 30 Mrd. Euro Kosten soll, was ich bezweifele*. Jedenfalls will ich den Informationsbrei um eine eigene Prise erweitern. Unten außerdem ein Blick in Presse und Blogs zum Thema.

Aus meiner Sicht riecht die derzeitige “Marktpanik” nämlich deutlich nach einer Liquiditätskrise und nicht ausschließlich nach einer Bonitätskrise. Genauer müsste man sagen, es riecht nach bonitätsinduzierter Liquiditätskrise. Eine solche Krise ist im Verhalten der Kapitalmarktakteure begründet und zurückzuführen auf Komplexität und verschiedene weiter Mechanismen, die Rick Bookstaber sehr eindrucksvoll in seinem Buch “Teufelskreis der Finanzmärkte” darstellt (siehe zu dem Buch hier) ist. Ein wichtiger Teil dieses Mechanismus ist der Liquiditätsbedarf.

Der sich ergebene Teufelskreis geht aus von einem bestimmten Ereignis (Gladwell würde das Tipping Point nennen), wie hier die Rating-Herabstufungen und die Unsicherheit über die Rettungskredite für Griechenland. Es kommt es zu einem ersten Druck auf die Vermögenspreise der betroffenen Wertpapiere. Sind diese Papiere etwa als Sicherheiten für Kredite verpfändet, entsteht Handlungsdruck, weil Kreditgeber nun zusätzliche Sicherheiten oder die Rückführung von Krediten verlangen. Die Rückführung von Krediten löst einen zusätzlichen Druck aus, weil sich Banken (und zum Teil auch bestimmte institutionelle Investoren) notwendige Liquidität über den Verkauf anderer Vermögensgegenstände beschaffen müssen. Das müssen nicht zwingend griechische Anleihen sein, sondern können beliebige andere Titel sein, weswegen der Druck auch weitere Assetklassen erfasst.

Die sonst üblichen “Liquiditätslieferanten” (vulga institutionelle Investoren) halten sich aufgrund der unsicheren Lage und der Erwartung weite fallender Preise mit Engagements zurück. Damit wird weiterer Druck auf die Vermögenspreise ausgeübt. Die weiter fallenden Vermögenspreise erhöhen in einer weiteren Runde noch einmal die Nachforderungen nach Sicherheiten bzw. Kreditkündigungen, die wiederum nur durch Vermögensverkäufe kompensiert werden können.

Dieser Prozess läuft erst einmal weiter über zahlreiche Runden und kommt irgendwann zum Stillstand. Meines Wissens gibt es keine Theorie darüber, wann eine solche Abwärtsbewegung zu Ende ist (wäre ja auch zu schön). Jedenfalls behaupte ich, dass ein Teil des in den letzten Tagen gesehenen Drucks nicht realwirtschaftlich begründet werden kann, sondern im Liquiditätsbedarf einiger Finanzmarktakteuer liegt. (sehr detailliert beschreibt Bookstaber dies in einer frei erhältliche Leseprobe des oben genannten Buches).

Es ist daher nicht auszuschließen, dass der Dominoeffekt so noch ein paar Tage oder sogar Wochen weitergeht. Dazu kommt weiterer Liquiditätsbedarf, der daraus resultiert, dass Banken aufgrund von Abschreibungen nun zusätzliches Eigenkapital beschaffen müssen.

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* Die Verwechselung von Krediten und Kosten hatte der Blick Log bereits am vergangenen Montag ausreichend gewürdigt. Angesichts der höherer Kreditbeträge und höherer Absicherungskosten, müsste man die Grenze jetzt deutlich höher als auf 500 Mio. Euro für drei Jahre setzen. Ich schätze mal mindestens auf 2 Mrd. Euro.

Diese Berechnungen folgen natürlich engen Annahmen und berücksichtigte keine Folgekosten der Griechenlandkrise. Zu den Annahmen gehörte etwa, dass sich Deutschland und andere Länder der Eurozone rechtzeitig mit entsprechenden Credit Default Swaps eingedeckt haben und es am Markt entsprechende Angebote gibt. Ob dies tatsächlich der Fall war, ist öffentlich zumindest nicht bekannt.

Presse- und Blogberichte zur PIGS-Krise

HB: Krise in Portugal: SOS aus dem Armenhaus Europas

Spon: Rating-Agentur S&P stuft auch Spanien herab

HB: Regierungschef Zapatero: Spanien wird Opfer bringen

Spekulantenblog: Nun sind es also schon 135 Milliarden für Griechenland

HB: Spaniens Sonne verfinstert sich

Egghat: An S&P: Das I fehlt noch …

HB: Anleihen: Griechenland-Renditen steigen immer weiter

FinanceBlog: Inverse CDS-Kurven. Nun auch bei TBTF-Finanzwerten

Griechenland braucht 120 Milliarden Euro bis 2012

acemaxx-analytics: Türkei: Länderrating und CDS-Prämien

HB: Marktbericht Frankfurt: Dax bricht Aufholjagd ab

HB: Merkel weiter zögerlich: Dramatischer Appell aus Athen – 135 Milliarden Nothilfe?

HB: Angst vor dem „Haircut“: Bankaktien schmieren ab

HB: Anleihen: Panik an den Märkten

HB: Griechenland-Panik: Ratingagenturen unter Beschuss

HB: Umschuldung: Deutsche Banken fürchten den „Hair-Cut“

Baumi April 29, 2010 um 12:41 Uhr

Auch Spanien-Rating geht runter
Nach Griechenland und Portugal hat die Ratingagentur Standard & Poor’s (S&P) auch die Kreditwürdigkeit von Spanien herabgestuft. Die Finanzbewerter senkten die Bewertung der spanischen Staatsanleihen um eine Note von „AA+“ auf „AA“. Eine weitere Herabstufung Spaniens sei möglich, hieß es weiter.
Die Börse in Madrid schloss nach der Herabstufung des Landes durch Standard & Poor’s mit drei Prozent im Minus.
Spanien – immerhin viertgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone – hat ein Etatdefizit von 11,4 Prozent.

Joss April 29, 2010 um 04:49 Uhr

Finde den Artikel wirklich bemerkenswert. Und ueberraschend weil einige Punkte
mir auch tagsueber durch den Kopf gegangen sind.
Es ergibt sich auf jeden Fall insgesamt eine neue Situation. Auf hoechst sonderbare
Weise kommt freilich, das muss man auch bemerken, so manch ganz normaler
Wahnsinn und Unsinn mal zum Stillstand.
Erstens wird mal die Staatsverschwendung unpopulaer, das kurzfristige
politische Handeln und Denken. Wozu oft genug Handeln, inkl. Geldausgeben
wider besseres Wissen und voellig unsinng, gehoert.
Politiker haben oft genug einen sehr merkwuerdigen Investitionsbegriff.
(Nach wie vor sehr leserbar: Guenther Schmoelders: Adam Riese schlaegt zurueck)

Ein anderer Punkt sind die Kreditstrategien der Banken. Zu deren Suenden gehoeren
bekanntlich Kredite fuer Luxuskonsum auf Kosten von wirklichen Investitionen.

Und dann kommen noch die Medien und deren Dysfunktionalitaet hinzu.
Einerseits suggerieren sie den Konsumenten fortlaufend jedwede Sicherheit,
von ihnen als Medien garantiert. Einschliesslich der materiellen Sicherheit.
Alles was noetig ist um sicher zu sein in jeder Hinsicht ist ein moeglichst
hoher Medienkonsum. Dann kann sich ohne jedes Risiko u.a. Katastrophenfilme
ansehen. Es kann einem einfach nichts passieren beim Fernsehen.
Jetzt werden ihre vielen Widersprueche auf einmal akut. Etwa dass sehr viele,
sogar Boulevard, regelrecht hemmungslos sowie oft genug auch Oberlehrerhaft
Geldanlage – Tipps geben, laufend neue Finanzprodukte parat haben. Verbunden mit
entsprechender Werbung dieses Sektors.
Und jetzt sind sie so schlau, dass sie gleich auch mal auf grosse
Staatspleite machen. Ist ja sensationell sowas. – Schon moelgich dass
sich da mal jetzt bei den Medien ergibt, irgendwas wird da wohl nachgeben.
entweder die Geldanlage – Seiten oder die Sensationsmache. Oder gleich auch
mal eine richtige Medienkrise einsetzt. So wie in Amerika.

Der Blicklog hat hervorragend die Seifenoper im Fall von Opel als Thema
gehabt. Und eine hervorragende Mindmap dazu hergestellt.
so aehnlich koennte es, om positiven weiteren Verlauf, vielleicht auch in
diesem Fall kommen. U. a. gibt es die wirklichen Handels- und Wirtschafts-
verbindungen, den ganz alltaelgichen Handel innerhalb der EU. Alle jene
Geschaefte, die gar nicht bemerkt werden. Aber schon mal in der Summe eine
gewaltige Aktivitaet ergeben.
Und dann halt, aehnlich wie im Fall Opel, so manche Akteure ziemlich dumm
dastehen.

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