Dokumentation: Entwurf eines Gesetzes zur Währungsstabilisierung

by on 19. Mai 2010

Heute debattiert der Bundestag in erster Lesung über den Entwurf eines Gesetzes zur Übernahme von Gewährleistungen im
Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus. Hier dokumentiert der Blick Log den Gesetzentwurf, der hier auch als pdf abgerufen werden kann

Deutscher Bundestag Drucksache 17/1685
17. Wahlperiode 11. 05. 2010
Gesetzentwurf
der Fraktionen der CDU/CSU und FDP
Entwurf eines Gesetzes zur Übernahme von Gewährleistungen im
Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus

A. Problem und Ziel

Im Zuge der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise hat sich die Situation der öffentlichen
Haushalte in den EU-Mitgliedstaaten erheblich verschlechtert. Die jüngste Verschärfung der
Krise hat dazu geführt, dass sich in einigen Mitgliedstaaten die Finanzierungsbedingungen in
kürzester Zeit in einer Weise verschlechtert haben, die sich nicht durch eine Änderung der
Fundamentaldaten erklären lässt. Eine weitere Eskalation der Lage würde die
Zahlungsfähigkeit dieser Staaten gefährden und eine ernste Gefahr für die Finanzstabilität
der Währungsunion insgesamt nach sich ziehen.

Aus diesem Grund hat der Rat der Europäischen Union am 10. Mai 2010 Maßnahmen zur
Sicherung der Finanzstabilität beschlossen. Der Rat hat befürwortet, dass die Pläne zur
Haushaltskonsolidierung beschleunigt werden, und entsprechende Ankündigungen von
Portugal und Spanien begrüßt.

Künftig soll es möglich sein, auf Vorschlag der EU-Kommission Mitgliedstaaten unter
bestimmten Bedingungen finanziellen Beistand der Europäischen Union zu gewähren.
Voraussetzung dafür ist, dass diese Mitgliedstaaten durch außergewöhnliche Ereignisse, die
sich ihrer Kontrolle entziehen, von gravierenden Schwierigkeiten ernstlich bedroht sind.
Darüber hinaus haben die Mitgliedstaaten in einer intergouvernementalen Vereinbarung
Vorsorge getroffen, um nach Ausschöpfung dieses Instrumentes einer weiteren Eskalation
auf den Finanzmärkten durch eine zusätzliche Unterstützungsmöglichkeit zu begegnen.

B. Lösung

Es ist beabsichtigt, eine Zweckgesellschaft zu gründen, die durch Gewährung von Krediten
von bis zu 440 Mrd. Euro eine drohende Zahlungsunfähigkeit von Mitgliedstaaten abwehren
soll. Die Refinanzierung dieser Zweckgesellschaft erfolgt am Kapitalmarkt. Hierfür erhält die
Zweckgesellschaft Garantien von den Euro-Mitgliedstaaten. Der jeweilige Anteil der
teilnehmenden Euro-Mitgliedstaaten richtet sich nach ihrem Anteil am Kapitalschlüssel der
Europäischen Zentralbank (EZB). Hieraus errechnet sich für die Bundesrepublik Deutschland
ein maximales Garantievolumen von 123 Mrd. Euro. Bei unvorhergesehenem und unabweisbarem
Bedarf kann die Garantieermächtigung mit Einwilligung des Haushaltsausschusses
des Deutschen Bundestages um 20 Prozent überschritten werden.

C. Alternativen

Keine

D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte

1. Haushaltsausgaben ohne Vollzugsaufwand
Es entstehen keine unmittelbaren Ausgaben. Die mittelbaren finanziellen Auswirkungen sind
nicht bezifferbar.

2. Vollzugsaufwand
Der Vollzugsaufwand ist vernachlässigbar.

E. Sonstige Kosten

Das Gesetz führt nicht zu zusätzlichen Kosten für die Wirtschaft einschließlich der
mittelständischen Unternehmen. Durch die vorgesehenen Maßnahmen sind Auswirkungen
auf Einzelpreise und das Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucherpreisniveau, nicht
zu erwarten.

F. Bürokratiekosten

Es werden keine Informationspflichten für Unternehmen eingeführt, vereinfacht oder
abgeschafft.

 

Entwurf eines Gesetzes zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen
eines europäischen Stabilisierungsmechanismus

Vom…
Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:
§ 1
Gewährleistungsermächtigung
(1) Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, für Kredite, die eine von den
Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebietes gegründete oder beauftragte Zweckgesellschaft
zur Finanzierung von Notmaßnahmen zum Erhalt der Zahlungsfähigkeit eines Mitgliedstaates
des Euro-Währungsgebietes aufnimmt, Gewährleistungen bis zur Höhe von insgesamt
123 Milliarden Euro zu übernehmen, sofern diese Kredite als Notmaßnahmen zum Erhalt der
Zahlungsfähigkeit des betroffenen Mitgliedstaates erforderlich sind, um die Finanzstabilität in
der Währungsunion sicherzustellen. Voraussetzung für die Übernahme der Gewährleistung
für Finanzierungsmaßnahmen der Zweckgesellschaft ist, dass der betroffene Mitgliedstaat mit
dem Internationalen Währungsfonds und der Europäischen Kommission unter Mitwirkung
der Europäischen Zentralbank ein wirtschafts- und finanzpolitisches Programm vereinbart hat
und dass dies von den Staaten des Euro-Währungsgebietes einvernehmlich gebilligt wird. Die
Gefährdung der Zahlungsfähigkeit eines Mitgliedstaates des Euro-Währungsgebietes ist zuvor
durch die Staaten des Euro-Währungsgebietes unter Ausschluss des betroffenen Landes gemeinsam
mit dem Internationalen Währungsfonds und der Europäischen Zentralbank einvernehmlich
festzustellen. Gewährleistungen nach Satz 1 können nur bis zum 30. Juni 2013
übernommen werden.
(2) Die Übernahme von Gewährleistungen nach Absatz 1 setzt voraus, dass die Staaten
des Euro-Währungsgebietes unter Ausschluss des betroffenen Landes und unter Mitwirkung
der Europäischen Zentralbank und in Benehmen mit dem Internationalen Währungsfonds einvernehmlich
übereinkommen, dass Notmaßnahmen nach der Verordnung des Rates der EU
zur Errichtung eines Europäischen Finanzstabilisierungsmechanismus nicht oder nicht in
vollem Umfang ausreichen, um die Gefährdung der Zahlungsfähigkeit des betreffenden Mitgliedstaates
des Euro-Währungsgebietes abzuwenden.
(3) Eine Gewährleistung ist auf den Höchstbetrag dieser Ermächtigung in der Höhe anzurechnen,
in der der Bund daraus in Anspruch genommen werden kann. Zinsen und Kosten
sind auf den Ermächtigungsrahmen nicht anzurechnen.
(4) Vor Übernahme von Gewährleistungen nach Absatz 1 ist der Haushaltsausschuss des
Deutschen Bundestages zu unterrichten, sofern nicht aus zwingenden Gründen eine Ausnahme
geboten ist. Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages ist darüber hinaus
vierteljährlich über die übernommenen Gewährleistungen und die ordnungsgemäße Verwendung
zu unterrichten.
(5) Der Gewährleistungsrahmen nach Absatz 1 kann unter den Voraussetzungen des § 37
Absatz 1 Satz 2 der Bundeshaushaltsordnung mit Einwilligung des Haushaltsausschusses des
Deutschen Bundestages um bis zu 20 Prozent der in Absatz 1 genannten Summe überschritten
werden.

§ 2
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.
Berlin, den 11. Mai 2010
Volker Kauder, Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) und Fraktion
Birgit Homburger und Fraktion
elektronische Vorab-Fassung*

Begründung

Im Zuge der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise hat sich die Situation der öffentlichen
Haushalte in den EU-Mitgliedstaaten erheblich verschlechtert. Die jüngste Verschärfung der
Krise hat dazu geführt, dass sich in einigen Mitgliedstaaten die Finanzierungsbedingungen in
kürzester Zeit in einer Weise verschlechtert haben, die sich nicht durch Fundamentaldaten
erklären lässt. Eine weitere Eskalation der Lage würde nicht nur die Zahlungsfähigkeit dieser
Staaten gefährden sondern eine ernste Gefahr für die Finanzstabilität der Währungsunion
insgesamt nach sich ziehen.
Aus diesem Grund hat der Rat der Europäischen Union am 10. Mai 2010 Maßnahmen zur
Sicherung der Finanzstabilität beschlossen. Der Rat hat befürwortet, dass die Pläne zur
Haushaltskonsolidierung beschleunigt werden, und entsprechende Ankündigungen von
Portugal und Spanien begrüßt. Der Rat wird außerdem eine Verordnung erlassen, die es ihm
ermöglicht, auf Vorschlag der EU-Kommission Mitgliedstaaten unter bestimmten
Bedingungen finanziellen Beistand der Europäischen Union zu gewähren. Voraussetzung
dafür ist, dass diese Mitgliedstaaten durch außergewöhnliche Ereignisse, die sich ihrer
Kontrolle entziehen, von gravierenden Schwierigkeiten ernstlich bedroht sind.
Dieses neue Gemeinschaftsinstrument wird garantiert durch den EU-Haushalt. Das zu
garantierende Volumen hierzu wird begrenzt durch die Eigenmittelobergrenze. Hieraus
resultiert ein maximal mögliches Kreditvolumen von ca. 60 Mrd. Euro, das zunächst in
Anspruch genommen werden muss.
Darüber hinaus haben die Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebietes in einer
intergouvernementalen Vereinbarung Vorsorge getroffen, um nach Ausschöpfung dieses
Instrumentes einer weiteren Eskalation auf den Finanzmärkten durch eine zusätzliche
Unterstützungsmöglichkeit zu begegnen. Hierzu ist beabsichtigt, eine Zweckgesellschaft zu
gründen, die durch Gewährung von Krediten von bis zu 440 Mrd. Euro eine drohende
Zahlungsunfähigkeit von Euro-Mitgliedstaaten abwehren soll. Die Refinanzierung dieser
Zweckgesellschaft erfolgt am Kapitalmarkt. Hierfür erhält die Zweckgesellschaft Garantien
von den Euro-Mitgliedstaaten. Der jeweilige Anteil der teilnehmenden Euro-Mitgliedstaaten
richtet sich nach ihrem Anteil am EZB-Kapitalschlüssel. Hieraus errechnet sich für die
Bundesrepublik Deutschland ein Anteil von rd. 28 Prozent. Das entspricht einem maximalen
Garantievolumen von 123 Mrd. Euro. Bei unvorhergesehenem und unabweisbarem Bedarf
kann die Garantieermächtigung mit Einwilligung des Haushaltsausschusses des Deutschen
Bundestages um 20 Prozent überschritten werden.
Zusätzlich wird erwartet, dass sich der Internationale Währungsfonds mit mindestens der
Hälfte der von europäischer Seite aufgebrachten Mittel an etwaigen
Finanzierungsmaßnahmen beteiligt.
Grundlage für etwaige Finanzierungsmaßnahmen ist, dass der betroffene Euro-Mitgliedstaat
mit dem Internationalen Währungsfonds, der Europäischen Kommission unter Mitwirkung
der Europäischen Zentralbank ein wirtschafts- und finanzpolitisches Programm vereinbart hat,
dass einvernehmlich von den Staaten des Euro-Währungsgebiets gebilligt wurde.
Ziel des Gesetzes ist es, die Finanzstabilität in der Europäischen Währungsunion
sicherzustellen. Die Regelung ist daher als Ultima Ratio – auch mit Blick auf die Beteiligung
des Internationalen Währungsfonds und der Europäischen Union – mit den Vorgaben des
Rechts der Europäischen Union vereinbar, insbesondere mit den Regeln über die Wirtschaftsund
Währungspolitik im Titel VIII des Dritten Teils des Vertrags über die Arbeitsweise der
Europäischen Union.
Die Übernahme von Garantien, die zu Ausgaben in künftigen Rechnungsjahren führen
können, erfordert nach Artikel 115 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) eine der Höhe nach
bestimmte oder bestimmbare Ermächtigung durch Bundesgesetz. Mit dem Gesetzentwurf
wird dem Erfordernis des Artikels 115 Absatz 1 GG entsprochen. Da die Programme das Ziel
verfolgen, die Zahlungsfähigkeit des betroffenen Landes in vollem Umfang zu erhalten bzw.
wiederherzustellen, ist die Wahrscheinlichkeit einer Inanspruchnahme des Bundes aus der
Garantie gering.
Es gilt die für Gewährleistungsermächtigungen nach dem Haushaltsgesetz übliche
Anrechnungsregel. Vor der Übernahme einer Gewährleistung nach diesem Gesetz und
nachfolgend vierteljährlich ist der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages zu
unterrichten.

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