Diese Woche liefert jede Menge Stoff für die Finanzmarktregulierungsdebatte. Auf der einen Seite unterstützt und rettet das Währungsstabilisierungsgesetz Banken vor einer erneuten Finanzkrise, in die einige Institute geschlittert wären, wenn Griechenland und andere Staaten Teil ihrer Schulden nicht bezahlt hätten. Im Gegenzug werden die Leinen festgezogen mit einer Transaktionssteuer und dem (vor-)eiligen Verbot von Leerverkäufen.
Diese kleine Regulierungswelle folgt aber keinem schlüssigen Regulierungskonzept, sondern ist populistisch motiviert. Wolfgang Münchau fasst das Bild über die zu “zähmenden” Finanzmärkte in der FTD so zusammen:
“Sie treffen sich geheim in einem Hotel, um zu beraten, wie man den Euro aushebelt und unsere Sozialordnung zerstört. Sie sprechen Englisch, haben krumme Nasen, und wenn sie zur Attacke blasen, dann fallen sie über uns herein wie Heuschrecken, die alles abgrasen. Sie benutzen moderne Derivate, um ihr übles Spiel zu treiben, und wie auch immer ihr Spiel ausgeht, sie gewinnen. Die Zeche bezahlt der ahnungslose deutsche Steuerzahler – wie immer. Ein Glück, dass es bald die Finanztransaktionssteuer gibt.”
Der Blick Log ist bekanntlich kein Freund von ausufernder Regulierung, vor allem, wenn sie populistisch platziert wird. Mit einer Bankabgabe konnte ich mich vor einigen Wochen gut anfreunden, weil damit das Moral-Hazard-Risiko internalisiert wird und die Erwartung als „systemrelevante“ Bank gerettet zu werden, über diesen Weg besteuert wird.
Eine Transaktionssteuer dagegen macht Finanzgeschäfte teurer und reduziert die Marktliquidität. Die daraus resultierenden indirekten Kosten werden die Steuer um ein Mehrfaches übersteigen und nehmen den Finanzmärkten einen Teil des Nutzens, den viele erst erkennen, wenn er nicht mehr da ist.
Kreditausfallversicherungen zu verbieten halte ich für ausgemachten Blödsinn und habe das zuletzt in diesem Beitrag dargelegt. Allerdings kann ich die aktuelle internationale Aufregung darüber nicht nachvollziehen. Ein Blick in die BaFin-Verfügung offenbart, dass das „Verbot“ nur für ungedeckte Kreditderivate auf Staatstitel gilt und hier sogar eine Hintertür offen lässt (siehe Ausnahmeregeln in Ziffer II. und III).
Ein Verbot ungedeckter Leerverkäufe auf bestimmte Finanztitel ist aber eigentlich überflüssig, denn Finanzhäuser müssten selbst ein Interesse haben, solche Geschäfte nur beschränkt zuzulassen, wenn sie daraus ein Kreditrisiko tragen. Risikobereites Smart Money wird man mit diesem Aktionismus nicht bremsen, denn es findet einen anderen Weg finden, um an fallenden Kursen zu verdienen (was ist daran eigentlich schädlich?). Guter Hintergrundbeitrag zu Leerverkäufen hier in der FTD.
Hedgefonds sollen innerhalb der EU mit schärferen Kontrollen und Meldevorschriften ebenfalls stärker reguliert werden. Ohne auf die Details einzugehen, halte ich den Nutzen für fragwürdig. Hier entsteht in jedem Fall nur eine neue Bürokratie, auf die sich die großen Spieler leicht einstellen werden. Kleinere Spieler wechseln im Zweifel den Standort und betreiben ihre Geschäfte etwa aus der Schweiz.
Als vorläufiges Fazit bleibt die Feststellung, dass plötzlich Gas gegeben wird und uns wieder einmal Fragmente einer neuen Finanzordnung präsentiert werden. Die meisten Maßnahmen müssen noch den Gesetzgebungsprozess überstehen. Die Gegenwehr der Finanzhäuser wird sicher bei der Transaktionssteuer am höchsten sein. Dies nicht nur wegen der zusätzlichen Belastung, sondern weil die Umsetzung extrem aufwendig sein wird. Je nach Ausgestaltung kann die Transaktionssteuer teurer in der Implementierung werden als etwas die Abgeltungssteuer. Und die hat vielen Banken trotz ihrer vermeintlichen Einfachheit große Probleme in der Anpassung ihrer Systeme gebracht.
Blog- und Medienberichte
FTD: Das Kapital – Berlins großer Bluff (19.5.10): Der Schattenkampf der Bundesregierung gegen die sogenannten Spekulanten gipfelt vorerst im absurden Leerverkaufsverbot. Dass es mit solchen Ablenkungsmanövern durchkommt, liegt unter anderem am mangelnden wirtschaftlichen Sachverstand der Wählerschaft.
Egghat: CDS in Deutschland verboten … … und (wie früher schon einmal) auch ungedeckte Leerverkäufe auf einige Aktien aus der Finanzbranche.
Internationale Presseschau: Berlins Imponiergehabe gegenüber Spekulanten (20.5.10): Die internationale Wirtschaftspresse torpediert Berlins Verbot ungedeckter Leerverkäufe und vermutet politische statt ökonomische Motive. Die EZB sei keine Geisel deutscher Ängste, mahnt Les Echos. Die FTD rät von Staatshilfen für Opel ab und will die Werke in Eisenach und Bochum schließen. Fundstück: Berlin reguliert WM.
HB: Gemeinsamer Brief: Papandreou will Kreditausfallversicherungen verbieten (18.5.10): Griechenlands Premierminister Giorgos Papandreou bleibt bei seiner Forderung eines Verbots von Kreditausfallversicherungen. In einem gemeinsamen Brief mit Nicholas Sarkozy, Angela Merkel und Jean-Claude Juncker hatte er eine Untersuchung dieses Marktes für Kreditausfallversicherungen angeregt.
Zero Hedge: Full BaFin Naked Short Ban Announcement
FTD: Finanzmarktregulierung – Schwarzer Tag für Hedge-Fonds und Zocker (18.5.10): Europa scheint ernst zu machen mit der Regulierung der Finanzmärkte und mit dem Kampf gegen Spekulanten. In Deutschland sollen ungedeckte Leerkäufe von Aktien und Staatsanleihen verboten werden. Auch Hedge-Fonds werden gemaßregelt. Zudem droht dem Markt eine neue Steuer.
Zero Hedge: The Definitive Incomplete Analysis Of Today’s German Shock And Awe
Spon: Die Volks-Beruhigungssteuer
HB: Finanzmarkt-Regulierung: BaFin verbietet ungedeckte Leerverkäufe (18.5.10): Die deutsche Finanzaufsicht will von diesem Mittwoch an bestimmte hoch spekulative Wetten von Investoren auf fallende Kurse verbieten. Hier die entsprechende Presseerklärung und die Erlasse
- Allgemeinverfügung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zum Verbot ungedeckter Leerverkäufe in Schuldtiteln von Mitgliedsstaaten der EU, deren gesetzliche Währung der Euro ist, vom 18. Mai 2010
- Allgemeinverfügung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zum Verbot der Begründung oder des rechtsgeschäftlichen Eintritts in ein Kreditderivat, soweit keine nicht nur unwesentliche Risikoreduktion beim Sicherungsnehmer gegeben ist, vom 18. Mai 2010
- Allgemeinverfügung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zum Verbot ungedeckter Leerverkäufe in bestimmten Aktien vom 18. Mai 2010
FTD: Reformdiskussion – So soll der Fiskus Spekulanten stoppen: Die Idee einer Steuer auf sämtliche Börsengeschäfte hat eine treue Fangemeinde. In der Euro-Krise bekommt sie wieder Gehör, doch Kritik an dem Konzept bleibt bestehen. FTD.de zeigt, wie die Transaktionssteuer funktionieren soll und welche Alternative diskutiert wird.
FTD: Attacke gegen Spekulanten Deutsches Anti-Zockerpaket verunsichert Märkte weltweit: Die Bafin untersagt ungedeckte Leerverkäufe von Euro-Zonen-Anleihen und Kreditderivaten. Investoren reagieren entsetzt: Der Kreditderivate-Handel trocknet aus, der Euro fällt auf knapp 1,21 $. Das Vertrauen in die deutsche Finanzpolitik ist angekratzt.
Wiwo: Der Spekulant: Schwager der Heuschrecke oder Diener der Gerechtigkeit? Was haben sie in Prügel einstecken müssen – die Spekulanten: Den Euro sollen sie „attackiert“, Griechenland in und Spanien an den Rand des Abgrunds gebracht haben. Ganz falsch, meint unser Kolumnist.
HB: Finanzmarktregulierung: Europäer schrecken vor Verboten zurück (17.5.10): Wunsch und Wirklichkeit klaffen immer weiter auseinander bei der Regulierung der europäischen Finanzmärkte. Das politische Kampfgetöse gegen die Spekulanten helfe nicht weiter, warnt die EU-Kommission. „Das Thema ist extrem komplex“, sagt der für Finanzdienstleistungen zuständige Kommissar Michel Barnier. Politische Fehler könnten „äußerst ernste Konsequenzen haben“.
FTD: Schäubles Vorstoß überrascht ganz Europa: Monatelang wurde weltweit diskutiert, wie Auswüchse an den Märkten gezügelt werden könnten. Schwarz-Gelb setzt sich an die Spitze: Mit dem Verbot ungedeckter Leerkäufe von Bankenaktien, Staatsanleihen und CDS prescht die Bundesrepublik vor
Spon: Geplante Finanzsteuer – Wie sich Schwarz-Gelb verspekuliert: Die Koalition will eine europaweite Finanzsteuer durchsetzen und gebärdet sich als Kämpferin gegen Spekulanten. Doch das Eigenlob kommt zu früh: Die Gestaltung der Abgabe ist völlig offen, und Experten halten sie nicht nur für unrealistisch – sondern sogar für gefährlich.
Welt: Euro-Krise Euro-Länder stimmen für Transaktionssteuer (18.5.10): Die Finanzminister der Euro-Staaten haben sich auf eine Steuer auf Finanztransaktionen verständigt. Die Banken müssten sich stärker an der Krisenbewältigung beteiligen, sagte der Vorsitzende der Euro-Finanzminister, Juncker. Der in Deutschland umstrittenen Steuer habe sich kein Land widersetzt.
Vielleicht musste das Leerverkaufsverbot rechtzeitig zur Bundestagsdebatte am Mittwoch da sein. Kam bestimmt sehr gut an bei der Opposition.
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