Aufarbeitung der Finanzkrise: Warren Buffett wird entzaubert (+Video)

by Dirk Elsner on 4. Juni 2010

image Ganz neue Töne, die da im Handelsblatt über Warren Buffett zu lesen waren unter der Überschrift Entzauberung einer Legende, Rolf Benders schrieb: “Der US-Investor muss sich heute vor dem US-Kongress für seine Rolle in der Finanzkrise rechtfertigen. Vor allem die Rettung von Goldman-Sachs im Krisenjahr 2008 kratzt am Image der Investorenlegende. Die Kritik am "Orakel von Omaha" wächst.” Erstmals waren damit kritische Schlagzeilen über den sonst gerade von den Wirtschaftsmedien gefeierten Investor zu lesen.

Und Benders legt nach mit prominenten Stimmen:

"Dieser Zirkus einer Jahreshauptversammlung, die Darstellung, er tue nichts anderes, als Cherry-Coke zu trinken und Online-Bridge mit Bill Gates zu spielen, das ist alles eine Masche, mit der er sich als altmodischer Außenseiter geriert. Schaut man hindurch, ist er einfach ein Wall-Streeter", schreibt Duff MacDonald, angesehener Wirtschaftsautor in der jüngsten Ausgabe des "New York Magazins".

Seit Monaten nervt die übertriebene Buffett-Hörigkeit vieler Marktbeoachter, Analysten und Kommentatoren. Kritische Worte über die Engagements des ”Orakels von Omaha” waren selten zu lesen. Keine Frage, Buffett ist ein sehr cleverer Investor mit einem ausgezeichneten Instinkt und erfolgreicher Selbstvermarktung. Ich habe größten Respekt vor seinen geschäftlichen Erfolgen. Deswegen muss man ihn aber nicht als Heiligen der Investoren bezeichnen, was eigentlich schon ein Widerspruch in sich ist. Einzig im Herbst 2008 erntete Buffett etwas Kritik, weil Berkshire hohe (Buch-)Verluste durch ein Derivategeschäft erlitt (siehe Warren Buffett zündelt mit den “Massenvernichtungswaffen der Finanzmärkte” und schießt sich an).

Mittlerweile wird sein Engagement bei Goldman Sachs kritischer gesehen. “Er ist im Herzen ein Bewohner der Wall Street", zitiert Benders den Autor einer Biografie über JP-Morgan-Chef Jamie Dimon. Und Buffett musste am vergangenen Mittwoch Stellung nehmen zu den viel kritisierten Rating-Agenturen.

Buffett musste laut einem Sprecher der Financial Crisis Inquiry Commission mit juristischen Mitteln zur Aussage gezwungen werden, schreibt die FTD. Er weigerte sich außerdem, wie sonst bei solchen Anhörungen üblich, vorab eine schriftlich Stellungnahme einzureichen. Am Mittwoch ging es in der Befragung des Ausschusses, der versucht, die Ursachen der Finanzkrise zu ergründen, um die Rolle der Rating-Gesellschaften.

Vor der Kommission distanzierte er sich halbherzig von Moody´s, an der über seine Holding Berkshire Hathaway mit 20% (mittlerweile nur noch mit 13%) beteiligt war(Auszüge über Handelsblatt):

"Ich denke, sie haben wie alle anderen falsch gelegen. Auch ich habe, ebenso wie die übrigen 300 Millionen Amerikaner, die Blase am Immobilienmarkt nicht kommen sehen“, sagte Buffett bei einer Anhörung vor dem Finanzkrisen-Untersuchungsausschuss FCIC in Washington. Buffett, der sonst das Licht der Öffentlichkeit sucht und vor knackigen, eindeutigen Aussagen nicht zurückschreckt, beharrte oft einsilbig auf der These, dass bis auf ein paar wenige Experten niemand die Krise habe kommen sehen.

Auf die Frage, ob nicht auch Großaktionäre, die am Geschäftsmodell von Moody’s verdient hätten, eine verantwortungsvollerer Rolle hätten spielen müssen, wiederholte er lediglich. „Ich habe damals nicht da gesessen und die Krise kommen sehen. Wenn ich es getan hätte, ich meine Aktien vermutlich verkauft“.

Eine Distanzierung von den Ratingagenturen, wie das etwa die FTD gehört haben will, kann man aber im Prinzip von Buffett genau so wenig erwarten, wie eine distanzierte Analyse der Ursachen der Finanzkrise. Seine Aussagen werden am Ende nur ein weiterer Mosaikstein für das Big Picture der letzten drei Jahre sein.

Der Auftritt von Warren Buffett vor der Financial Inquiry Commission kann hier in voller Länge nachgesehen werden.

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