Banklobby mit starkem Regulierungsvorschlag: Bail-in statt Bail-out als Modell zur Bankenrettung

by Dirk Elsner on 30. August 2010

Politiker und Notenbanker hatten der verunsicherten Weltöffentlichkeit nach der Lehman-Pleite vor fast 24 Monaten und dem Taumeln der Finanzmärkte, in deren Folge die größte Wirtschaftskrise seit den 30er Jahren ausgebrochen ist, eine neue Finanzordnung versprochen. Was daraus geworden ist, kann in den Archiven des Blick Logs besichtigt werden (Diskussion bis Ende 2009 und hier ab 2010).

Über den Sinn vieler Vorschläge will dieser Beitrag nicht streiten. Bisher habe ich keinen Vorschlag gesehen, der zwei wichtige Stakeholdergruppen einer Bank selbst stärker in die Verantwortung nimmt, nämlich die Aktionäre und die Anleihegläubiger. Dabei profitieren diese überdurchschnittlich stark von den staatlich Hilfsmaßnahmen und den weiterhin bestehenden impliziten Rettungsversprechen von Regierung bei Gefährdung “systemrelevanter” Banken.

Die Association for Financial Markets in Europe (AFME) hat nun einen für eine Lobbyorganisation der Finanzbranche starken Vorschlag gemacht (Presseerklärung dazu hier), der nach meiner Auffassung für ein verbessertes Gleichgewicht der Interessen der Stakeholder und dem Steuerzahler sorgen könnte: Diese Idee firmiert unter dem Titel Bail-in Capital. Darunter versteht man die Pflicht zur Umwandlung von (Teilen des) Fremdkapital(s) in Eigenkapital, wenn ein Unternehmen kriselt. Dadurch wird automatisch die Eigenkapitalausstattung eines taumelnden Finanzhauses verbessert und damit die Fähigkeit, sich wieder besser refinanzieren zu können.

Die AFME zeigt in einer Studie, dass 90% der Anleiheschulden von Lehman wiederhergestellt hätten werden können, wenn dieses Instrument zur Verfügung gestanden hätte (ob das richtig ist, kann ich freilich nicht prüfen). Aktuell jedenfalls können Bondgläubiger mit der Rückzahlung von etwa 20% ihrer Forderungen rechnen. Nach dem Vorschlag der AFME hätten die verschiedenen Fremdkapitaltranchen in bestimmten Verhältnissen umgetauscht werden können und die Eigenkapitalquote von Lehman so auf bis zu 20% auffrischen können.

Bail-ins in dieser Form setzen eine Änderung der Insolvenzordnung voraus, weil gegenwertig eine Umwandlungspflicht (Fachleute sprechen von einem debt-equity-swap) nicht besteht und sie zur Vermeidung von Missbrauch an bestimmte Bedingungen zu knüpfen wäre. Gläubiger profitieren aber, und das haben auch andere Untersuchungen gezeigt, mehr von einer Fortführung eines Unternehmens als von seiner Zerschlagung.

Bemerkenswert ist an der Idee, dass sie von einer Lobbyvertretung der Banken kommt. Wird der Vorschlag nämlich umgesetzt, dann hat er unmittelbaren Einfluss auf die Refinanzierungskosten. Anleihegläubiger würden für das Risiko, dass ihre als Fremdkapital verliehenen Gelder plötzlich teilweise in Eigenkapital umgewandelt werden könnten, eine Prämie verlangen. Dies hält aber die AFME für marktgerecht. Aktuell profitieren viele Institute bei der Fremdkapitalbeschaffung von der “impliziten” Staatsgarantie. Im Klartext, Banken können sich aktuell nur deswegen so günstig Kapital beschaffen, weil die Gläubiger wissen, dass der Staat im Zweifel die Institute retten würde.

Diese implizite Staatsgarantie bringt vielen Instituten derzeit Milliarden Euro an Zinsersparnissen und stellt eine versteckte Subvention dar, die für eine enorme Wettbewerbsverzerrung im Finanzsektor sorgt. Damit wird eine mögliche Motivation der AFME-Mitglieder deutlich: Sie wollen die Wettbewerbsverzerrung für schwache Institute beenden und den starken Instituten mehr “Marktgerechtigkeit” verschaffen.

Klar, der Vorschlag löst natürlich eine Menge von Detailfragen aus, etwa mit welcher Quote jeweils unterschiedlich besicherte Schuldner verpflichtet werden sollen und was etwa mit Spar- und Geldeinlagen passiert. Diese Details lässt der Vorschlag wohl bewusst offen. Aber wenn die Politik klug ist, dann nimmt sie diesen Ball der Finanzlobby auf und diskutiert ihn ernsthaft weiter. Vielleicht könnte dieser Vorschlag ja auch für kriselnde Unternehmen außerhalb des Finanzsektors interessant sein.

Soweit ich das übersehe, ist dies der erste wirklich konstruktive Vorschlag einer Lobbyorganisation. Bisher sind die Interessenvertreter der Finanzbranche eher durch Drohungen gegen Regulierungsvorschläge und pauschale Forderungen aufgefallen. Schade, dass die deutsche Wirtschaftspresse dieses Thema nicht aufgegriffen hat (hier ein Bericht in der FT)

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