Andrew Haldane, verantwortlich für die Finanzmarktstabilität bei der Bank of England, ließ in einem Interview vor kurzem wissen, dass man für die Überwindung der Finanzkrise mehr tun müsse, als nur bessere Regeln für das alte Spiel zu entwickeln, zitiert ihn Michael Maisch in seiner Kolumne im Handelsblatt. Nach Haldanes Meinung ist der Finanzsektor schlicht zu groß, zu komplex und zu riskant (siehe dazu diesen Aufsatz mit Haldane als Co-Autor sowie diesen Bericht in der FAZ).
Einen Befürworter hat Haldane sicher in Nicholas Nassim Taleb, der in seiner Fortsetzung des Schwarzen Schwans ebenfalls auf die Größe und Komplexität im Finanzsystem eingeht (Auszug aus dem Buch im Handelsblatt unter Die Natur als Vorbild für das Finanzsystem)
“Charles Tapiero und ich haben mathematisch gezeigt, dass viele unvorhergesehene Fehler und zufällige Schocks großen Organismen mehr schaden als kleineren. Wir haben auch die enormen Kosten berechnet, die der Gesellschaft dadurch entstehen; wenn Unternehmen fallen, müssen wir ja die Rechnung zahlen. Das Problem ist aber, dass Regierungen dazu neigen, vor allem diese großen Unternehmen zu unterstützen, da ja „viele Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen“. Außerdem haben solche Unternehmen Lobbyisten, die lautstark falsche Behauptungen aufstellen. Große Unternehmen bekommen daher staatliche Unterstützung, werden noch größer und fragiler und reißen in gewisser Weise die Regierung an sich, wie Karl Marx und Friedrich Engels vorhergesagt haben. Friseure und kleine Firmen scheitern hingegen, ohne dass das irgendjemanden kümmern würde; sie müssen effizient sein und sich an die Spielregeln halten.”
Taleb schaut in dem Beitrag auf biologische Systeme und ihre durch die Evolution entwickelten Mechanismen, Risiken zu reduzieren. Das ist gefällig und interessant zu lesen, auch wenn man die zum Teil überhebliche Arroganz mit der Taleb schreibt, nicht teilen muss.
Leider aber erfüllt der Artikel nicht das, was er in der Überschrift verspricht, nämlich mit welchen “Anleihen” in der Natur, das Finanzsystem tatsächlich profitieren könnte.
Dels, kennst du den Schlußbericht der Uni Zürich, über TbtF schon?
http://www.isb.uzh.ch/pdf/UZH-Schlussbericht_Faktische-Staatsgarantie-fuer-Grossbanken_2010-07-08.pdf
Faktische Staatsgarantie
für Grossbanken
Schlußbericht 8 Juli 2010
58 Seiten, die ziemlich viele Mechansimen aufzeigen.
Auch Mehrfachstaatsrettungen werden dort mit berücksichtigt usw usf..
Ziemlich interessant..
@enigma
Eben da liegt das große Problem des heutigen Finanzsystems. Die Banken sind nicht nur zu groß so das sie too big to fail sind, sondern aber auch so bedeutend für die Staatsschuldenfinanzierung, dass sie ein mächtiges Drohpotenzial gegenüber Politikern in der Hand haben. Wer es sich salopp gesagt mit der Führungsetagen der großen Banken verscherzt kann sich schon mal auf griechische Verhältnisse einstellen.
Auf was Taleb mit seinen Analogien zu der Natur hinauswill sind vorallem redundante Systeme. Fällt eines aus, steht ein anderes bereit, dass die Funktionen des ausgefallenen übernehmen kann. Die heutige Finanzwelt der Großbanken ist aber so voneinander abhängig, dass wenn eine Großbank fällt die anderen gleich mit fallen. Also genau das Gegenteil von Redundanz.
Früher war um solche Summen zu stemmen sicher nötig das dies einzelne Große Banken übernehmen. Doch in der heutigen vernetzten Welt, warum sollen nicht auch die Banken Schwärme kleinerer Banken bilden. Fällt darin eine Bank aus, so wird dadurch nicht das System gefärdet. Es tritt dann eine andere an ihre Stelle.
Sicher:
„Die Eintrittsbarrieren für manche Geschäftsbereiche sind so hoch, dass es neue Wettbewerber sehr schwer haben.“
O – Ton Ackermann, aus:
http://www.faz.net/s/Rub58241E4DF1B149538ABC24D0E82A6266/Doc~E10569058E50A4F888BFCCAD3B5A4648C~ATpl~Ecommon~Scontent.html
M.E. besitzten Banken Eigenschaften, die an natürliche Monopole (oder nat. Oligopole?) erinnern. Bei denen ist Größe jedoch kein Nachteil, sondern Effizienzbedingung. Insofern ist Regulierung als Markteintrittsbarriere bestenfalls die halbe Wahrheit. Ich behaupte mal ungeschützt, daß sämtliche 2.0 Newcomer nicht für einen Tag den Finanzbedarf des Bundeshaushaltes stemmen könnten, aber da spielt die Musik, die Staatswesen am Leben erhält. Und vor diesem Hintergrund ist die romantische Vorstellung, daß viele „kleine“ Banken eine große ersetzen können nicht gut begründet, geschweige denn, daß Staaten darauf hinwirken würden, diejenigen, die ihnen die Defizitfinanzierung ermöglichen, in ihren Handlungsmöglichkeiten zu beschneiden.
Was Taleb angeht habe ich mich darüber lustig gemacht, daß die Verwendung von Allegorien lediglich dazu geeignet ist, den eigenen Marktwert mit Hilfe von Geschichten aus 1001 Nacht zu steigern. Damit leistet man jedoch nur falschem Verstehen Vorschub. Und was den Vergleich mit der Natur angeht, ist Taleb gegenüber Maturana / Varela ein Waisenknabe.
Ich halte die Größe tatsächlich für ein Problem. Ob aber z.B. die Zerschlagung das Problem löst, dürfte zweifelhaft sein. Besser fände ich, wenn der Einstieg für neue Wettbewerber einfacher wäre. Gerade dies wird aber durch die Regulierung behindert.
Ich halte die ständig rumgeleierte Behauptung, daß das Finanzsystem so komplex sei für eine alberne Schutzbehauptung, um davon abzulenken, daß letztlich (bis auf Realinvestitionen) nur mit miesen Instinkten versucht wird, Geld zu machen.
Und Ihre Einschätzung, daß das Geseiere eines Taleb nicht ein Fünkchen Erkenntnis beinhaltet, unterstütze ich zu 100%! Sie drücken es nur höflicher aus. Denn die Dino – Nummer auf das „too big to fail“ zu beziehen, ist nur billig, aber die Amis (und für die prophezeit er ja) sind ja schlichten Gemütes!
Comments on this entry are closed.