Auch zwei Jahre nach der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers und unzähligen Absichtserklärungen das Finanzsystem sicherer zu machen, wartet die Finanzbranche immer noch auf die geplanten Änderungen der Eigenkapitalregeln, im Volksmund Basel III genannt. Heute tagt der Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht und will bis zum Wochenende die finalen Regelungen dieses zentralen Bausteins einer neuen Finanzordnung vereinbaren.
Bereits im Juli sickerte durch, das nach Druck der Bankenlobby die neuen Spielregeln laxer auszufallen als es der erste Entwurf (hier das ursprüngliche Konsultationspapier als pdf, ein gut lesbare Zusammenfassung und am 1.110. aktualisierte Zusammenfassung hier der Kapitalanforderungen und hier der Liquiditätsanforderungen Deloitte hier als pdf) vorgesehen hat. Die neue Fassung soll inhaltlich entschärft sein und die Anwendung angeblich von 2012 auf 2018 verschieben.
Zu den Grundprämissen von Basel III schrieben David Milleker und Stefan Sauerschell (beide Union Investment) in der FTD:
“Basel hat das Ziel, die Geschäftsaktivität einer Bank so zu regulieren, dass die Ausfallwahrscheinlichkeit der Bank minimiert wird. In der Realität ist die Ausfallwahrscheinlichkeit einer Bank aber nicht unabhängig von der Ausfallwahrscheinlichkeit anderer Banken. Gerade im Falle eines systemischen Schocks besteht in der Regel eine positive Korrelation, und durch sich selbst verstärkenden Rückkoppelungsprozesse steigen die Ausfallwahrscheinlichkeiten aller Banken.
Wenn eine Bank eine Schieflage aufweist, kann sie Vermögenswerte verkaufen, die Kreditvergabe einschränken oder neues Eigenkapital aufnehmen. Unabhängig davon, welche dieser drei Optionen gewählt wird: Sie wird Rückwirkungen auf andere Institute haben, die sich in einer ähnlichen Lage befinden. Entweder verfallen beim Verkauf von Vermögenswerten die Preise, was die Bilanz der anderen Institute verschlechtert, oder durch die Einschränkung der Kreditvergabe wird die Liquidität und damit die Zahlungsfähigkeit der Kreditnehmer geschwächt. Bei Aktienneuemissionen kann die Erwartung von Kapitalerhöhungen und somit -verwässerungen eine Abwärtsspirale der Aktienkurse auslösen. ….
Zentraler Ansatzpunkt der Basel-III-Vorschläge hierbei ist die Schaffung besserer Puffer, sodass – um im Bild zu bleiben – sich erst gar keiner aus seinem Sitz erheben muss. Die Instrumente hierfür sind eine Erhöhung der Eigenkapitalausstattung und eine verstärkte Fristenkongruenz von Anlage und Finanzierungsform, das heißt eine größere Übereinstimmung der Fristen von Kapitalbindung und Kapitalüberlassung durch eine verbesserte Liquiditätssteuerung.”
Das was sich hier gut liest, wird in der Praxis zunehmend bezweifelt. So hat etwa, wie das Handelsblatt am Montag in der Printausgabe (paid content) feststellte, fast jede Nation bereits ein paar kleine nationale Egoismen auf der Liste der Reform untergebracht, durch die das Werk unübersichtlich und noch komplizierter wird. Die Zeitung fordert eine Eigenkapitalerklärung, die auf einen Bierdeckel passt. Milleker und Sauerschell kritisieren daneben, “dass Basel nur die Banken in den Blick nimmt, nicht aber andere Finanzmarktakteure.”
Ich teile die Kritik und befürchte, dass dieses Reformwerk wie bereits sein Vorgänger seine Wirkung verfehlen wird, dafür aber Finanzhäuser und Regulatoren in Bürokratie ertränkt. Neben der geäußerten Kritik fragt man sich, ob Kreditinstitute durch diese Regeln wirklich sicher gemacht werden.
Wie schon in den Artikeln zum Stresstest ist für den Blick Log Stützels Maximalbelastungstheorie und Schmidts NENLE-Konzept der Maßstab, um festzustellen, ob eine Bank sicher ist. Nach Schmidts Konzept soll der “niedrigster erwarteter Nettoliquidationserlös” (= NENLE) aller Vermögenspositionen einer Bank den erwarteten Gesamtbetrag der Verbindlichkeiten der Bank übersteigen. Das Konzept ist bis hin zu Aufsichtsregeln klar und operationalisierbar. Der entscheidende Frage, die eine Bank beantworten muss ist: Mit welchen Liquidationsdisagien muss sie ihre Vermögenstitel veräußern, um ihre Verbindlichkeiten abzudecken.
Bereits im Juli schrieb ich,
“Würde man nach dem NENLE-Konzept regulieren, könnte man sich Basel-III sparen. Das Konzept passt auf eine Seite und lässt sich deutlich besser kontrollieren. Und das Konzept beinhaltet einen Automatismus dafür, dass riskantere Anlagen mit mehr Eigenkapital unterlegt werden müssen.”
Natürlich ist es in der Praxis nicht ganz so einfach, weil die Kapitalmärkte und ihre Produkte komplexer und intransparenter geworden sind. Und Fakt ist nun einmal, dass es viele nationale Besonderheiten gibt, die über territoriale und sektorale “Aufsichtsarbitrage” genutzt werden können, um jeweils in die Länder und/oder Geschäftseinheiten Geschäftsschwerpunkte zu verlagern, in denen die Regeln relativ schwächer sind.
So darf man gespannt sein, was in diesen Tagen in Basel “gespielt” wird und wie die Reaktionen darauf ausfallen werden. Einen Vorgeschmack liefern ja die unten stehenden Schlagzeilen die reichen von “Banken müssen mit harten Eigenkapitalregeln rechnen” bis zur Drohung “Deutsche Banken befürchten neue Kreditklemme” Ich bin daher ziemlich sicher, dass wir in dieser Woche noch nicht das Finale sehen, sondern bestenfalls das Halbfinale.
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Weitere Meldungen
Reuters: Basel III fordert künftig neun Prozent Kernkapital
Zeit: Basel III – Banken müssen mit harten Eigenkapitalregeln rechnen: Die Institute werden künftig deutlich mehr Eigenkapital vorhalten müssen. Das soll sie im Krisenfall schützen, schmälert aber auch Gewinnchancen.
FTD: Finanzmarktregulierung – Die bittere Pille gegen die nächste Bankenkrise: Die nächste Krise muss verhindert werden. Deshalb arbeitet der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht an strengeren Eigenkapitalregeln, Basel III genannt. Doch die Banken schlagen vor der entscheidenden Sitzung am Dienstag Alarm. FTD.de erläutert die strittigen Punkte.
HB: Presseschau: Basel III weckt Widerstand: Die internationale Wirtschaftspresse meldet vor der Zusammenkunft des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht am morgigen Dienstag Änderungswünsche für Basel III an.
RMRG: Entscheidende Sitzung im Baseler Ausschuss: Deutsche Vertreter stehen unter großem Druck: Die Bankenbranche erwartet die für ihre künftige Geschäftsausrichtung entscheidenden Festlegungen der internationalen Regulatoren. Siehe auf RMRG auch einige weitere Berichte.
FAZ: Baseler Ausschuss – Banken warnen vor Kreditengpass wegen neuer Regeln: Aufsichtsbehörden und Notenbanken aus 27 Ländern wollen neue Kapital- und Liquiditätsregeln vorantreiben. Der Bundesverband der privaten Banken warnt vor „massiven volkwirtschaftlichen Folgen“.
FTD: Basel III – Stoff für die nächste Krise: Die neuen Eigenkapitalregeln für Banken gelten auch in Schwellenländern, obwohl diese die Finanzkrise nicht verursacht haben. Denn es geht nicht um Bestrafung, sondern um Prävention.
HB: Regeln für die Finanzbranche: Banken müssen sich auf hohe Kapitalquoten einstellen: Eine schwere Geburt: Fast neun Monate haben sich die wichtigsten Bankenaufseher der Welt Zeit gelassen, um das Regelwerk auszuarbeiten, das die Branche nach der Finanzkrise an die Kandare nehmen soll. Der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht will nun diese Woche neue Kapitalstandards festlegen. Was zu erwarten ist, erklärten die Finanzwächter Stephen Cecchetti und Stefan Walter im Interview.
FTD: Lehren aus der Finanzkrise – Ein Korsett für alle Finanzakteure: Der Grundgedanke der neuen Bankenregeln, die unter dem Kürzel Basel III vorbereitet werden, ist richtig. Doch es müssen alle Finanzakteure einbezogen werden.
Zeit: Finanzmarkt – Die Schaltstelle der globalisierten Finanzwelt: In der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich versuchen Experten, eine neue Finanzkrise zu verhindern. Eine Reportage aus Basel von Harald Schumann
Reuters: Deutschland erwartet „Basel III“-Einigung nächste Woche
financialtimes: German banks try to fend off Basel III: Germany’s banks have launched a push to see off the threat of tough new in… http://bit.ly/cYR6Zf
Welt: Deutsche Banken befürchten neue Kreditklemme: Kampf gegen die Finanzkrise: Banken benötigen bald mehr Eigenkapital, wenn sie Kredite vergeben. Die Sparkassen warnen nun vor den Folgen.
Mist, Link zum Zitat vergessen.
Ich bin mir nicht sicher, dass es die eine Form der Regulierung gibt, die alle Probleme löst. Schönes Zitat hierzu:
Wichtiger fände ich, dass man mehr nach Prinzipien und weniger nach starren Richtlinien und Gesetzen reguliert.
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