Derzeit läuft in Frankfurt die Buchmesse, eine Veranstaltung, die ich gern besucht hätte, weil für mich das Bummeln in Elektromärkten und in gut sortierten Buchhandlungen die einzig positiven Shoppingerlebnisse sind. Ein Thema der Messe sind, glaubt man der Berichterstattung, einmal mehr E-Books, die in Deutschland aber immer noch zu den digitalen Ladenhütern gehören.
Noch vor 18 Monaten sprachen „Experten“ davon, dass E-Books vor dem Durchbruch stehen und das digitale Zeitalter des Buches einläuten würden. „Experten“ versprachen den E-Books einen noch größeren Aufschwung durch Apples gehypten iPad, der vor allen Journalisten begeistert.
Mittlerweile ist die Euphorie der Verlage und Autoren einer großen Ernüchterung gewichen. Die Relevanz der E-Books-Umsätze bewegt sich im Quantenbereich und ist kaum wahrnehmbar. „Experten“ prognostizieren jetzt, dass sich daran so schnell nichts ändern wird. Ich weiß nicht, ob dies die gleichen Experten sind, die vor 18 Monaten die E-Book-Euphorie beschrieben haben. Der Blick Log gehört glücklicherweise nicht zu den Bücherexperten, sondern nur zu den Buchkonsumenten, jedenfalls war ich damals aus mehreren Gründen bearish für E-Books.
So gehört zu den Vermarktungsfehlern die Preispolitik. Es ist nämlich nicht klar, welches preispolitische Konzept die Reader-Hersteller und Buchverlage verfolgen. Zu lesen war, die Preise für Einzeltitel liegen etwa 10% unter den Hardcover-Preisen. Das ist aus Kundensicht eine erstaunlich geringe Preisdifferenz zum traditionellen Buch. Als Kunde zahlt man für eine Datei, die auf der Festplatte bzw. dem Reader lagert (Grenzkosten = 0), fast so viel wie für ein repräsentativen Einband, den man sich ins Regal stellen kann. Dazu muss man noch für etwa 100 € bis 300 € einen E-Reader erwerben. So erreichen Leseratten den monetären Break-even erst bei Kauf von Lesematerial im Offline-Wert von 3.000 €. Das ist viel zu viel.
Dazu kommen technische Beschränkungen und Gängelung durch proprietäre Formate und digitales Rechtemanagement. Im Ergebnis wird der gesamte Konsum-Life Cycle eines Buches (im Buchladen stöbern, überall lesen können, Seiten mit Anmerkungen versehen, verleihen, repräsentativ ins Regal stellen etc.) umgekrempelt und es entsteht ein anderes Nutzenprofil für die Konsumenten. Nicht jeder Konsument mag das. Zumindest bei Belletristik ist es daher unwahrscheinlich, dass hier wirklich nennenswerte Auflage mit diesem Konzept gemacht werden kann. Übrigens, haben Sie einmal versucht, bei Amazon Deutschland E-Books zu finden? Wenn es dort welche gibt, sind sie ausgezeichnet versteckt.
Für Fachbücher halte ich weiterhin elektronische Bücher für eine gute Alternative, insbesondere wenn man sie selektiv liest. Aber hier kommen leider keine neuen Ideen von den Verlagen. Einzig PaperC belebt hier die Szene mit seinem Read free und pay per use-Modell, einem Modell das im Fachbuchmarkt genau meine Bedürfnisse abdeckt aber leider nicht von allen Verlagen unterstützt wird.
Das leitet über zum Thema Paid Content, über das sich aktuell kaum zu schreiben lohnt, weil die Aktivitäten eingeschlafen zu sein scheinen. Seit dem von Robert Murdoch vor einem Jahr und dem Erscheinen des iPad ausgelösten Hypes um bezahlte Inhalte für Nachrichten ist es ziemlich ruhig geworden um das Thema. Jetzt, wo es den Verlagen besser zu gehen scheint, verspürt man wohl nicht mehr den Druck, sich mit dem Hoffnungsanker der Nachrichten- und Magazin-Verlagsszene zu befassen. Dabei könnte es doch interessante Ansätze geben, wie Katja Riefler und Robin Meyer-Lucht von Carta herausgearbeitet haben.
Die Zeitungsverlage scheinen sich dem vor einem Jahr noch heiß gehandelten Thema nur sehr vorsichtig zu nähern. Nach einem Bericht der FTD soll die Londoner „Times“, deren Inhalte komplett hinter einer Bezahlmauer liegen, 60 bis 90 Prozent der Reichweite eingebüßt haben. Möglich, dass die New York Times deswegen sehr abgestuft seine Leser zur Kassen bitten will. In der FTD heißt es dazu:
„Die Nutzer können künftig eine bestimmte Anzahl von Texten kostenlos abrufen. Für jeden weiteren Artikel müssen sie zahlen. Für Abonnenten soll es spezielle Bündelangebote geben. „Die Seite bleibt erreichbar für Zugriffe von Drittseiten wie Blogs, Suchmaschinen oder soziale Netzwerken“, erläuterte Robinson. „So sichern wir unsere Reichweite und damit auch die Werbeerlöse.“ Mit ähnlichen Modellen verzeichnen die Wirtschaftsblätter „Wall Street Journal“ aus dem Murdoch-Imperium und die Financial Times wirtschaftliche Erfolge. Allerdings zielen sie auf eine erheblich spezialisiertere Zielgruppe als die NYT.“
In Deutschland traut sich nach dem Hamburger Abendblatt, das nach der Einführung von Paid Content erwartungsgemäß Reichweite verloren hat, keine weitere Zeitung, ihr Onlineangebot zu bepreisen.
Jaja, ich bin Fanboi. Aber es geht halt nichts daran vorbei, dass Apple den größten Marktanteil hat. Und es daher dumm ist, diesen Vertriebsweg auszulassen. Und wenn man sich wie G&J an eine Klitsche wie Neofonie hängen will, ist man sogar mehr als dumm.
Was Meckels Kritik angeht: das iPad muss in den Strategie der Verlage EINER von vielen Vertriebswegen sein. Denn es werden andere kommen, nur sind die noch nicht da.
Übrigens ist es nur Ausdruck den Dämlichkeit der Verlage, dass sie immer noch kein Bezahlmodell geschaffen haben. Ich hoffe, sie stellen sich noch länger so doof an. Dann drücken sie demnächst 10% an Flattr ab, 10% an Paypal, kaufen dann ein DRM-System ein und noch ein paar andere Sachen und merken dann am Ende, dass die 30%, die Apple haben wollte, auch gar nicht so unverschämt waren … (Ich schätze, dass die Zeitungen aktuell deutlich mehr als 30% ihres Verkaufserlöses für den Vertrieb abgeben müssen …)
Klar, die Zensus von Apple ist ein Problem. Aber das wird nicht lange halten. Apple ist immer erst restriktiv und lockert dann nach und nach…
Die eBooks in Deutschland heben nicht an, weil die Verlage es entweder für sinnvoller halten, mit jeder denkbaren Klitsche (z.B. Neofonie) zu kooperieren außer mit Apple oder Amazon (weil die ja sonst zu mächtig werden) oder gar nichts machen.
Damit bekommt man dann eine kleine bis gar keine Plattform, auf der man seine eBooks verkaufen kann und dann verkauft man auch keine eBooks.
Die Verlage haben noch nicht verstanden, dass ihr Vertriebsmonopol und ihr Geschäftsmodell (alle Dienstleistungen rund um Bücher (Lektorat, Druck Werbung, Vertrieb …) aus einer Hand) vor dem Aus steht. Und dass sie diesen Trend nicht aufhalten können.
Gerade bei Buchverlagen bin ich so seeeehr erstaunt darüber: Klar, Zeitungen haben viel zu verlieren, weil sie es im Moment schaffen, viel generischen Mist und ein paar eigene Artikel im Paket zu verkaufen. Und zwar in den meisten Haushalten exklusiv (eine Zeitung pro Haushalt). Damit geht eine Rechnung auf, die im Internet nicht aufgeht: Weil der generische Mist eben nicht mehr verkauft werden kann und von den guten Artikeln keiner leben kann. Daher wollen die Zeitungen auch in Zukunft unbedingt Bundles verkaufen wollen (was sie aber nicht schaffen werden, bzw. nur sehr sehr wenige …). Dieses Problem haben die Verlage aber nicht. Die verkaufen ein Buch sowieso nur als Paket. Das ganze Geschäftsmodell dahinter ist ein anderes. Und die Buchverlage haben jede Menge Möglichkeiten, *mehr* Geld zu verdienen als vorher: In dem man Diskussionsforen an die Bücher hängt (also Communities baut) oder noch extremer: Werbung in die Bücher einbindet. Das Buch ist nämlich der einzige (große) Medienbereich, der fast gar nicht von Werbung abhängt. (Logisch! Bisher konnte man ja keine sinnvolle Werbung machen, weil Bücher Jahre halten und manche Werbung dann nur noch peinlich wäre). Bei eBook gibt es diese Probleme aber nicht! D.H. Buchverlage könnten jetzt Bücher verkaufen, die sie 2, 3 oder 5 Euro billiger machen, indem sie dort Werbung einbauen. ABer für solche radikalen Ideen brauchen die noch 3 Jahrzehnte (oder so).
Moin egghat. Ich weiß ja, dass Du ein Anhänger der Apfel-Produkte bist. Mir fiel dazu in einem Essay von Miriam Meckel gestern im Handelsblatt der folgende Absatz auf:
Also ich habe das Handelsblatt schon gelöscht. Grund: das was millionenfach vorhanden ist, muß niemand bezahlen – und ich muß mir nicht ständig diese dusseligen Erklärungen ansehen, was angeblich da für tolle Informationen auf mich warten würden. (Das hat was mit der mangelhaften Bezahlung der Reporter, Redakteure oder was weiß ich zu tun. Auf jeden Fall mit mangelhafter Recherche!) Das ist natürlich genau das Problem. Nur: solange bessere Informationsquellen existieren, wird das mit dem paid content nichts! Daß das anders wird, danach sieht es nicht aus, siehe z.B. Mindmap Wirtschaftsblogs!
Vielleicht interessant als Beispiel, the Global Post, eine neue online Zeitung,
gegr. 2009. Zugang ist frei, mit Gelegenheit eines Abos. Ich finde sie recht
nett und interessant:
http://www.globalpost.com/
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