Managementberatungen in der Krise: Partner von Roland Berger verzichten auf „Verkauf der Seele“ an Deloitte

by Dirk Elsner on 22. November 2010

Poker

Gutes Blatt beim Poker? (Foto flickr/Martin McKenna)

Der Übernahmepoker um Roland Berger und Deloitte sorgt für Aufsehen. Vor einer Woche angekündigt und am Wochenende von den Partnern von Roland Berger abgeschmettert, löste die beabsichtigte und nun gescheiterte Übernahme Diskussionen aus.

Ende Juli sagte Martin Wittig, neue Chef von Deutschlands größter Managementberatung, Roland Berger, dem Handelsblatt: „Wer verkauft, verkauft seine Seele. Wenn, dann kann es nur in eine partnerschaftliche Beziehung hineingehen. Und das ist kulturell eine schwierige Geschichte.“ Gerade einmal vier Monate nach dieser Aussage entlarvt ausgerechnet Wittig selbst seine Worte als leere Managementhülse. Die Ankündigung hat sogar Marktinsider überrascht: Die Managementberatung stellt sich praktisch selbst zum Verkauf und will sich von der US-Wirtschaftsberatung Deloitte übernehmen lassen.

Vergangene Woche schob Wittig eine neue Hülse nach: Dem Vorstandschef zufolge will „eine der weltgrößten professionellen Beratungsfirmen ihre Strategieberatung mit unserer Firma fusionieren und sie unter unseren Brand und unsere Führung stellen“, zitierte ihn das Handelsblatt.

Wie so oft bei Fusionen, versuchte man das Angebot als einen Zusammenschluss unter Gleichen darzustellen. Dabei wissen gerade die Management-Berater aus ihrer Praxis, dass es eine Fusion “unter Gleichen” faktisch nicht geben kann und diese nur ganz selten unter dieser Überschrift erfolgreich verlaufen.
Schmunzeln muss man ob der Aussage allein beim Vergleich der Mitarbeiterzahlen, Berger beschäftigt 2 000 Menschen, Deloitte 170 000 Mitarbeiter, wobei nicht veröffentlich wird, wie hoch der Anteil der Managementberater ist.

Deloitte, die eigentlich Deloitte Touche Tohmatsu Limited heißen, bietet nahezu die gesamte Palette der Wirtschaftsberatung mit Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung, Unternehmensberatung, Corporate-Finance-Beratung und Human Capital Beratung. Die Beratungsangebote von Roland Berger umfasst eher die Management-, Strategie- und Organisationsberatung. Nach Informationen des Handelsblatts, ist die stehe die Beratung schon länger unter unter strategischem Zugzwang und sei auf Brautschau.

Nun habe die Partner von Roland Berger am vergangenen Wochenende klug gehandelt und sich gegen einen Verkauf an Deloitte entschieden. Eine Transaktion, von der die FTD behauptete, sie sei alternativlos, hätte angeblich Rivalen wie McKinsey oder Boston Consult in Alarmstimmung versetzt. Solche vorschnellen Urteile übersehen die generellen Probleme derartiger Fusionen und die Spezialitäten der Beraterbranche, die darüber hinaus schnell zu einem Brain-Drain bei Roland Berger geführt hätte.

Wie auch immer die Übernahme offiziell begründet worden wäre, man fragt sich, ob sie eine Konsequenz aus der die Wirtschaftsmedien seit einigen Monaten beschäftigenden Krise der Management-Beratungen ist. Der Mythos der großen Managementberatungen hat in den letzten zehn Jahren erheblich gelitten. Die Finanz- und Wirtschaftskrise haben sie weder vorhersehen, noch verhindern können. Und in der Zeit der zusammenbrechenden Märkte ab Oktober 2008 waren auch ihre Stimmen verstummt.

Die Top-Consultants haben weder das “verlorene Jahrzehnt” verhindert noch Lösungen in den spektakulären Beratungsmandaten wie Opel, Arcandor oder den Landesbanken bieten können. Immer häufiger wird bewusst, dass Strategen und Management-Gurus rhetorische Blasen produzieren, die vor allem die eigene Vermarktung optimieren. Kein Wunder also, dass immer mehr Unternehmen am Sinn und den Tagessätzen der “Powerpointjockeys”  (Branchenslang) zweifeln.

So stellt die FTD vor einigen fest, dass Kunden der Unternehmensberatungen mehr wollen als schöne Worte. Das Dilemma vieler Management-Consultants ist die Umsetzungslücke. Den jungen, meist erstklassig ausgebildeten Beratern fehlen praktische Erfahrungen. Sie kennen das Tantra der BCG-Matrix, wissen aber nicht, dass es in der Praxis keine Rolle spielt. Die Vorschläge der Strategen mögen häufig Unternehmensleitung und Eigentümer überzeugen, das Auftreten und der Allwissenheitsanspruch führen aber meist zur Ablehnung in der für die Umsetzung viel relevanteren zweiten Managementebene. So scheitern viele Beratungsprojekte, weil sie sich nicht umsetzen lassen oder die Umsetzung mehr oder weniger gezielt unterlaufen wird.

Weitere Berichte zu Roland Berger, Deloitte und Managementberatungen

Deloitte und Roland Berger: Eine Fusion stellt die Beraterwelt auf den Kopf (7.11.10): Kaum ist Firmengründer Roland Berger von Bord, bahnt sich für die wohl prominenteste Beratungsfirma Deutschlands ein Epochenwechsel an. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte will Roland Berger übernehmen. Durch den Zusammenschluss würde das weltweit zweitgrößte Beratungsunternehmen entstehen.

FAZ: Berater und Wirtschaftsprüfer: Roland Bergers Veränderungsprozess (18.11.10): Obacht: Die Wirtschaftsprüfer schicken sich an, sich wieder zu überschätzen und neue Risiken einzugehen. Roland Berger und Deloitte werfen darauf nur ein helles Schlaglicht.

HB: Thomas Middelhoff und Roland Berger: Eine Scheidung wider Willen (19.11.10): Manchmal können sich Dinge schnell ändern – diese Erfahrung macht derzeit der ehemalige Arcandor-Chef Thomas Middelhoff. Nach eineinhalb Jahren Zusammenarbeit mit Roland Berger trennen sich die beiden.

FTD: Unternehmensberatung Erfolglose Projekte trotz Berater sind meist selbstverschuldet (12.11.10): Wenn Projekte trotz teurer Consultans scheitern, sind die Kunden oft selbst dafür verantwortlich. Die entscheidenden Fehler machen sie häufig vor dem ersten Gespräch. Aber auch die Berater sind nicht immer schuldlos.

Welt: Berater im Fusionsfieber – Deloitte und Roland Berger: Feilschende Kunden setzen Branche unter Druck (19.11.10)

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