Managementmoden-, -theorien und -philosophien haben ständig Hochkonjunktur. Eine stete Flut von Fachpublikationen überrollt gerade jetzt wieder den Markt mit unzähligen Ansätzen zur Neu- oder Umorganisation von Unternehmen. Schaut man sich die Flut von Konzepten und Ratgeberbüchern an, dürfte es heute eigentlich keine einzige Firma mehr geben, die in den Pleitegraben rutscht.
In einem Interview mit dem Harvard Business Manager sagte der schwedische Organisationsforscher Nils Brunsson: „Veränderungsprogramme lassen sich leicht ins Leben rufen, aber nur schwer umsetzen. Es ist daher kaum erstaunlich, dass die meisten scheitern.“ Auch in der Folge kritisiert Brunsson moderne Managementkonzept wie Process Reengineering, Balanced Scorecard oder Qualitätssysteme. Dies seien Ideale in dem Sinne, dass sie vernünftig, konsistent und geordnet erscheinen, solange sie Ideen bleiben. Ideal bleiben sie meist, bis Manager versuchen, sie umzusetzen.
Wer sich für eine Übersicht der Methoden interessiert, den verweise ich auf die Studie Management Tools 2009, An Executive’s Guide von Bain & Company. Dort gibt es eine Übersicht verschiedenster Methoden.
Skeptische Wissenschaft
Die Wissenschaft steht vielen dieser Konzepte skeptisch gegenüber. So lautet ein Vorwurf, häufig handele es sich bei neuen Methoden um pauschalisierende Ansätze, die ihre Vorzüge lediglich mit Hinweisen auf andere Schlagworte wie Verschlankung, Konzentration auf die Kernkompetenzen, Marktdruck, Globalisierung etc. begründen. Besonders bedenklich sind Darstellungen über Erfolgsbeispiele aus laufenden oder gerade erst abgeschlossenen Reorganisationen, die eine kritische Bewertung bereits aus zeitlichen Gründen verbieten. Insbesondere die praktische Literatur arbeitet gern mit „erfolgreichen“ Fallbeispielen. Die intersubjektive Nachvollziehbarkeit bleibt aber so häufig ausgeschlossen und der Methodenerfinder kann sich einer kritischen Betrachtung entziehen.
Während meines Urlaubs habe ich u.a. im Buch “Der Halo-Effekt” von Phil Rosenzweig, Professor an der Lausanner Business-School IMD, gelesen. Es gehört zu denn besseren Management-Büchern, weil es nicht behauptet ein Patentrezept dafür zu haben, wie man Unternehmen zu Spitzenleistungen trimmt. Rosenzweig konzentriert sich darauf, die Auswirkungen der Empfehlungen einiger bekannter Management-Klassiker auf den Unternehmenserfolg zu untersuchen. Er weist in seinem Buch eindrucksvoll nach, dass die meisten Managementkonzepte, die Wissenschaftler und Berater anbieten, kaum substantielle Verbesserungen bringen.
Rosenzweig hat dazu zahlreiche als Patentrezepte gepriesene Konzepte systematisch untersucht auf ihren Einfluss auf die Unternehmensergebnisse. Sein Urteil fällt vernichtend aus: Die Empfehlungen erfolgreicher Management-Bücher taugten weder als Entscheidungshilfe für Führungskräfte noch als Input für wissenschaftliche Forschungen. Die Autoren der Ratgeber stellten letztlich unbewiesene Behauptungen auf (siehe dazu auch Artikel von Anja Müller im Handelsblatt)
In aller Regel suggerieren die Autoren Zusammenhänge, die seriös nicht bestätigt werden können. Kausale Zusammenhänge, die besonders gern anhand von erfolgreichen Beispielen „belegt werden“, sind wissenschaftlich meist nicht zu halten. So hat sich Rosenzweig intensiv mit dem Klassiker „Auf der Suche nach Spitzenleistungen – Was man von den bestgeführten Unternehmen lernen kann“ der McKinsey-Berater Tom Peters und Robert Waterman auseinandergesetzt. Peters hat übrigens mittlerweile selbst zugegeben, dass die Unternehmen damals so ausgewählt wurden, dass das bereits vor der Untersuchung feststehende Ergebnis auf die Unternehmen passte (siehe dazu Tom Peters’s True Confessions auf Fastcompany.com). Der Erfolg der 43 Unternehmen, die Peters und Waterman als vorbildlich für für ihre Spitzenleistungen ansehen, hielt tatsächlich nicht lange an.
Halo-Effekte und …
Und auch aktuell ist wieder zu beobachten, dass zahlreiche Ratgeber-Artikel und Beratungs-Gurus Methoden versprechen, deren Umsetzung den Unternehmen aus der und durch die Krise helfen sollen. Der große Fehler vieler dieser Werke, sie reduzieren den Unternehmenserfolg auf wenige Faktoren und geben sich gern den Anstrich von Rationalität mit dem Versuch, die Thesen anhand einer großen Datenbasis zu beweisen. Viele Untersuchungen leiden dabei aber unter dem Halo-Effekt.
Der von Edward Lee Thorndike bereits 1920 erkannte Halo-Effekt beschreibt eine verbreitete Wahrnehmungsverzerrung bei der Einschätzung bestimmter Merkmale, die durch andere beobachtbare, aber normal ausgeprägte Merkmale überstrahlt werden. Diese Überstrahlung durch ein besonders positiv oder negativ ausgeprägtes Merkmal bewirkt, dass andere Merkmale tendenziell positiver oder negativer beurteilt werden. Rosenzweig beschreibt das etwa so: Steigen Umsatz und Gewinn eines Unternehmens, ist die Versuchung groß, dahinter eine brillante Strategie, eine visionäre Führungspersönlichkeit, besonders fähige Mitarbeiter oder eine außergewöhnliche Unternehmenskultur zu vermuten. Lässt die Performance nach, stehen schon bald die verfehlte Strategie, der arrogante Führungsstil, unengagierten Mitarbeiter oder eine hemmende Unternehmenskultur am Pranger.
… Selbstvermarktung
“Wir suchen verzweifelt auch dort nach Rezepten, wo es keine geben kann. Nüchtern betrachtet befriedigen die Autoren solcher Rezeptsammlungen also bloß ein menschliches Bedürfnis, wogegen im Prinzip nichts einzuwenden ist. Phil Rosenzweig jedoch stößt es auf, wenn solche Ratgeber im wissenschaftlichen Gewand daherkommen und den Anspruch erheben, die Wahrheit zu verkünden. Möglich dass sein Impuls, die ganze Scharlatanerie aufzudecken, vom Neid auf die bekanntesten Hexenmeister ausgelöst wurde. Denn Manager-Gurus wie Tom Peters oder Jim Collins können Unternehmen für einen einzigen Auftritt mehr als 100.000 Dollar in Rechnung stellen. Und dies, obwohl sich ihre früheren Einschätzungen und Prognosen als falsch erwiesen haben.”
Anja Müller ergänzt im Handelsblatt:
Rosenzweig unterstellt Managern und Beratern keine böse Absicht, sondern attestiert ihnen eine natürliche Veranlagung zum Vereinfachen. Der Mensch neige dazu, komplexe und mitunter widersprüchliche Wahrnehmungen auf ein geschlossenes konsistentes Bild zu reduzieren. Einer der ersten Wissenschaftler, die diesen Effekt untersuchten, war der Psychologe Lee Thorndike Anfang der 20er-Jahre. Im Ersten Weltkrieg bat er Offiziere, ihre Soldaten nach mehreren Kriterien wie Intelligenz, Kondition und Führungsqualitäten zu beurteilen. Soldaten, die gut aussahen, bekamen überall gute Noten – andere wurden dagegen auf ganzer Linie schlecht beurteilt.
Thorndike wertete dies als Indiz dafür, dass Menschen dazu neigen, aus allgemeinen Eindrücken wie dem Äußeren Rückschlüsse auf konkrete Eigenschaften ziehen. Den gleichen Fehler machen die meisten Management-Gurus, so Rosenzweig. Wenn Annahmen oder Ausgangsdaten zur Beurteilung einer Unternehmensstrategie nicht stimmen, dann nützten selbst die aufwendigsten Datensammlungen und Berechnungen nichts.
Keine Lösungen von der Stange
Viele Fachbeiträge vermitteln den Eindruck, in zwei, drei Schritten lasse sich ein Unternehmen wieder auf Vordermann bringen. Erfahrene Praktiker wissen, dass dies ein Trugschluss ist, zumal Fachbeiträge gar nicht auf die konkrete Unternehmenssituation eingehen, sondern nur allgemeine Hinweise geben können. Wie bei einer Landkarte, die bei der Erreichung des Reiseziels helfen soll, blenden Fachartikel die tatsächliche Verkehrslage und individuelle Hindernisse, die sich erst beim Befahren einer Strecke zeigen, aus.
Daneben setzen viele Fachbeiträge konsequent und nachvollziehbar einseitige Schwerpunkte, die im Zweifel aber in die falsche Richtung führen können. Ein Beitrag verspricht die Unternehmenssicherung durch optimiertes Working Capital Management, der nächste meint, im Einkauf liege die Lösung, der Marketingexperte setzt voll auf den Vertrieb und der Organisationsexperte auf Six-Sigma, um Qualität und Kosten in den Griff zu bekommen.
In der komplexen Welt gibt es keine schnellen Lösungen mit eindeutigen Antworten auf die Frage: Wie sichere ich ein Unternehmen oder was macht Unternehmen erfolgreich? Eine starke Unternehmenskultur, eine “visionäre Führung”, Kunden- oder Mitarbeiterorientierung, hartes Kosten- und Qualitätsmanagement (Lösung für das Qualitätsmanagement in Unternehmen) können, müssen aber nicht der Schlüssel zum Erfolg sein.
Diese Ausführungen sind kein Plädoyer dafür, die gesamte “Ratgeber-Literatur” zu shreddern. Ich habe aber in den letzten Jahren über zu viele Management-Philosophien und Konzepte gelesen, die zunächst in den höchsten Themen gepriesen wurden und anschließend sang- und klanglos verschwunden sind. Manche Konzepte tauchen später modifiziert und mit neuen Bezeichnungen wieder auf. Häufig lohnt ein Blick, um Anregungen für die eigene Organisation zu erhalten. Sehr selten lohnt die komplette Umwandlung der Strukturen auf Basis eines Ansatzes, der als Heilsversprechen für den Unternehmenserfolg daher kommt.
Es gibt also nicht den Königsweg zum Unternehmenserfolg. Dies wird auch deutlich, wenn man sich einmal anschaut, von wievielen Faktoren eigentlich der Unternehmenserfolg abhängig ist. In dem Beitrag Wie Volkswirte und Analysten mit Vorhersage die Entscheidungen in Unternehmen beeinflussen zeige ich eine formale Darstellung der Erfolgsfunktion eines Unternehmens, die zeigt, welche relevanten Faktoren die Unternehmensziele beeinflussen.
@VeraFBirkenbihl
Ich fürchte, ich verstehe nicht genau, was sie meinen mit den Kommentaren.
warum kann man den kommentar nicht lesen, ohne irgendwohin zu springen? welchen SINN nacht das? ich habe zZt eine langsame internet-verbindung und möchte unnötige sprünge vermeiden, weil ich die wartezeiten hasse…
vfb
„Spotting Management Fads“, HBR 2002
http://www.sirim.my/techinfo/P1/Text/hbr_p26a.pdf
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