Entschuldigungen für Chaos von Lufthansa und Bahn sorgen für Gelächter: Kunden werden nicht ernst genommen

by Dirk Elsner on 19. Dezember 2010

Das Winterchaos bei Lufthansa und Bahn war in der vergangenen Arbeitswoche das Smalltalk Thema Nr. 1 bei uns im Projekt. In Hamburg arbeite ich derzeit mit Kollegen, die aus der ganzen Republik entweder per Flugzeug oder Bahn anreisen. Unter den Vielreisenden herrscht (meist zumindest) mittlerweile so etwas wie eine stoische Gelassenheit, denn auf die Schnelle wird sich nichts an den Verspätungen, Zug- und Flugausfällen ändern, wenn ein für Deutschland so ungewöhnliches Ereignis eintritt: Der überraschende Schneefall.

Was uns alle aber regelmäßig auf die Palme bringt und in Zügen, Bahnhöfen und an Flugplätzen mittlerweile nur noch hämisches Gelächter auslöst, sind die Entschuldigungen, die irgendwie alle beginnen mit  “Aufgrund der schlechten Witterungsverhältnisse …” Wegen der schlechten Witterungsverhältnisse verspäten sich Züge, sind vollkommen überfüllt, sind Gleisanlagen defekt, können die Start- und Landebahnen nicht freigemacht werden, kommen die Enteisungen nicht hinterher, fällt die Elektrik in der Bahn aus, und und und. Und vor allem, wegen der schlechten Witterungsverhältnisse können Kunden nicht richtig informiert werden. Informationen werden plötzlich zur Holschuld.

Liebe Bahn und liebe Lufthansa,

absolut jeder Kunden weiß, dass die Verzögerungen und Ausfälle nicht nur an den schlechten Witterungsverhältnissen liegen. Wir sind ja geduldig und nehmen das alles manchmal sogar mit einer Portion Galgenhumor hin. Was uns aber wirklich ärgert, ist, dass Ihr uns Fahr- und Fluggäste nicht ernst nehmt und tatsächlich glaubt, wir hätten solche blödsinnigen Entschuldigungen verdient.

Wir wissen, dass das Winterchaos mit erheblichen organisatorischen Unzulänglichkeiten zu tun hat. Und diese organisatorischen Unzulänglichkeiten sind das Ergebnis der diversen Optimierungsmaßnahmen, die ihr Euch von Euren Eigentümern habt aufschwatzen lassen, um Eure Ergebnisse kurzfristig zu optimieren. Die Rechnung geht aber nicht mehr auf. Ihr optimiert zum Mittelwert hin und kümmert Euch nicht um die Abweichungen von den mittleren Wetterverhältnissen. Was wir aber wirklich gar nicht verstehen, warum man im Zeitalter des Web 2.0, des Cloud-Computing, der Hochleistungsrechner nicht eine vernünftige IT-Infrastruktur hat, um Kunden zeitnah und sachgerecht zu informieren.

Die Veräppelung der Öffentlichkeit wird übrigens gerade von der Deutschen Bahn auf die Spitze getrieben. Die Bahn soll angeblich den Kampf gegen das Winterchaos geplant haben. Zu den Gesprächen wurde ein Autor der Welt Online eingeladen. Durchsichtiger und peinlicher geht PR doch nicht mehr.

Man fragt sich, warum trotz dieses angeblich so schlimmen Wetters, bisher noch kein einziges Bundesligaspiel ausgefallen ist. Die Antwort ist ganz einfach: Der Ausfall eines Spiels kostet deutlich mehr Geld, als die Maßnahmen, die erforderlich sind, um Plätze und Stadien auch gegen widrige Witterungsverhältnisse bespielbar zu halten. Bei Bahn und Lufthansa ist es offenbar umgekehrt. Vorbereitende Maßnahmen, die schnelle und kundenfreundliche Reaktionen ermöglichen, sind teurer als die Mehrkosten, die durch Verspätungen und verärgerte Kunden entstehen.

Ob diese Rechnung allerdings in diesem Winter aufgeht, dürfte zweifelhaft sein. Vermutlich werden die GuV-Rechnungen der Massenverkehrsanbieter erheblich belastet werden, wenn der Winter in dieser Stärke dauert. Und ich weiß schon, wie der Finanzvorstand die schlechteren Ergebnisse rechtfertigen wird: “Aufgrund des unerwartet lang andauernden Winters, haben wir leider erhebliche Mehraufwendungen und Einbußen … ”.

Presseberichte zum Bahn- und Flugchaos

Spon: Flugausfälle:Tumulte im Frankfurter Flughafen-Terminal: Winter in Europa – und das Luftfahrt-Drehkreuz Frankfurt am Main muss kapitulieren. Tausende genervte Passagiere kommen nicht weg, an einem Schalter kam es zu heftigen Handgreiflichkeiten. Die Polizei schlichtete. Auf den deutschen Straßen beruhigt sich die Lage.

Spiegelfechter: Unser umwintertes Gedächtnis mit lesenswerten Einsichten zum erneuten „Jahrhundertwinter“ und Wetterchaos

HB: Flughafen Frankfurt: Eisige Stimmung am eingeschneiten Airport: Ausnahmezustand am Frankfurter Flughafen: Der anhaltende Schneefall lähmt den größten deutschen Airport. Hunderte Flüge fallen aus, tausende Fluggäste stauen sich in den Hallen. Bei manchen Reisenden liegen die Nerven inzwischen blank.

Reuters: Flugverkehr bleibt nach Schneechaos stark beeinträchtigt: Auch nach dem Abflauen der heftigen Schneefälle in Deutschland bleibt der Flugverkehr stark beeinträchtigt

HB: Verkehrschaos in Europa: Weihnachtspendler stecken im Schnee fest: Bei vielen Pendlern dürfte die Vorfreude auf Weihnachten dahin sein. Heftige Schneefälle und stürmischer Wind haben den Verkehr in Europa zum Erliegen gebracht. Hunderte Flüge wurden gestrichen, am Frankfurter Flughafen kam es zu Tumulten

Spon: Überfordert vom Schneewetter – Warum die Bahn nicht winterfest ist: Deutschland verschneit – prompt häufen sich im Schienenverkehr Verspätungen und Ausfälle. Die ICE müssen langsamer fahren, ein Regionalzug blieb stundenlang stehen. Warum die Bahn mit dem Winter nicht zurechtkommt: ein Überblick über die Schwachstellen.

FR: Deutsche Bahn – Panik im Regionalexpress: Wieder ein Wetterskandal bei der Bahn. Hunderte stecken im Zug von Hamburg nach Lübeck fest – ohne Licht und Heizung. Die Szenen erinnern fatal an das Klimaanlagen-Chaos im Sommer.

Zeit: Winterchaos Tausende sitzen am Frankfurter Flughafen fest: Schnee fällt kaum noch, doch der Verkehr in Deutschland läuft noch längst nicht wieder normal. Die Lufthansa setzte einen Sonderflugplan in Kraft, der erhebliche Streichungen vorsieht.

Ole Dezember 24, 2010 um 15:26 Uhr

Sehr schöner Artikel. Vor allem die deutlichen Worte gefallen mir. Die Millionen Betroffenen zetern zwar Lautstark, doch die Unternehmen haben keine Konsequenzen zu befürchten, Hunde die bellen, beißen nicht. Ja, das ist traurig, doch ist dieser Prozess zu stoppen?

Wenn im nächsten Jahr die Unternehmen die Preise erhöhen, um die winterlichen Verluste auszugleichen, wird sicher wieder viel gejammert. Letztendlich nur ein Jammern über sich selber, weil festgestellt wird, wie abhängig wir uns gemacht haben. Moderne Sklaven eben, wo alles von der Industrie getan wird, es ja nicht so aussehen zu lassen.

Habnix Dezember 19, 2010 um 20:28 Uhr

Die otimieren zum schlechten Dauerzustand hin nur zu welchem Zweck was für ein Expiriment läuft hier.

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