Macht die Megafusion zwischen der Deutschen Börse und der NYSE wirklich Sinn?

by Dirk Elsner on 14. Februar 2011

Vor einer Woche kündigten die Deutsche Börse AG und die NYSE-Euronext ihre Fusion an und werden von Beobachtern dafür gefeiert. Der Zusammenschluss, beim dem faktisch die Deutsche Börse die altehrwürdige New Yorker Wall Street übernimmt, ist aber noch nicht in trockenen Tüchern. Ein unterschriftsreiches Dokument für den Zusammenschluss gibt es nach Informationen des Handelsblatt noch nicht. die Die Düsseldorfer Zeitung berichtet aus informierten Kreisen, die neue Gesellschaft soll die Rechtsform einer Europäischen Aktiengesellschaft (SE) oder eine niederländische NV haben. Als Firmensitz der Holding-Gesellschaft habe man sich auf Amsterdam verständigt.

imageMich überzeugt die Fusion nicht. Ich habe außer den üblichen Allgemeinplätzen noch kein einziges schlüssiges Argument gelesen, das betriebswirtschaftlich für diesen Zusammenschluss sprechen sollte. Die Aktionäre beider Gesellschaften sehen das allerdings anders. Sie feierten auf beiden Seiten des Atlantiks die Ankündigung mit einem Kurssprung.

Allein die euphorische Bewertung der Aktionäre zu diesem frühen Zeitpunkt beseitigt meine Skepsis nicht. Wie immer feiert die Wirtschaftspresse solche Zusammenschluss und ergötzt sich dabei an den Rekorddaten:

“Mit der Fusion entsteht der mit Abstand größte Börsenbetreiber der Welt. 3450 inländische Unternehmen mit einem Wert von unvorstellbaren 18,6 Billionen Dollar würden dort gehandelt – fast 40 Prozent des globalen Aktienhandels an klassischen Börsen und damit dreimal so viel wie bei der künftigen Nummer zwei (siehe Grafik). Hinzu kämen noch einmal 750 Auslandsaktien. Im Terminhandel würde die Börse zum größten Anbieter der Welt, in Europa würde sie mit 95 Prozent Marktanteil sogar fast ein Monopol bilden. Diese Größe könnte die Fusion noch zum Scheitern bringen, denn die Kartellbehörden müssen zustimmen.” (Quelle FAZ)

Daraus entsteht allein freilich noch kein Mehrwert für die Anteilseigner.

Ich will gar nicht die vielzitierten Untersuchungen herausholen (siehe unten), die feststellen, dass die meisten Zusammenschlüsse großer börsennotierter Unternehmen sich gemessen an der Performance nicht für die Aktionäre rechnen. Bei etwa 80% der Fusionen sind die strategischen Prämien und Kaufpreise im Nachhinein höher als die tatsächlich realisierbaren Synergiepotentiale und Umsatzzuwächse, heißt es zum Beispiel. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young hat einmal ermittelt, dass nur jede zweite Unternehmenstransaktion erfolgreich ist.

Nun sind bekanntlich Statistiken aus der Vergangenheit kein Argument, jede Fusion zu verteufeln. Gerade aber Fusionen zwischen zwei großen Unternehmen bergen oft mehr Risiken als Chancen. Wenn Großkonzerne, die eher als unbeweglich gelten, dazu noch mit unterschiedlichen Unternehmenskulturen aufeinandertreffen, ist die Wahrscheinlichkeit eines Flops hoch. Dazu hilft es jetzt allerdings nicht, bekannte Beispiele wie etwa Daimler/Chrysler oder Commerzbank mit Dresdner Bank hervorzuholen.

Ich denke aber, hier werden die Vorteile einer Fusion überbewertet. Vorteile? In den gesichteten Artikeln habe ich außer den üblichen Allgemeinplätzen nichts über die Vorzüge finden können oder soll der spektakuläre Klang von Umsatzgröße an sich bereits als Argument gelten? Einige Finanzmarktteilnehmer in den USA sind zunächst einmal nicht sehr begeistert, was aber weniger mit betriebswirtschaftlichen Fakten als mit verletztem Ego zu tun hat. Dazu schrieb die FAZ:

“Der Aufruhr an der Ostküste ist verständlich, schließlich sah sich die New Yorker Börse lange als Leitbörse, an der sich die ganze Welt orientiert. In New York werden 2300 Aktien gehandelt, in Frankfurt 750. Und jetzt sollen die Deutschen das Sagen an der Wall Street haben? Undenkbar.”

Klar, man will Kosten einsparen. 300 Mio. Euro an Synergiepotenziale erwartet man sich von der Fusion, notierte die Deutsche Börse in ihrer Pressemitteilung. Realisiert werden soll dies “vorwiegend aus Skaleneffekten in der Informationstechnologie, Betrieb von Clearing Dienstleistungen, Marktbetrieb und Zentralfunktionen entstehen. Zudem werden signifikante zusätzliche Umsatzsynergien durch Clearing Dienstleistungen, Produktinnovationen und Cross-Selling Möglichkeiten in den globalen Kassamarkt- und Derivategeschäften erwartet.“

“Gehen zwei Börsen zusammen, wird eine IT-Plattform eingespart,” schreibt die Tageszeitung Die Welt naiv. Für naiv halte ich das, weil ich daran nicht glaube, denn trotz vielleicht identischer Handelsprinzipien sind in der Regel im Detail die Unterschiede in der IT-Technik so groß, dass die Integrationskosten gerade im Finanzbereich regelmäßig unterschätzt werden. Und die Größe wird auf Kosten der Flexibilität gehen. Wie sollen künftig die Systeme an die jeweils unterschiedlichen Anforderungen der Kunden und Rechtssysteme angepasst werden?

Schon in der Vergangenheit haben sich die institutionalisierten Börsenplätze mit der flexiblen Berücksichtigung der Bedürfnisse der Handelsteilnehmer und Kunden schwer getan. Dies ist auch der Grund, warum in den letzten Jahren so viele außerbörsliche elektronische Handelssysteme so stark werden konnten. Auf der Handelsseite sehe ich daher überhaupt keine realisierbaren Potenziale, denn allein aufgrund der unterschiedlichen Rechts- und Regulierungsregime ist die Zusammenfassung des Handels auf einer Plattform ausgeschlossen. Und nur dann würde tatsächlich eine liquidere Börse entstehen. Dann könnten noch eher Synergien auf der Clearing- und Abwicklungsseite realisiert werden. Ob dies aber jeweils den Bedürfnissen der Kunden bzw. Handelsteilnehmern gerecht wird, ist freilich offen.

Im Ergebnis überwiegt meine Zurückhaltung. Ich würde eine Anti-Merger-Arbitrage-Strategie gegen den erfolgreichen Zusammenschluss aufbauen. Konkret glaube ich, dass sich alternative Handelsplätze ohne eine solche Merger-Strategie in den nächsten Jahren besser im Kurs entwickeln werden, als eine mit der NYSE-Euronext fusionierte Deutsche Börse. Aber zunächst wird man sehen, ob überhaupt eine Fusion vertraglich vereinbart und von den jeweiligen Anteilseignern dieser zugestimmt wird.

Nachtrag vom 15.2.11

Heute haben die Gremien beider Gesellschaften nach Angaben des Handelsblatts einer etwa 100 Seiten starke Vereinbarung zugestimmt, einem sogenannten „Business Combination Agreement“. Dabei dürfte es sich aber lediglich um eine erweiterte Absichtserklärung handeln. Wir wissen von vielen anderen „Fusionsvereinbarungen“, dass bis zur abschließenden vertraglichen Umsetzung noch sehr viel mehr Zeit vergeht und noch mehr Vertragspapier unterschrieben wird.

Ausgewählte Meldungen und Reaktionen

Welt: Börsen sind nur noch etwas für Nostalgiker: Der geplante Zusammenschluss der New Yorker und der Frankfurter Börse verdeutlicht mehr denn je: Der Wertpapierhandel rund um den Globus läuft längst virtuell

FAZ: Deutsch-amerikanische Fusion – Was bringt die neue Börse? Die Deutsche und die New Yorker Börse fusionieren. Für Börsen-Aktionäre ist das ein schlechter Deal. Doch was heißt das für Privatanleger? Sie dürfen hoffen.

FT: Megadeal mit vielen Fragen: Die Fusion von Deutscher Börse und NYSE Euronext ist kein Selbstgänger. Auch Gegenangebote von Rivalen sind möglich.

FR: Nach Börsen-Fusionsgedanken – Auf der Suche nach positiven Folgen: Die Erwartung, die der DGB-Vorsitzende für Frankfurt und Rhein-Main, Harald Fiedler, äußert, teilen am Freitag auch andere Kritiker. Sie erwarten nichts Gutes von der geplanten Fusion der New York Stock Exchange und der Deutschen Börse in Frankfurt.

FAZ: Geplante Fusion – Der Drang der Deutschen Börse nach Größe: Die Deutsche Börse ist eine der größten und erfolgreichsten Börsen der Welt. Doch ihr Geschäftsmodell ist in zweierlei Hinsicht bedroht – und die Konkurrenz wächst kontinuierlich.

Zeit: Deutsche Börse und NYSE Eine historische Fusion: Die Zeiten, in denen vor allem nationale Interessen gegen eine Börsenfusion sprachen, scheinen vorbei. Neue Konkurrenz zwingt sie dazu, sich zusammenzuschließen.

FTD: Börsenfusion – Zu früh zum Jubeln: Börsen sind das Herzstück des Kapitalismus. Sie verschaffen den Unternehmen eines Landes den für sie unverzichtbaren Zugang zum Kapitalmarkt. Es ist daher mehr als unsicher, ob die nationalen Aufsichtsbehörden tatsächlich einer Fusion von Deutscher Börse und NYSE Euronext zustimmen werden.

HB: Wie die New Yorker Börse zum Übernahmeobjekt wurde: Die New York Stock Exchange gilt vielen bis heute als mächtigste Börse der Welt. Doch die stolze Nyse ist längst von der Konkurrenz eingeholt worden. Zu lange setzten die Amerikaner auf den traditionellen Aktienhandel. Die Musik spielt heute aber woanders.

WSJ: Battle With Upstarts Spurs Deutsche Börse’s Move: Deutsche Börse, an early entrant into electronic trading and new markets, got into tie-up talks with NYSE Euronext last year

NYT-DB: German Börse in Talks to Buy the Big Board: Marius Becker/DPA, via Agence France-Presse — Getty ImagesTraders at the Frankfurt Stock Exchange in Germany, whose owner is negotiating to purchase the New York Stock Exchange. The New York Stock Exchange, a symbol of American capitalism for more than two centuries, may soon have new owners — in Europe.

WSJ: ROI: What the Stock Exchange Merger Means for You: There are better things for U.S. investors to worry about than the takeover of the New York Stock Exchange by Germany’s Deutsche

Finanztest: Fusionen Unternehmensfusionen: Denn sie wissen nicht, was sie tun (10/2000): Fusionen sind beliebt. Unternehmen wollen Umsatz und Gewinn erhöhen, Aktionäre Profit schlagen ­ doch oft gelingt beides nicht.

Tagesspiegel: Der Sinn und Unsinn von Unternehmensfusionen (30.11.98)

Detlef Februar 14, 2011 um 13:03 Uhr

http://news.yahoo.com/s/nm/20110214/bs_nm/us_nyse_deutscheboerse_schumer

„Schumer told reporters he met with NYSE Euronext Chief Executive Duncan Niederauer — who would lead the combined entity — on Friday and again on Saturday.

He said he was told the deal „will give managerial control of the new operation to the team from NYSE, with Mr. Niederauer installed as the new CEO.“ „

Marc Februar 14, 2011 um 09:18 Uhr

Ab einer gewissen Größe neigen Konzerne immer zu Monopolbildung. Diesmal eben in der Börsenbranche. Von daher müsste ein Kartellbehörde, die ihren Namen verdient, die Fusion untersagen – was aber nicht passieren wird. Die Folgen sind absehbar: Ein Börsenlisting in New York, Frankfurt, Amsterdam, Paris, Brüssel, Lissabon dürfte langsam aber sicher teurer werden. Verkauft wird das ganze dann mit technischen Innovationen. Ob das alle AGs mitmachen? Der ein oder andere dürfte an eine Nebenbörse wechseln – mit wem fusioniert eigentlich die LSE? – die anderen sind dem neuen Riesen ausgeliefert…

michael freitag Februar 14, 2011 um 02:05 Uhr

Was das ganze jetzt so genau für Auswirkungen hat werden wir ja in den nächsten Monaten sehen…

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